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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Hartz IV und die Flüchtlinge: Weniger als Arbeitslosengeld II? Die Bundesregierung und die große Koalition der etablierten Parteien haben es geschafft, mit der geplanten Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe ein nahezu einmalig breites Bündnis gegen sich aufzubringen. Unter den Lohnabhängigen, auch bei jenen, die noch eine Arbeit haben, geht die Angst vor Verarmung um. Man könnte fast meinen, dass die Regierenden das alte Teile-und-Herrsche vergessen haben. Doch mit nichten: Wir sprachen mit Claudia Langholz vom Flüchtlingsrat Schleswig Holstein darüber, was Hartz IV für Flüchtlinge bedeutet. Claudia arbeitet im Projekt “Perspektive - berufliche Qualifizierung für Flüchtlinge“ im Rahmen des EU-Programms EQUAL. (wop) LinX: Was bedeuten die Hartz-Gesetze und die Einführung des neuen “Arbeitslosengeld II“ (ALG II) für Flüchtlinge? Claudia Langholz (C.L.): Die schon jetzt an den Rand gedrängten
Gruppen werden noch weiter ausgegrenzt. Hartz IV bedeutet für Flüchtlinge
eine extreme Verschlechterung. Von den hier lebenden ausländischen
Staatsangehörigen sind 24,9 Prozent arbeitslos, wobei die Asylbewerberinnen
und -bewerber, die im ersten Jahr nicht arbeiten dürfen gar nicht
mit gerechnet sind. LinX: Man kann also sagen, dass die bisherige Hierarchie erhalten bleibt:Alle werden eine Stufe nach unten gedrückt. C.L.: Richtig. In der Praxis sieht das denn vielleicht so aus, dass ein Flüchtling seit fünf Jahren hier lebt und auf die Anerkennung seines Asyantrages wartet, sich mühselig einen sozialversicherungspflichtigen Job gesucht hat, sich etwas etabliert hat. Wenn er dann diesen verliert und nicht bald eine neue Arbeit findet, dann kann es ihm – je nach dem, in welcher Kommune er lebt – passieren, dass er nicht mal mehr Bargeld bekommt, sondern nur noch Einkaufsgutscheine und Sachleistungen. Er wird also aus seinem ganzen sozialen Gefüge, dass er sich aufgebaut hat, herausgerissen. Genauso kann es übrigens mit den neuen Gesetzen ab nächstem Januar auch abgelehnten Asylbewerberinnen und -bewerbern gehen, die aufgrund nachgewiesener Gefahr für Leib und Leben nicht abgeschoben werden können und daher eine Aufenthaltsbefugnis haben. LinX: Haben die neuen Regeln auch ausländerrechtliche Konsequenzen? Immerhin ist ja die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis, manchmal auch einer Aufenthaltsbefugnis, daran geknüpft, dass der Antragsteller für den eigenen Lebensunterhalt aufkommen muss. C.L.: Ja. Das gilt bisher auch im Falle von Erwerbslosigkeit als gegeben, wenn der Lebensunterhalt noch für sechs Monate durch den Anspruch auf Arbeitslosenhilfe gesichert ist. Da es aber künftig keine Arbeitslosenhilfe mehr gibt, bedeutet der Absturz ins ALG II beziehungsweise der für die genannten Gruppen noch tiefere Sturz auch, dass es noch schwieriger wird, an diesen relativ sicheren Aufenthaltstitel zu kommen. Hinzu kommt das Zusammenspiel mit dem neuen Zuwanderungsgesetz. Dieses weitet den Personenkreis derer aus, die unter das Asylbewerberleistungsgesetz fallen. Über dieses wird aber der Ausschluss vom ALG II definiert, das heißt wer Anspruch auf Leistungen nach diesem Gesetz hat bekommt kein ALG II. LinX: So gesehen müssten also viel mehr Asylbewerber und Bürgerkriegsflüchtlinge bei den Montagsdemos mitlaufen. C.L.: Auf jeden Fall. PRO ASYL hat zum Beispiel auf diese Dinge schon vor Monaten aufmerksam gemacht. Insofern ist es gut, dass jetzt mit den Protesten auch die Möglichkeit besteht, diese besondere Perfidie gegenüber den schwächsten Gruppen mehr in die Öffentlichkeit zu bringen. Interview mit Claudia Langholz vom Flüchtlingsrat Schleswig Holstein in LinX 17/04 |