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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Rainer Roth Agenda 2010 - wie weiter? (Vortrag auf einer Veranstaltung der IG Metall Kiel am 27.05.2004) I) Agenda 2010 im Interesse der Menschen? Agenda 2010 bedeutet:
Das ist nach Auffassung der SPD-Grünen-Bundesregierung gerecht und vereinbar mit einer solidarischen Gesellschaft: "Gerecht ist, Menschen schneller in Arbeit zu bringen. ... Gerecht ist, allen Bürgerinnen und Bürgern die Teilhabe an der Gesellschaft, der Wirtschaft und der Politik möglich zu machen." (agenda 2010, Deutschland bewegt sich, Hg. Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, November 2003, 10) 2,8 Mio. Erwerbstätige in 670 Berufen beziehen nach
Angaben der Bundesregierung Tariflöhne von 6 Euro und darunter. Für
sie sind Löhne von 4 Euro und darunter zumutbar. "Unternehmen interessieren sich nicht dafür, ob man seine Miete zahlen kann," erklärte der Leiter des Münchener ifo-Instituts, Prof. Dr. Hans-Werner Sinn in einer Talk-Show bei Christiansen am 4.4.2004. Er hat recht. Der Mensch steht bei der Agenda 2010 für Regierung
und Unternehmen auf eine bestimte Weise zweifellos im Mittelpunkt. Zentrum der Agenda 2010 und der Hartz-Gesetze: massives staatlich organisiertes Lohndumping. Die Arbeitgeberverbände verlangen seit vielen Jahren die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe und die Senkung der Sozialhilfe. Die Dachorganisation aller Unternehmen, der Deutsche Industrie- und Handelskammertag fordert die Senkung der Sozialhilfe um 25%. Das bedeutet: Nur noch 3,75 € sollen am Tag für Essen und Trinken zur Verfügung stehen. Mit 2,30€, die ein Pils kostet, wäre dann mehr als die Hälfte des Tagesbedarfs vertrunken. Prof. Sinn geht in seinem Buch "Ist Deutschland noch zu retten" unter dem Beifall von Konzernvorständen sogar so weit, die Abschaffung der Regelleistung des Arbeitslosengelds II in Höhe von 345 Euro zu fordern und nur noch einen Mietzuschuss zuzugestehen. Die Allgemeinheit soll für Essen und Trinken von Arbeitslosen aufkommen? Wo kommen wir denn da hin! Hunger ist angesagt, als Motor für Hungerlöhne. Zweck des Sozialabbau ist nämlich nicht der Sozialabbau selbst, sondern die Senkung des Lohnniveaus. Senkungen der Arbeitslosenunterstützung, also Sozialabbau, dienen dem Lohnabbau. Das ist das eindeutige Interesse des Kapitals. Sozialhilfe definiert eine Art Mindestlohn, ein unteres Niveau der Tarife. Unterhalb des staatlich definierten Existenzminimums möchte
kein Lohnabhängiger arbeiten. "Jeder findet Arbeit, wenn man zulässt, dass der Lohn weit genug fällt, denn je weiter er fällt, desto attraktiver wird es für die Arbeitgeber, Arbeitsplätze zu schaffen, um die sich bietenden Gewinnchancen auszunutzen." (Hans Werner Sinn, Ist Deutschland noch zu retten, München 2003, 93) Sozialhilfe und Tarifverträge lassen das leider nicht zu, also müssen Sozialhilfe und Tarifverträge geknackt werden. Beides: Sozialhilfe und Tarifverträge gehören zusammen, denn auch die Sozialhilfe definiert eine Art Mindesttariflohn. "Hier zu Lande ist der Arbeitsmarkt das Problem. Er wird heftig verzerrt durch Flächentarifverträge, vor allem aber durch die Sozialhilfe." (Sinn in FTD 29.01.2004) Sinn verlangt die Senkung aller Bruttolöhne um 10-15%.
Die Arbeitgeberverbände streben seit vielen Jahren die Senkung der
unteren Löhne um ein Drittel an, um das Tariflöhne von allen
von unten her zum Einsturz zu bringen. Alles im Interesse der sich "bietenden
Gewinnchancen". Es gibt keine Grenze nach unten, es sei denn, die LohnarbeiterInnen erkämpfen sie. Auf eine soziale Verantwortung des Kapitals, auf dessen ethische und moralische Werte können sie sich dabei nicht verlassen. Verantwortung kennt das Kapital nur gegenüber sich selbst und seiner profitablen Vermehrung. Löhne und Sozialhilfe nicht drücken zu wollen, wäre von diesem Standpunkt aus unmoralisch und unsozial. Agenda 2010 - nicht in erster Linie Sozialabbau, sondern Lohnabbau Es geht bei Agenda 2010 um Sozialabbau als Mittel zum Zweck
des Lohnabbaus und nicht in erster Linie um einen Angriff zwecks Zerschlagung
des Sozialstaates. Der Angriff richtet sich sowieso nicht in erster Linie
gegen "den Staat". Er richtet sich gegen Menschen, genauer gegen
LohnarbeiterInnen und ihre elementaren Interessen. Senkungen der Sozialhilfe richten sich nicht in erster Linie gegen "Sozialschmarotzer", sondern gegen die Lohnabhängigen Die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe und die Senkung der Sozialhilfe dienen nicht dazu, die Faulheit der Arbeitslosen zu bekämpfen und endlich den Anreiz zur Arbeit zu schaffen, den es ansonsten angeblich nicht gibt. Das wollen uns nur das Kapital, seine Ökonomen und seine Parteivorstände von CDU bis SPD weismachen. Die Senkung der Sozialhilfe dient auch nicht dazu, den Sozialschmarotzern das süße Leben zu vermiesen oder den Missbrauch der Sozialhilfe durch Florida-Rolfs zu unterbinden. Das wollen uns die Medienkonzerne unter Führung von BILD, aber auch die Parteiführer der Großen Koalition einreden. Angriffe auf und Stimmungsmache gegen Sozialhilfe, richten sich hauptsächlich gegen die Sozialhilfe als Mindestlohn und sind letztlich Angriffe auf die LohnarbeiterInnen und ihr Lohnniveau, sowie auf die Tarifverträge. Die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe (im Hartz-Deutsch: Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe) dient auch nicht der besseren Betreuung der Langzeitarbeitslosen durch jetzt nur noch eine Behörde, das Jobcenter. Das ganze Elend der bisherigen Haltung der DGB-Führung gegenüber der Abschaffung der Arbeitslosenhilfe kommt in einer Erklärung von elf DGB-Bezirksvorsitzenden zum Ausdruck: "Das ursprüngliche Ziel der Alg II-Reform, Langzeitarbeitslose besser zu betreuen, habe sich ins Gegenteil verkehrt. Von der Idee des Förderns und Forderns, seien nur "massive Leistungseinschnitte" zu Lasten der Arbeitslosen übrig geblieben." (einblick 10/04 vom 24.05.2004, 1) Jobcenter und Arbeitslosengeld II - bessere Betreuung von Langzeitarbeitslosen? Das ursprüngliche und wichtigste Ziel der Abschaffung der Arbeitslosenhilfe war immer Lohndumping, Senkung von Mindestlöhnen und nicht die bessere Betreuung der Langzeitarbeitslosen. Und auch die Versuche, die Vermittlung zu verbessern, haben in erster Linie das Ziel, die Kosten zu senken und die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zu senken, damit mehr für die Profite übrigbleibt. Wenn die Hartz-Gesetze bessere Betreuung von Langzeitarbeitslosen zum Ziel haben, also eine Chance für sie sind, dann geht man dagegen auch nicht auf die Straße oder? Aus diesem Grund war von energischer Mobilisierung der DGB-Führung gegen den massivsten Angriff auf die Arbeitslosenunterstützungen nicht viel zu spüren. Die grundlegende Übereinstimmung mit den Hartz-Gesetzen und nicht das angebliche Desinteresse der Arbeitslosen und Beschäftigten, etwas gegen die Agenda 2010 zu unternehmen, war der Grund für die miserable Mobilisierung der DGB-Führung gegen Hartz. Illusionen, die Bereitschaft zum "Dialog" und
zur Mitarbeit bei der Umsetzung der Hartz-Reformen haben die notwendige
Mobilisierung dagegen lange Zeit blockiert und verhindert. Bündnis zwischen Arbeitslosen und Beschäftigten ist notwendig Wir brauchen ein Bündnis von Arbeitslosen und Beschäftigten
und nicht die Unterstützung von Reformen, die Arbeitslosen und Beschäftigten
in den Rücken fallen. Dieses Bündnis zu fördern, setzt voraus, die gemeinsamen
Interessen zwischen Arbeitslosen und Beschäftigten herauszuarbeiten
und in den Mittelpunkt zu stellen. Beschäftigte sind an einem möglichst hohen Mindestlohn
Sozialhilfe (bzw. Arbeitslosenunterstützung) interessiert, nicht
an Kürzungen bei Arbeitslosen und Armen. Das Kapital will sie mit
dem trojanischen Pferd der Senkung der Lohnnebenkosten und der Steuern
ködern. Das Kapital lockt mit einer Erhöhung des Nettolohns,
wenn durch Kürzungen bei Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern
Ausgaben verringert und deshalb Beiträge zur Arbeitslosenversicherung
und Steuern gesenkt werden können. Notwendige Grundlage eines Bündnisses zwischen Beschäftigten
und Arbeitslosen muss m.E. die Forderung nach gesetzlichen Mindestlöhnen
sein. Zehn Euro brutto die Stunde (rd. 1.700 € brutto bei einer 38,5
Stundenwoche oder 1.000 - 1.100 € netto) liegen knapp über der
Pfändungsfreigrenze von 940€, die seit einigen Jahren gilt.
Ein solcher Mindestlohn würde ein bescheidenes Niveau der Lebenshaltung
erlauben und dem Lohndumping entgegenwirken. Gesetzliche Mindestlöhne
sind notwendig, weil erstens eine wachsende Zahl von Betrieben nicht tarifgebunden
ist und zweitens viele Tarife Löhne unterhalb des Existenzminimums
festschreiben. Neben gesetzlichen Mindestlöhnen und Grundeinkommen für Erwerbslose und RentnerInnen, dem Ausbau der Sozialversicherung zu Lasten der Privatversicherungen und massiver Arbeitszeitverkürzung steht auch die Rücknahme aller Senkung von Gewinnsteuern auf der Agenda der LohnarbeiterInnen. Seit 2001 bekommen Kapitalgesellschaften jährlich 20-25Mrd. € zugeschoben, weil der Körperschaftssteuersatz massiv gesenkt wurde. Angeblich sollen die Gewinnsteuersenkungen Investitionen fördern und die Arbeitslosigkeit bekämpfen. Die Investitionen der Kapitalgesellschaften fielen jedoch in den Keller und die Arbeitslosigkeit stieg. Das gleiche trifft auf die Senkung des Spitzensteuersatzes der Einkommensteuer zu. Bei der Steuerreform gibt es kein Controlling und keine
Evaluation. Den Arbeitslosen gegenüber heißt es: keine Leistung
ohne Gegenleistung. Das Kapital dagegen erhält staatliche Leistungen
ohne jede Gegenleistung und lässt sich das mit Kürzungen im
Bildungswesen, Gesundheitswesen oder bei der öffentlichen Infrastruktur
usw. bezahlen.
Solange die Arbeitskraft eine Ware ist, die auf einem Arbeitsmarkt
verkauft werden muss, kann der Mensch und die Entwicklung seiner Fähigkeiten
gar nicht im Mittelpunkt stehen. Die Nachfrage nach Ware Arbeitskraft sinkt aber mit den revolutionären technischen Fortschritten und sie wird weiter sinken. Das gesamtwirtschaftliche Arbeitsvolumen fällt, besonders in der Industrie. Die Produktivität in Industrie, aber auch in anderen
Bereichen ist vor allem im letzten Jahrzehnt enorm gestiegen. Mit sinkender
Nachfrage des Kapitals nach Arbeitskraft entwickelt sich die Langzeitarbeitslosigkeit
und nimmt zu. Diejenigen, deren Arbeitskraft im Durchschnitt weniger produktiv
ist, d.h. nur unterdurchschnittlich Gewinn abwirft, werden zu den sogenannten
Problemgruppen des Arbeitsmarkts. Ältere werden immer früher aussortiert, da Leistungsdruck
und Arbeitszeiten in Betrieben zunehmen. Sie werden nicht als Menschen
respektiert, sondern nur als Profitbringer. Die "Problemgruppen" nehmen mit steigender Produktivität zu. Das ist keine Folge der schlechten Arbeit der Arbeitsämter oder schlechter Vermittlung, und auch keine Folge zu hoher Unterstützungen bzw. einer wachsenden Faulheit der Arbeitslosen, sondern eine Folge der Logik des Kapitals. Das Kapital verschärft das Problem "Langzeitarbeitslosigkeit"
noch, weil es auf die gestiegene Produktivität mit Arbeitszeitverlängerung
statt mit Arbeitszeitverkürzung antwortet. Die immer teureren Maschinen
und Anlagen müssen länger in Betrieb gehalten werden. Die Arbeitskraft
muss bei gleichem Lohn besser genutzt werden. Das hängt auch mit
den gesunkenden Profitraten zusammen. (vgl. Rainer Roth, Nebensache Mensch,
Frankfurt 2003, 218-233) Der Warencharakter der Arbeitskraft steht der Entfaltung
der Fähigkeiten von Millionen Menschen im Wege. Ihre Fähigkeiten
verfaulen, erlahmen, werden verschwendet, ins Private abgedrängt.
Das mangelnde Selbstvertrauen, die Trägheit, die daraus entsteht,
das Desinteresse, die Gleichgültigkeit gegen sich selbst wird den
Jugendlichen, den Älteren usw. auch noch als Faulheit ausgelegt und
als eigentliche Ursache ihrer Arbeitslosigkeit hingestellt.
Die Agenda ist nicht in erster Linie einem Kurswechsel hin zum Neoliberalismus zu verdanken oder einem Wechsel der Politik bzw. einer Ideologie oder eines paradigmas (Leitbilds). Sozialabbau und Lohnabbau waren die Antwort des Kapitals auf alle bisherigen Krisen, gemäss seinem Leitbild Profitsicherung. Und zwar unabhängig davon, ob SPD oder CDU die Regierung gestellt haben. Die bisher nicht gekannte Aggressivität des Sozialabbaus folgt ganz einfach daraus, dass sich das Kapital in der der tiefsten Krise der Nachkriegszeit befindet. Und das erfordert härtere Bandagen. a) Seit 2001 bis heute Überproduktionskrise. Die Industrieproduktion war 2003 und auch im ersten Quartal 2004 immer noch niedriger als im Jahr 2000, dem Höhepunkt des letzten Aufschwungs. Die Krise der Industrieproduktion ist die Grundlage der Krise. Sie dauert nun schon drei Jahre und damit länger als jemals zuvor. Ein Ende ist noch nicht abzusehen. Bisher wurde der Aufschwung zwar schon oft angekündigt, er lässt sich aber immer noch nicht blicken. Überproduktion und ihre Vernichtung in Krisen sind
die notwendige Folge der Entwicklung der Produktivität unter der
Regie des Kapitals. (vgl. Roth 2003, 291-310) Die Ursache der Krise liegt auch nicht bei den Löhnen. Das Kapital erklärt, die Krise wäre ausgebrochen, weil die Löhne zu hoch waren. Aber: wären sie niedriger gewesen, wäre die Krise aber nur noch früher ausgebrochen. Die Gewerkschaftsführungen sagen, die Krise sei ausgebrochen, weil die Löhne zu niedrig wären. Aber: wären sie höher gewesen, wäre die Krise allenfalls später ausgebrochen. Auch wenn die Binnennachfragen, also Löhne und Sozialleistungen höher oder niedriger gewesen wären, wäre die Krise ausgebrochen. Es ist eine Krise der Kapitalverwertung überhaupt, nicht eine Krise einer falschen Verteilungspolitik. Das Kapital treibt die Produktion immer wieder über die zahluingsfähige Nachfrage, die Kaufkraft hinaus, egal wie hoch diese ist. Das Kapital wird mit der Produktivität nicht fertig,
die es selbst so energisch fördert. b) Finanzkrise - Überproduktion an Finanzkapital Wir verzeichnen auch die tiefste Finanzkrise der Nachkriegszeit. Die Zinsen sind auf einem historischen Tief, nicht zuletzt wegen der Überproduktion von Kapital. c) Immobilienkrise Dank spekulativ aufgeblähter Investitionen gibt es
eine Überproduktion von Immobilien und sinkende Immobilienpreise,
und das nicht nur in Ostdeutschland. Auch hier entstehen Verluste, die
zu Wertberichtigungen und zu massiven Verlusten führen. Die Verluste
schwächen vor allem die Banken. Besonders gebeutelt wurde die Hypovereinsbank,
aber auch die Berliner Bankgesellschaft usw.. Die mit Milliarden Steuererleichterungen
geförderte Überinvestition im Immobiliensektor endete in einer
langandauernden Krise der Bauindustrie und entsprechender Massenarbeitslosigkeit
von Bauarbeitern. Von Faulheit bzw. zu hohen Löhnen der Bauarbeiter
als Ursache der Krise und ihrer Arbeitslosigkeit zu sprechen, kommt Idiotismus
gleich. Die Bankenkrise außert sich in Überkapazitäten.
Diese werden massiv abgebaut. d) Auf dieser Basis spitzt sich die Krise der Staatsfinanzen zu. Es sind die höchsten Haushaltsdefizite der Nachkriegszeit zu verzeichnen, tatkräftig gefördert durch die massive Senkung der Gewinnsteuern durch die Bundesregierung, mit der diese den krisengebeutelten Konzernen unter die Arme greifen wollte. e) Auf dieser Basis entwickelt sich auch die Krise der Sozialversicherung. Sie ist vor allem eine Krise der Arbeiterrentenversicherung.
Heute werden 40% der Arbeiterrenten vom Staat bezahlt, vor einem Jahrzehnt
waren es erst 25%. Die Angestelltenversicherung steht wesentlich besser
da. Das ist die vorherrschende "Erklärung". "Die Bürger der Bundesrepublik werden immer älter. Für das Rentensystem bedeutet dies, dass Renten immer länger gezahlt werden müssen. Gleichzeitig verringern sich die Einzahlungen in die Rentenkasse, weil immer weniger Kinder geboren werden." (FTD 26.05.2004, 14) Tatsache ist aber: das Kapital macht mit steigender Produkivität immer mehr ArbeiterInnen überflüssig und entlässt sie in Rente und Arbeitslosigkeit. Besonders seit der Krise 1992/1993. Das erhöhte die Zahl der Arbeiterrentner und senkte gleichzeitig die Zahl der Beitragszahler, beides um etwa 2 Millionen Personen. Die Kinder der Arbeiter werden weniger als Ersatz der Arbeitskraft ihrer Eltern gebraucht. Das Kapital hindert sie also immer mehr daran, zu Beitragszahlern zu werden. Die Lebenserwartung männlicher Arbeiter ist ferner im letzten Jahrzehnt leicht gesunken, nur die von weiblichen ArbeiterInnen ist gestiegen. Also sind wieder mal die Frauen an allem schuld: sie leben länger und setzen weniger Kinder in die Welt. Eine absurde Erklärung, die von der Verantwortung des Kapitals ablenken soll und die Krise der Rentenversicherung den LohnarbeiterInnen und ihren Familien in die Schuhe schieben will.
IV) Sozialabbau und Lohnabbau mit Agenda 2010 - Versuch, dem Fall der Profitraten entgegenzuwirken In der Krise sind die Profitraten des Kapitals erheblich gesunken. Ihr Niveau niedriger als in der letzten Krise, aber auch niedriger als in den vergangenen Jahrzehnten. Die Tiefe der Krise seit 2001 erklärt auch die Aggressivität der Angriffe. Sie erklärt die Wahllügen der Regierung usw..( Den Erhalt der Arbeitslosenhilfe vor der Wahl versprechen usw. und dann das Gegenteil tun) Sie erklärt die Hektik des Vorgehens, die überstürzten Planungen und die Vielzahl der Baustellen, die man auf einmal bearbeitet. Die SPD vollzieht keinen Paradigmenwechsel, und keinen Systemwechsel, handelt auch nicht nach einer neuer Ideologie, sondern steigert nur die alten Antworten auf neue Lage. Auch in den Krisen 1980/82 bzw. 1992/93 wurde von einer großen Koalition Sozialabbau zwecks Lohnabbau getrieben, 1993 z.B. unter dem schönen Titel "Solidarpakt". Die Krisen waren nur harmlos im Verhältnis zur heutigen Krise. Die Agenda 2010 ist der Versuch des Kapitals, sich selbst
aus der Krise zu retten. Vertuschung der Ziele der Agenda Das wird mit Formeln vertuscht, die das Profitinteresse
des Kapitals als Allgemeininteresse erscheinen lassen: Die Agenda 2010 geht ihm allerdings nicht weit genug. Lohnsenkungen,
Kürzungen der Arbeitslosenunterstützung und Sozialhilfe bei
den Eltern sind also letztlich dazu da, dass es für die Kinder freundlicher
zugeht. Die ganze Familie freut sich, wenn ihr Lebensstandard sinkt und
die Existenzunsicherheit zunimmt. Und natürlich besonders, wenn dann
die Eltern auch noch länger arbeiten müssen. Das dient vor allem
den Kindern. Den LohnarbeiterInnen muss man umso mehr Beruhigungstabletten verabreichen, je aggressiver die Angriffe werden. Umso wichtiger wird es, sie daran zu hindern, sich für ihre Interessen einzusetzen. Umso mehr Gemeinsamkeit mit dem Kapital wird verlangt. Es geht um die Steigerung der Profitraten auf dem Rücken der LohnarbeiterInnen. Dem höheren Profit wird dann eine heilsame Wirkung für alles zugeschrieben, obwohl die Profitproduktion doch gerade die Ursache der Krise ist. BILD schoss den Vogel ab. Am Montag nach den Demonstrationen des 3.4. schrieb das Blatt:" "So laut wie die 500.000 Demonstranten am Wochenende haben Menschen in Deutschland selten ihrem Ärger Luft gemacht. Ihre Botschaft war deutlich! -> An die Politiker: Erklärt uns die Reformen - dann sind die Menschen auch zu persönlichen Opfern bereit. -> An die Gewerkschaften: Packt mit an, statt einfach immer nur "nein" zu sagen! Nur GEMEINSAM mit den Arbeitgebern werden die Jobs in Deutschland wieder sicher." (BILD 5.4.2004) Eine solche Demonstration hat es außer als Wunsch des Springerkonzerns nicht gegeben. Es gab nur Demonstrationen, auf denen Menschen erklärt haben, sie wären nicht zum Verzicht bereit, auf denen Menschen nein gesagt haben zur Agenda 2010. Auf diese Weise werben die Herrschenden um Vertrauen. Köhler z.B. erklärt, "dass es gerade in Umbruchphasen auf Vertrauen als Sozialkapital ankommt." (FR 24.05.2004) Stimmt. Je mehr die LohnarbeiterInnen dem Kapital vertrauen und je mehr man sie belügt, je mehr sich LohnarbeiterInnen dem Kapital unterwerfen (keine Alternative), desto mehr Kapital kann gebildet werden. Kann das Kapital umdenken? Um die Krise auf Kosten der breiten Masse zu "lösen"
und den Widerstand dagegen zu schwächen, muss das Kapital denen,
die es angreift, den Lohnabhängigen, den Arbeitslosen, den Armen
(SH-BezieherInnen), den RentnerInnen usw. die Schuld an der Krise in die
Schuhe schieben. Da sie die ganze Misere angeblich verursacht haben, müssen
eben auch dafür zahlen. Ein wahres Trommelfeuer geht jeden Tag auf
uns nieder. Gegenpropaganda ist dringend notwendig. Das geschieht zu wenig.
V) Agenda 2010: Lösung der Krise durch Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit? Krisen gibt es nicht deswegen, weil ein Land hinter dem
anderen zurückbleibt, nach dem Motto: Deutschland ist das Schlusslicht
und deshalb gibt es die Krise. Krisen brechen periodisch in allen kapitalistischen
Ländern aus, nur nicht unbedingt iommer zum selben Zeitpunkt. Krisen
brechen aus, unabhängig von Höhe des Niveaus der Löhne
und Sozialleistungen. In USA genauso wie in Zukunft auch in China. China
z.B. hat seine Investitionen gegenüber dem Vorjahr um sagenhafte
50% gesteigert und steuert gerade dadurch auf eine gewaltige Überproduktionskrise
zu. Es hat gewaltige Wachstumsraten und gerade das bereitet eine gewaltige
Krise vor. Wie wird die "Wettbewerbsfähigkeit" durch die Agenda 2010 gestärkt?
Die Agenda 2010 ist eine Kampfansage an die USA, aber vor
allem auch an uns. Denn wir sollen dafür zahlen. Denn die Wettbewerbsfähigkeit
wird gesteigert durch Lohnsenkungen, Abbau der Sozialleistungen, Arbeitszeitverlängerung,
Arbeitszeitverdichtung, weitere Gewinnsteuersenkungen und Erhöhung
von Massensteuern, durch Verschlechterung der öffentlichen Infrastruktur,
sinkende Renten, schlechtere Gesundheitsversorgung usw.. Stolz sagen manche Gewerkschaftsführer: -> Wir sind
doch Exportweltmeister. Wer ist Wir? Auf den Weltmeister stolz sein, ist
hilflos, da die Wettbewerbsfähigkeit auf den Knochen der LohnarbeiterInnen
erarbeitet ist. Den Handelsbilanzüberschüssen bei uns entsprechen
außerdem die Handelsbilanzdefizite anderer Länder, z.B. die
der USA oder Osteuropas. Man verspricht uns, dass es uns besser geht, wenn wir an
der Weltspitze sind und den Platz an der Sonne erobert haben, auf den
der deutsche Imperialismus auch schon unter Wilhelm II strebte. Das ist
haltlos. Auch die anderen streben zur Weltspitze. Die Konkurrenz bleibt.
Die Produktivität steigt, Krisen brechen nachwievor aus. Das Kapital und seine Parteien packen es nicht. Sie haben
keine Lösung für das Problem der Krisen und der Arbeitslosigkeit.
Sie selbst sind das Problem, nicht die Lösung des Problems.
Es ist kein Kurswechsel oder Politikwechsel vom Kapital zu erwarten bzw. von den Parteien, die eben diesen Kurs des Kapital politisch umsetzen. Man kann genauso gut von Krokodilen verlangen, dass sie Vegetarier werden sollen. Eine Einsicht, dass Löhne und Sozialleistungen zwecks Steigerung der Binnennachfrage steigen müssten, dass Gewinnsteuern steigen müssten, um öffentliche Aufgaben zu erfüllen, dass man auf Gewinn verzichten müsste, um Ältere Menschen einzustellen, Schwerbehinderte, Frauen gleichzustellen, obwohl sie Kinder bekommen, alle Jugendlichen auszubilden usw., eine solche Einsicht wird man allenfalls im Einzelfall, aber nie als Gesamtinteresse des Kapitals vorfinden können. Alles, was hierzulande möglich ist, muss und musste von den LohnarbeiterInnen erkämpft werden, war auch nicht eine freiwillige Leistung eines Sozialstaates. Die Kapitalverwertung schafft unlösbare Probleme. Die
Entwicklung der Produktivität, die das Kapital rasant vorantreibt,
untergräbt seine Profitraten. Immer mehr Menschen spüren, dass hier etwas nicht stimmt. Das Misstrauen gegenüber dem ganzen System und seinen
Repräsentanten nimmt zu. Und diese spüren es auch. "Immer
mehr Bürger begegnen der politischen und der unternehmerischen Führungselite
mittlerweile mit offener Verachtung. Es gibt eine zunehmende Vertrauenskrise
im Grundsätzlichen, die eine andere Qualität bekommt als das
bisherige Auf und Ab des Meinungspegels. Diese Vertrauenskrise kann ganz
schnell in eine Akzeptanzkrise des gesamten politischen und marktwirtschaftlichen
Systems umschlagen." So der Fraktionsführer der CDU im Bundestag,
Friedrich Merz. Lernen, Nein zu sagen Die arbeitenden Menschen müssen lernen, Nein zu sagen,
die eigenen Interessen zu formulieren und zu vertreten, ohne Rücksicht
auf das, was das Kapital will und ohne Illusionen in das Kapital. Es ist möglich etwas durchzusetzen bzw. aufzuhalten, z.B. die Agenda 2010 zu bremsen. Die Agenda 2010 ist ins Stocken geraten. Das ist ein Erfolg der massiven Ablehnung der Agenda durch große Teile der Bevölkerung. Aber der Kapitalismus wird dadurch nicht sozial und gerecht, dass er zu den früheren Zuständen zurückkehrt, aus denen die heutigen entstanden sind. Unabhängige Strukturen örtlich und überregional erhalten und ausbauen Am 3.4.2004 haben die größten Demonstrationen
der Nachkriegsgeschichte stattgefunden. Frankfurter Appell unterstützen Grundlage dafür sollte der Frankfurter Appell sein,
der im Januar 2004 auf einer Konferenz von rd. 500 Personen aus dem ganzen
Bundesgebiet entwickelt wurde. Ich bitte euch, den zu unterstützen
und weitere Unterschriften zu sammeln. Der Frankfurter Appell fordert
u.a. gesetzliche Mindestlöhne, ein ausreichendes Mindesteinkommen
für Erwerbslose, keine Privatisierung der Sozialversicherung, massive
Arbeitszeitverkürzung usw.. Gewerkschaften gegen die Angriffe des Kapitals verteidigen Noch einmal zu den Gewerkschaften. Kannegießer, der
Präsident von Gesamtmetall, hat als Reaktion auf den 3.4. die Existenzberechtigung
der Gewerkschaften offen in Frage gestellt. In diesem Sinne kommt es darauf an, Gewerkschaften verteidigen. In diesem Sinne kommt es darauf an, Gewerkschaften stärken, Mitglied werden bzw. als Gewerkschaftsmitglied aktiv zu sein. Die Interessen der Millionen Gewerkschaftsmitglieder müssen besser zum Ausdruck kommen. Auch das setzt eigenständige Organisationsformen innerhalb und außerhalb der Gewerkschaften voraus. Die Demonstration am 1.11. 2003 ist außerhalb gewerkschaftlicher Strukturen beschlossen worden. Aber ohne die Unterstützung durch zahlreiche Gewerkschaftsgliederungen wäre sie so nicht möglich gewesen. Jeder Schritt, bei dem Gewerkschaften Flagge zeigen, ist notwendig, um sich selbst zu erhalten und zu stärken. LohnarbeiterInnen müssen ihre eigenen Interessen vertreten, so wie das Kapital die seinen. In dieser Hinsicht kann man viel vom Kapital lernen. |