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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Einführungsrede
zur Montagsdemo 29.11.2004 durch Hans-Dieter Hey, Köln
"Todgeglaubte leben länger!" Zur Wiedereinführung der Zwangsarbeit in Deutschland – Der 1-Euro-Job Liebe Freundinnen und Freunde, die Montagsdemo in Köln ist eine kulturelle Errungenschaft von politisch mutigen Bürgerinnen und Bürgern dieser Stadt – und das Schöne ist: "Todgeglaubte leben länger". Wir machen weiter und bleiben bissig! Trotz des Verschweigens in den meisten wirtschaftsabhängigen Einheitsmedien sind wir in Köln so zäh, dass wir uns politisch nicht totschweigen lassen. Dies ist ein großer Erfolg aller Beteiligten! Und wir kämpfen weiter gegen den Mainstream der Zerstörung von Demokratie und sozialen Er-rungenschaften und gegen die Wand der Ignoranz. Und wir werden mehr! Wer in dieser Zeit die wenigen kritischen Meldungen verfolgt, kann es kaum fassen. Da wird in Deutschland im Jahre 2005 im Zuge der sogenannten Arbeitsmarktreformen von "Hartz IV" auf perfide Art und Weise die Zwangsarbeit eingeführt, und zwar durch die rot-grüne Regierung unter der Verantwortung von Kanzler Gerhard Schröder und Außenminister Fischer mit Unterstützung von CDU und CSU. Und viele denken noch: wir haben doch Demokratie und einen Sozial- und Rechtsstaat? Falsch gedacht: wir hatten – und das auch nur vielleicht. Dabei haben die Sozis mit Zwangsarbeit eine alte Tradition: bereits 1923 und 1930 wurde durch sie mit Hilfe der Rechten Zwangsarbeit eingeführt, damals nannte es sich Reichsarbeitsdienst. Ich möchte nicht falsch verstanden werden: Zwangsarbeit zur Zeit des Nazi-Terrors ist noch etwas ganz anderes. Aber sie sind schon wieder in vielen Köpfen unterwegs, die Gedanken von Unterdrückung, Zwang und Erniedrigung. Auch in diesem schlechten Sinne heißt es: "Todgeglaubte leben länger", liebe Freundinnen und Freunde. In Deutschland entstehen sie offensichtlich immer wieder neu aus dem Nichts! Was ist Zwangsarbeit? Es ist die Erpressung zu befohlener und nicht selbst gewählter Arbeit mit Hilfe der Androhung eines besonderen Übels, insbesondere durch staatliche Gewalt. Nach internationalem Recht ausgedrückt: jede Art von Arbeit oder Dienstleistung, die von einer Person unter Androhung irgendeiner Strafe verlangt wird und für die sie sich nicht freiwillig zur Verfügung gestellt hat. Und das genau macht dieser Staatsapparat auf Geheiß einer selbsternannten Wirtschaftselite mit tausenden von Bürgerinnen und Bürgern! Ab nächstem Jahr werden Erwerbslose für eine Aufwandsentschädigung von 1 Euro zur Arbeit gezwungen. Und zwar unter der Drohung der Kürzung oder des Entzugs von Arbeitslosengeld II. Und wenn man sich dem widersetzt, zwingt es die Betroffenen zum Betteln, zum Hungern oder in die Kriminalität. Und nicht allein mit dem Entzug der Existenzgrundlagen wird gedroht. Wer für einen Euro arbeitet, ist Mensch Dritter Klasse. Für ihn gilt kein Arbeitsrecht, weil hierdurch kein Arbeitsverhältnis begründet wird. Es gilt kein Kündigungsschutz, kein Krankengeld, kein Tarifvertragsrecht. Von einer Unfallrente ist er ebenso ausgeschlossen wie von den Wirkungen betrieblicher Mitbestimmung. Zwar gelten die Regelungen des Arbeitsschutzes, doch wer darauf besteht, kann rausfliegen – und ist schutzlos. Und schließlich rechtlos, weil die Arbeitsgerichte nicht zuständig sind. Das Ganze dann für ca. 2 Euro die Stunde (ALG II) plus 1 Euro die Stunde Aufwandsentschädigung! Und Umziehen darf man nur noch mit amtlicher Genehmigung. Das ist die beispiellose Ausgrenzung durch Apartheid – und ich betone: in Deutschland 2005! Dabei ist Zwangsarbeit nicht nur international geächtet und verboten, sondern auch nach dem Grundgesetz. Zwang zur Arbeit in unserem Land ist ausnahmsweise nur unter strengen Auflagen im Strafvollzug möglich. Strafgefangenen wird Arbeit zugewiesen, die 'zu leisten sie auf Grund ihres körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes in der Lage sind'. Genau das ist die Formulierung, die wir in den "Hartz IV"-Gesetzen für Erwerbslose wieder finden. Die faktische Gleichsetzung von Strafgefangenen mit Erwerbslosen ist eine schier unerträgliche Erniedrigung von Millionen von Bürgerinnen und Bürgern, die vielleicht zigjahrelang gearbeitet haben und irgendwann brutal "entsorgt" wurden. Welch eine Beleidigung für deren Lebenswerk! Was anderes also soll dies denn sonst bedeuten außer Zwangsarbeit? Wer den Begriff Zwangsarbeit hier leugnen möchte, verbiegt unsere Sprache. Es gibt keinen anderen Begriff für diese Drohung und Erniedrigung. Die Würde des Menschen ist unantastbar, und sie ist unteilbar. Überall in der Welt hat dies zu gelten und deshalb muss es auch in Deutschland Gültigkeit haben. Und darum geht es jetzt hier. Hunderttausende solcher sogenannten Stellen sollen geschaffen werden, und man scheut sich nicht, dies Arbeitsplätze oder Beschäftigungsangebote zu nennen. Hier gibt es nichts zu drehen, hier gibt es nichts zu diskutieren oder zu deuten. Das Mittel dieser neoliberalen Endzeit-Wirtschaft und ihrer Kumpanei mit rot-grün und schwarz-gelb ist nichts anderes als moderne Staatssklaverei! Ich will an dieser Stelle nicht verschweigen, dass die Methoden bereits seit Jahren bekannt sind und bei Sozialhilfeempfängern angewendet wurden. Einige wissen vielleicht, wie es ist, für "einsfuffzig" die Stunde im Beethovenpark im Winter das Laub zu fegen. Viele unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger haben darauf herabgeschaut: "Na ja, die Sozialhilfeempfänger – außerdem ist es ja besser, als das Nichtstun". Ab 2005 wird auch der arbeitslose Mittelstand begreifen müssen, was Zwangsarbeit bedeutet, liebe Freundinnen und Freunde. Und hoffentlich kommt dann endlich das große Erwachen und der Zorn darüber, was durch wen in diesem Lande in Gang gesetzt ist! Die bisherige Praxis deutscher Sozialämter, Menschen zu dieser Art gemeinnütziger Arbeit durch Zwang zu verpflichten, wurde längst durch einen Expertenausschuss der Internationalen Arbeitsorganisation der Vereinten Nationen (ILO) verurteilt. Und wieder Mal ist es Köln, das in dieser Praxis einen zweifelhaften Ruf erworben hat, weil sie dies schon vor Jahren an Sozialhilfeempfängern "ausprobiert" haben. Tausende wurden in den vergangenen Jahren schon aus der staatlichen Fürsorge gejagt. In diesem Zusammenhang wurde ein gewisser Herr Schwendy als ehemaliger Chef im Sozialamt Köln und Mitglied im Kölner Unterbezirk der SPD bekannt. Die Mächtigen bei uns und ihre Handlanger interessieren sich überhaupt nicht für internationale Verurteilungen! Denn der Zweck heiligt die Mittel: man will mit Gewalt die Arbeitsmarktzahlen schönen. Von den zur Zeit insgesamt 8,6 Mio. Erwerbslosen wurden bereits im vergangenen Jahr durch die neuen verlogenen Statistiken 3,8 Mio. aus der Statistik katapultiert, ohne dass sie eine neue Arbeit hatten. Nicht nur hier wird das Scheitern des neoliberalen Herumwurschtelns unserer selbsternannten Elite und unserer "Berufspolitiker" deutlich. Man will die selbst geschaffenen Probleme allein den Betroffenen aufbürden. Und das dürfen wir uns nicht weiter gefallen lassen! In verschiedenen Medien wird berichtet, es handele sich nur um zusätzliche Tätigkeiten in öffentlichen Einrichtungen. Dass ist eine frei Erfindung der Medien. Überall können normale Beschäftigte nach "Hartz IV" durch 1-Euro-Jobber ersetzt werden. Beispielsweise bittet eine Zusteller-Firma im Internet "1000 Arbeitsplätze im Angestellten-Verhältnis" an. Voraussetzungen: 18-30 Jahre alt, PKW und Kreditwürdigkeit. Kreditwürdigkeit! Das hat nichts mit Dienstleistungsgesellschaft zu tun, das bedeutet die Einführung der Dienstbotengesellschaft des 18. Jahrhunderts für die höheren Herrschaften durch Zwang! Aus Hamburg hört man von extra gegründeten Einrichtungen, wo so genannte Beschäftigungen künstlich erzeugt werden. Ein Maurer muss z.B. eine völlig unsinnige Mauer herstellen, die nach Fertigstellung wieder umgetreten wird und anschließend neu aufgebaut werden muss. Dieser Maurer ist nach 23 Jahren harter Arbeit des erste Mal erwerbslos. Welche Erniedrigung und welche Verachtung verbirgt sich hinter einem solchen System! Aus Köln hört man, dass Jugendliche unter Androhung der Streichung der Unterstützung völlig sinnlos zerbrochene Spiegel kleben müssen. Aus Thüringen hört man, dass sich dort Menschen um die 1-Euro-Jobs prügeln. Die Bundesregierung macht Menschen durch Internetsuche für 100 Euro käuflich, die sich öffentlich positiv zu ihren 1-Euro-Job äußern. Ebenfalls im Internet werden Jobs an diejenigen verhökert, die sich am billigsten verkaufen können. All das zeigt, welche perversen Ausmaße "Hartz IV" mit dem 1-Euro-Job jetzt schon annimmt. Und es geht noch weiter: Die Kirchen und Hilfsorganisationen gieren speichelleckend nach den Hungerjobbern ebenso wie die Krankenhäuser. Wer also an eine Beschränkung der 1-Euro-Jobs glaubt, wird eines Tages eines Besseren belehrt werden müssen: Hier besteht massiv die Gefahr, das ganze Belegschaften ausgetauscht und durch 1-Euro-Jobber ersetzt werden. Heute Morgen höre ich noch im WDR V-Radio, die "Löhne befinden sich im freien Fall." Freundinnen und Freunde, sie fallen nicht sie werden zum fallen gebracht! Und der Kampf hat längst begonnen, obwohl die gesetzliche Grundlage noch gar nicht greift. Diese Zusammenhänge müssen jetzt endlich von den Bürgerinnen und Bürgern verstanden werden. Das Desaster des Scheiterns dieser Politik wird immer deutlicher und der neoliberale Irrsinn immer größer. 8,6 Mio. Erwerbslose gibt es inzwischen. Seit 1998 ist die Zahl der Bürgerinnen und Bürger, die unterhalb der Armutsgrenze existieren müssen, die die Europäischen Gemeinschaft festgelegt hat, auf 16 % angewachsen. Laut "Spiegel" zeigt das der neue Armutsbericht, der demnächst veröffentlicht wird. Und dabei werden die Reichen immer Reicher. Allein im letzten Jahr wurden sie um 200 Mrd. auf 3,9 Billionen Euro durch eine völlig falsche Politik bereichert. Eine schier uner-trägliche Schieflage in der Verteilungsgerechtigkeit in unserem Lande. Freundinnen und Freunde! Der Vorplatz des Kölner Doms ist der geeignete Platz und es ist jetzt die geeignete Stunde, ein Tribunal gegen die verantwortungslosen Verantworter dieser sogenannten Arbeitsmarktreformen von "Hartz IV", ihren Helfershelfer und den ebenso verantwortungslosen Nut-zern in Kirchen, Staat, Hilfsorganisationen und Firmen zu eröffnen, welche diese öffentlich zu Schuldigen und Mittätern anklagt. Wir klagen an Herrn Rogowski als Chef des BDI und seine Handlanger, welche diese "Arbeitmarktreformen" durch Druck auf die Politik durchgesetzt haben Herrn Hundt als Arbeitgeberpräsident und seine Handlager, die ebenfalls diese "Arbeitmarktreformen" durch Druck auf die Politik durchgesetzt haben Herrn Dr. Peter Hartz, Personaldirektor von VW, sowie seine Handlager, die diese faschistoid anmutende sogenannte "Reform" entwickelt und poli-tisch auf den Weg gebracht haben die "Bertelsmann-Stiftung", die "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" der deutschen Wirtschaft und ihre anderen Institute und Verbände, die die sog. Arbeitmarktreformen begleitet, unterstützt und durch Druck politisch auf den Weg gebracht haben alle verantwortlichen Redakteure der Medien, die unverantwortlich oder gar nicht über diese Zwangsarbeit Bericht erstatten und nicht mehr sagen, was gesagt werden muss oder verschweigen, was nicht verschwiegen werden darf Herrn Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) als Verantwortlichen für die Richtlinien der Politik sowie die diese "Reformen" unterstützenden Mitglieder der Fraktion als Helfershelfer Herrn Bundesminister Clement (SPD) als Verantwortlichen für die Durchsetzung der sogenannten Arbeitsmarktreformen und seine Handlanger Herrn Außenminister Joschka Fischer (BündnisGrüne) stellvertretend für die Fraktion als Mitglied der Regierung und seine Handlanger Frau Angela Merkel (CDU) als Parteivorsitzende, stellvertretend
für die Herrn Guido Westerwelle (FDP) als Parteivorsitzenden, stellvertretend für die Fraktion dafür, dass ihnen diese "Reformen" nicht weit genug gingen Wir klagen an alle Verantwortlichen der evangelischen und katholischen Kirche und all ihre Helfershelfer, die scheinheilig und heuchlerisch glauben machen wollen, sie handelten aus christlicher Nächstenliebe, wenn sie Zwangsarbeiten durchführen lassen ebenso klagen wir die Verantwortlichen in Hilfsorganisationen und öffentlichen Einrichtungen und ihre Handlanger an, die schamlos durch Zwangsarbeit ihre Haushalte sanieren wir klagen alle Firmen und Gewerbetreibenden, die aus niederen Beweggründen oder Gewinnsucht moderne Zwangsarbeiter beschäftigen und eines dürfen wir nicht vergessen: wir klagen an Frau Engelen-Kefer und Herrn Peter Gasse vom Deutschen Gewerkschaftsbund, die in der Regierungs-Kommission gesessen haben und "Hartz IV" mit unterstützt haben, weil dies ein ganz besonders unerträglicher Verrat an dem Werktätigen wie an den Erwerbslosen war Bürgerinnen und Bürger, helft alle mit, dass dieses hinterhältige System von "Hartz IV" spurlos wieder verschwindet. Ich bedanke mich und fordere alle noch einmal auf: Steht
auf und wehret den Anfängen – die Geschichte ermahnt uns hierzu!
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