letzte Änderung am 18. Okt. 2002

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Offener Brief wg. geplanter Kürzung der Arbeitslosenhilfe für Verheiratete

17. Oktober 2002

An den Bundestagsabgeordneten der SPD im Wahlkreis Herne/Bochum-Nord, Gerd Bollmann

 

Sehr geehrter Kollege Bollmann,

 

die Tagespresse meldet heute, dass SPD und Bündnis90-Die Grünen im Rahmen ihrer Koalitionsgespräche beschlossen haben, die Arbeitslosenhilfe für Verheiratete zu kürzen. Die Arbeitslosenhilfe soll in Zukunft mit dem Einkommen des Ehepartners verrechnet werden. Die Angaben in der Tagespresse bezüglich der Höhe der Kürzung schwanken zwischen 1,5 und 3 Milliarden Euro. Das sind schon enorme Beträge im Bereich der Sozialversicherung. Die Financial Times z.B. spricht "von kräftigen Einbußen" für die verheirateten Empfänger von Arbeitslosenhilfe.

Ich stelle fest, dass die Koalitionsparteien nicht die Kraft haben, die Veräußerungsgewinne von Kapitalgesellschaften künftig zu besteuern, oder wie es im vergangenen Regierungsprogramm stand, die Vermögenssteuer wiederzuerheben, um die staatliche Einnahmeseite drastisch zu verbessern. An dieser Stelle wollen SPD und Bündnis90-Die Grünen auf mindestens 20 Milliarden Euro Mehreinnahmen verzichten.

SPD und Bündnis90-Die Grünen haben jetzt die Langzeitarbeitslosen ausgeguckt, die das Sparschwein spielen sollen. Besonders viele Arbeitslose leben in unserer Stadt von der Arbeitslosenhilfe. In einigen Stadtbezirken beträgt der Anteil der Bezieher von Arbeitslosenhilfe über 40% aller arbeitslos gemeldeten Menschen. Hier besteht die konkrete Möglichkeit, dass die Menschen in die Sozialhilfe abrutschen und damit den Stadtsäckel von Herne noch weiter strapazieren.

In diesem Zusammenhang erlaube ich mir das im Juni beschlossene Regierungsprogramm ihrer Partei zu zitieren: '"Wir bekennen uns zur besonderen Verantwortung gegenüber den Schwächeren in unserer Gesellschaft. Deswegen wollen wir im Rahmen der Reform der Arbeitslosen- und Sozialhilfe keine Absenkung der zukünftigen Leistungen auf Sozialhilfeniveau. Die finanziellen Auswirkungen für die Kostenträger werden in der Gemeindefinanzreform zu berücksichtigen sein."

"Wir bekennen uns zur besonderen Verantwortung gegenüber den Schwächeren in unserer Gesellschaft", welch`schöne Worte, die aber ohne Folgen für die konkrete Politik bleiben. Wenn das Verantwortungsgefühl ihrer Partei dazu führt, dass den Langzeitarbeitslosen die Existenzmittel genommen werden, können die Betroffenen jederzeit auf die wärmenden Worte der SPD verzichten. Angesichts der zitierten Passage aus dem SPD-Regierungsprogramm kann man durchaus von einem "kleinen Wahlbetrug" sprechen, auch wenn vielleicht die Arbeitslosenhilfe nicht ganz auf das Sozialhilfeniveau abgesenkt wird.

Sehr geehrter Kollege Bollmann, diese Maßnahme wird die Politik- und Politikerverdrossenheit im Lande fördern. Sie verschlechtert die soziale Situation der Arbeitslosen und führt zu weiterer sozialer Ausgrenzung dieser Menschen.

Ich hoffe, Sie finden weiterhin die Kraft, um für die Wiedererhebung der Vermögenssteuer zu streiten, damit eine sozialdemokratische Partei nicht bei den Langzeitarbeitslosen abkassieren muss.

Mit kollegialen Grüßen
Norbert Kozicki
(stellv. DGB-Vorsitzender Herne)

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