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Ulrich Achenbach
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E-mail: achenbach_ulrich@yahoo.de

Herrn Ministerpräsident
Dr. Edmund Stoiber
Nymphenburger Str. 64
80335 München

10. Februar 2002

Arbeitsmarktpolitik

Sehr geehrter Herr Dr. Stoiber,

durch Ihre Rede vom 8.2.02 machen Sie deutlich, wie Sie im Falle eines Wahlsiegs der CSU-Fraktion den Arbeitsmarkt reformieren wollen. Einige Ihrer Vorschläge sind sehr positiv ( z.B. die Anhebung der Verdienstgrenze für geringfügig Beschäftigte).

Die von Ihnen favarisierte Ausweitung der Kombilöhne halte ich für sehr ungeeignet, um mehr Arbeitsplätze zu schaffen. Durch das "Mainzer Modell" wurde nur unwesentlich mehr Beschäftigung geschaffen. Vielmehr nutzen zahlreiche Unternehmen die Förderung des Niedriglohn-Sektors dazu aus, mittelfristig tariflich gebundene bzw. höher dotierte Arbeitsplätze abzubauen (durch betriebsbedingte Kündigungen), um sie später durch Niedriglohn-Stellen zu ersetzen. Es kommt zu einer Verdrängung von gut bezahlten Tätigkeiten zugunsten von Niedriglohntarifen. Der Arbeitsmarkt wird dadurch nicht entlastet.

Ausserdem führt die Ausweitung des Kombilohns zu einem weiterem Kaufkraftverlust der Arbeitnehmer, so dass die Binnennachfrage noch weiter zurückgehen wird - mit der Folge von Betriebsschliessungen und noch mehr Arbeitslosen!

Sinnvoller wäre das grundsätzliche Verbot von Überstunden (Milliarden von jetzt geleisteten Überstunden sprechen für sich!) und eine Ausbildungsabgabe für Unternehmen ab einer bestimmten Grössenordnung, die sich beharrlich weigern, Auszubildende einzustellen. Viele Unternehmen jammern ja, sie könnten entsprechend qualifizierte Arbeitskräfte nicht finden.Es kann nicht sein, qualifizierte Arbeitskräfte per Greencard nach Deutschland zu holen, nur weil deutsche Betriebe nicht ausbilden wollen!

Sie wollen -wie die Medien immer wieder berichten-, Sanktionen für Arbeitsunwillige. Diese Möglichkeiten gibt des nach den bestehenden Vorschriften schon, z.B. Sperrzeitregelungen nach dem SGB III. Für mich bedeutet dies eine Beleidigung aller Arbeitssuchenden, da man aus Ihrem Vorschlag ableiten kann, dass die Mehrheit der Erwerbslosen arbeitsunwillig sind.

Der unsozialste Punkt Ihrer Forderungen: Die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe! Das Niveau der Sozialhilfe, insbesondere die Regelsätze, sichert nicht einmal mehr das Existenzminimum. Ein Alleinstehender erhält z.Zt. max. 289,-- EURO/Monat, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Das sind rd. 9,63 EURO täglich und reicht für eine warme Mahlzeit. Die notwendigen Kosten für Strom, Fahrkarte, Pflegeartikel wie Waschpulver usw. sind auch mit dem Regelsatz abgegolten. Das zwingt den Hilfeempfänger, sich äussert einseitig und ungesund zu ernähren bzw. zu hungern, um sich andere notwendige Bedürfnisse leisten zu können.

Wenn die beiden Transferleistungen verschmolzen werden sollen, dann aber auf einem deutlich höheren Niveau! Der Regelsatz für die neue Transerleistung müsste dann z.B. für einen Alleinstehenden mindestens 450,-- EURO betragen, um menschenwürdig leben zu können! Wie steht es mit der Anrechnung von verwertbarem Vermögen? Bisher wird alles Vermögen bis auf wenige Ausnahmen nach dem BSHG angerechnet, soweit es einen Freibetrag von 1278,-- EURO übersteigt (Alleinstehender) Nach der jetzt geltenden Arbeitslosenhilfe-Verordnung gelten deutlich höhere Freibeträge. Wie sieht es mit der privaten Altersvorsorge aus? Bisher wird auch dies Vermögen nach dem BSHG angerechnet!

Mich wundert, wie allein stehende Sozialhilfebezieher heute leben können. Berichte von hungernden Kindern der Sozialhilfeempfänger gibt es z.B. aus meiner Heimatstadt Bochum. Über den Lokalsender "Radio 98,5" wurde bereits mehrfach für Spenden für diese Kinder aufgerufen. So etwas ist ein Skandal in Deutschland als einem der reichsten Länder der Welt!!!

Würden Ihre Pläne mit der Verschmelzung der Arbeitslosen- und Sozialhilfe in unveränderter Form realisiert, öffnet man dem Elend in Deutschland Tür und Tor. Die weiteren Folgen wären Zunahme der Kriminalität verbunden mit weiteren Kosten für alle Steuerzahler für die Sicherheit!

Ich erwarte Ihre Stellungnahme.
Ulrich Achenbach

P.S. Ich bin Arbeit suchend und kann trotz mehrfacher Weiterbildung und räumlicher Flexiblität keine Stelle finden -selbst nicht durch Zeitarbeitsunternehmen!


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