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Updated: 18.12.2012 15:51
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Montagsdemos vernetzen?

Stellungnahme zur Einladung zu einem bundesweiten Vernetzungstreffen der
Montagsdemonstrationen gegen Hartz IV für den 28.8.04 durch Gerd Pfisterer aus Dortmund vom NRW-Netzwerk gegen Sozialkahlschlag vom 24.8.04 sowie Attac-Brief zu Vernetzungstreffen der Montagsdemonstrationen vom 25.8.04


Stellungnahme zur Einladung zu einem bundesweiten Vernetzungstreffen der
Montagsdemonstrationen gegen Hartz IV für den 28.8.04 durch Gerd Pfisterer
aus Dortmund:

Seit dem 2. August gibt es als Protestform gegen die „Arbeitsmarktreform“ Hartz IV selbst organisierte Montagsdemonstrationen, die sich zum Ziel gesetzt haben, die Rücknahme des Gesetzes zur erreichen. Innerhalb weniger Wochen ist diese Protestbewegung stark angewachsen, zwischenzeitlich sind Demonstrationen in ca. 150 Städten in Deutschland angemeldet. In den neuen Bundesländern kann man bereits von einer Massenbewegung gegen Hartz IV sprechen, in den alten Bundesländern gibt es Ansätze dem Beispiel der Menschen im Osten zu folgen, aber hier demonstrierten an den einzelnen Orten zuletzt erst zwischen 20 und 2000 Personen.

Das NRW-Netzwerk gegen Sozialkahlschlag hat bereits auf seinen Treffen und in Rundschreiben, diese Bewegung gegen Hartz IV ausdrücklich begrüßt und ihre Bedeutung für den Kampf der Menschen gegen den Sozialabbau und für menschenwürdige Lebensbedingungen gewürdigt. Wir rufen mit zu den Montagsdemonstrationen gegen Hartz IV auf und unterstützen alle Anstrengungen die geeignet erscheinen, die Bewegung zu stärken und die ihr helfen können ihr Ziel zu erreichen.

Auch möchten wir deutlich machen, dass in dieser selbst organisierten Massenbewegung außer Faschisten alle Kräfte gegen den Sozialabbau gleichberechtigt und demokratisch zusammenarbeiten sollen. Ausgrenzungen und Aufbau von Feindbildern dienen nicht der gemeinsamen Sache, sondern schwächen die Bewegung. So wie im NRW-Netzwerk gegen Sozialkahlschlag Betroffene und Mitglieder praktisch aller Gruppen, die gegen Agenda 2010 und
die Hartz-Gesetze stehen, gemeinsam kämpfen, sollte es auch bei den Montagsdemonstrationen sein.

Wir stimmen auch der grundsätzlichen Aussage zu, dass die Bewegung der Montagsdemonstrationen, eine neue Qualität gewinnen könnte, wenn diese sich bundesweit vernetzen würde. Allerdings setzen wir voraus, dass die Vernetzung von der jungen Bewegung selbst als Bedürfnis und politisches Erfordernis erkannt wird.

Keinesfalls ist es dazu ausreichend, wenn in anderem Arbeitszusammenhang bereits vernetzte und politisch erfahrene Personen, die in der Bewegung mitarbeiten, das Bedürfnis erkennen und dann versuchen dies der Bewegung zu vermitteln. Dies bedeutet, dass wir einen erkennbaren Diskussionsprozess in der Breite der Bewegung erwarten, bevor eine Einladung zu einem ersten
Treffen ausgesprochen wird. Dieser Diskussionsprozess hat in der jungen Bewegung noch nicht stattgefunden; er kann auch kaum irgendwo begonnen haben, denn die Bewegung ist erst im Entstehen, fast mehr Menschen als bislang insgesamt demonstrierten, kommen jede Woche neu hinzu. Die Bewegung muss sich vor Ort erst formieren, die Beteiligten müssen sich kennen lernen
und gemeinsam örtliche Aktionsformen und Formen der geregelten Zusammenarbeit entwickeln. Diesen für das Erstarken der Bewegung sehr wichtigen Prozess sehen wir noch ganz am Anfang. Von daher ist jeder Versuch, die Bewegung schon jetzt bundesweit zu vernetzen und zentral zu
koordinieren verfrüht.

Ein verfrühter Versuch die Bewegung zu zentralisieren, bevor sie sich wirklich als gesellschaftlicher Akteur erkannt und aus sich selbst heraus organisiert hat, greift in die Dynamik des Aufbaus der Bewegung ein und schafft Strukturen, noch bevor die Bewegung überhaupt ihr Potential entfalten kann. Wir sehen hier die Gefahr, dass die Kreativität und Dynamik der Bewegung der Montagsdemonstrationen durch eine frühzeitige Zentralisierung eher gebremst, als befördert werden wird und schlussendlich die Gefahr von Fremdbestimmung und Instrumentalisierung der Bewegung birgt. Allen Mitstreitern, die dies gern schon jetzt auf den Weg bringen möchten, raten wir, der Bewegung selbst Raum und Zeit zu geben, damit sie sich im Kampf höher entwickeln und innovative Aktionsformen erarbeiten kann. Impulse hierzu sind vorhanden, sowohl von Basisinitiativen als auch im sog. Grottian-Papier.

Die Verfrühtheit einer Bundesweiten Versammlung, die eine zentrale Koordination wählen soll, zeigt sich auch daran, dass nur 11 von ca. 150 Orten an denen Montagsdemos stattfinden dazu einladen. Die Idee dazu wurde nur in einer geringen Anzahl von Orten bereits diskutiert, ein breiter
Meinungsbildungsprozess hat noch nicht stattgefunden. Für diesen Meinungsbildungsprozess in ganz Deutschland werden sicher 2 bis 3 Monate benötigt, ebenso wie für den Prozess einer demokratischen Ansprüchen gerecht werdenden Auswahl von VertreterInnen der Bewegung, sofern es nicht zufällig sein soll, wer dort teilnimmt.

Darüber hinaus finden wir dass, das von Gerd Pfisterer vorgeschlagene Vertretungsprinzip, nachdem je eine Gruppe eine Stimme auf der Bundesweiten Versammlung haben soll, zu verzerrten Ergebnissen führt. Nach seinem Vorschlag sind 30.000 Demonstranten in Berlin genauso zu gewichten wie 20 Demonstranten in Leverkusen und die Summe der Orte in den alten Ländern, die insgesamt nicht einmal so viele Demonstranten auf die Straße bringen, wie in den neuen Ländern allein die Stadt Magdeburg, würde stets die Entwicklung bestimmen können. Mit seinem Vorschlag wird vollständig verwischt, dass in wenigen Städten in den neuen Ländern, die Mehrzahl der Demonstranten kämpft und dass diese Mehrheit auch ein Recht darauf erwirbt, den Kurs der Bewegung wesentlich mitzubestimmen.

Unser Anspruch an eine solche Versammlung muss außerdem sein, dass die Breite der Bewegung in jeder Beziehung gegeben ist. Dies bedeutet, dass vorab sicher gestellt sein muss, dass die unterschiedlichen politischen Kräfte entsprechend ihren Anteilen an der Bewegung beteiligt sind. Eine Einladung zu einer solchen Versammlung sollte dies bereits durch Unterzeichner und Beteiligte wiederspiegeln. Die vorliegende Einladung genügt diesem Anspruch nicht. Gerd Pfisterer als Mitglied der MLPD ergreift die Initiative, nachdem wenige Tage zuvor das Zentralkomitee der MLPD die Notwendigkeit dazu politisch begründet und öffentlich gemacht hat. Weitere politische Kräfte sind hinter dieser Initiative nicht erkennbar. Auf einer so schmalen Basis kann auch eine durchaus konstruktive Idee nicht so umgesetzt werden, dass nicht ein einseitiger Führungsanspruch und die Gefahr einer Spaltung der Bewegung daraus folgt.

Wir fordern daher Gerd Pfisterer und die übrigen Unterstützer der Konferenz auf, diese Bundesweite Versammlung am 28.8.04 um drei Monate zu verschieben und in der Zwischenzeit der Bewegung den Raum und die Zeit zu geben, sich selbst zu organisieren, aber auch die notwendigen Gespräche mit den übrigen in der Bewegung arbeitenden Kräften zu führen, so dass eine ausgewogene Zusammensetzung einer dann stattfindenden Versammlung gewährleistet ist.
Gespräche um dies zu erreichen, könnten z.B. auf der Bundesweiten Aktionskonferenz der Bewegung gegen den Sozialkahlschlag am 18./19. September in Frankfurt/Main geführt werden. Bei dieser zu leistenden Arbeit sagen wir gern unsere Unterstützung zu.

Koordinierungskreis NRW-Netzwerk gegen Sozialabbau
i.A. Ulrich Achenbach, Edith Bartelmus-Scholich, Helmut Born


Attac-Brief zu  Vernetzungstreffen der Montagsdemonstrationen

25.08.2004

Info zu überregionaler Vernetzung der Montagsdemonstrationen

Liebe Freundinnen und Freunde,

nach mehreren erfolgreichen Montagsdemonstrationen stellt sich inzwischen die Frage, ob die lokalen Aktionen nicht stärker überregional oder bundesweit miteinander vernetzt werden sollten. Außerdem taucht immer wieder der Vorschlag auf, eine bundesweite Demonstration durchzuführen.
Das sind naheliegende Überlegungen, denn auf Dauer ist es nicht durchzuhalten, Montag für Montag nur lokale Demos durchzuführen. Überregionale Vernetzung, Absprachen, Koordina-tion und Aktionen sind notwendig, um der Bewegung eine weiterreichende Perspektive zu geben. Allerdings hat eine Vernetzung dabei die Dynamik und den Charakter der Bewegung zu berücksichtigen, zum Beispiel die Ungleichheit der Mobilisierung zwischen alten und neu-en Bundesländern oder die Heterogenität der Akteure, die an den Demos beteiligt sind, usw.
Daher wäre die Etablierung von festgefügten, zentralen Strukturen zum gegenwärtigen Zeit-punkt wohl eher kontraproduktiv. Vielmehr sollte nach Wegen gesucht werden, in einem of-fenen, transparenten und partizipativen Prozess zu einer schrittweisen Bündelung der Kräfte und zur kontinuierlichen Verbreiterung der Proteste zu kommen.

Unterschiedliche Vernetzungsansätze

Wir sind natürlich nicht die einzigen, die diese Fragen diskutieren. So haben sich in Berlin und in Leipzig bereits unabhängig voneinander zwei unterschiedliche Initiativen gebildet, die zu Vernetzungstreffen einladen.
Allerdings besteht keine Veranlassung, von einer „Spaltung der Bewegung“ zu sprechen, wie dies z.B. Die Welt (23. 8.) aus durchsichtigem Interesse tat. Bisher gibt es keine einheitliche, sondern eine höchst vielfältige Bewegung, und daher gibt es auch nichts zu spalten. Die bei-den Vernetzungsinitiativen sind Ausdruck dieser Heterogenität und der Schwierigkeiten der Selbstorganisation, wie sie am Anfang eines solchen Prozesses unvermeidlich sind.

Die Berliner Initiative
Die Berliner Initiative wird getragen von einem breiten Bündnis, zu dem u.a. das Haus der Demokratie und Menschenrechte, der Runde Tisch der Erwerbslosen und Sozialhilfeemp-fänger und IG Metall und Ver.di Berlin, das Berliner Sozialforum sowie Attac Berlin gehören. Das Bündnis hat bereits die beiden großen Berliner Montagsdemonstrationen organisiert.
Hauptziel des Treffens sind Informations- und Erfahrungsaustausch, Kommunikation zwi-schen den lokalen Initiativen sowie die Diskussion einer bundesweiten Demo.

Die Initiative in Leipzig
Die Initiative in Leipzig geht von Einzelpersonen der Bürgerrechtsbewegung, insbesondere Winfried Helbig und dem Sozialforum Leipzig aus. Darüber hinaus rufen mit eigenständigen Einladungen auch noch andere Gruppen zu dem Leipziger Treffen auf. Ursprünglich hatte die MLPD (Marxistisch Leninistische Partei Deutschlands) eine Einladung lanciert, in der der Eindruck erweckt wurde, dass neben Helbig auch einer ihrer Aktivisten zu den Initiatoren gehöre. Die MLPD ist eine stalinistische Splitterpartei, die gegenwärtig große Anstrengungen unternimmt, die Proteste für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Dabei tarnen sich ihre Akti-visten gern unter dem Mantel lokaler Anti-Hartz-Bündnisse oder von harmlos klingenden Vor-feldorganisationen. Sympathien versuchen sie gegenüber den weniger politisierten Teilen der Protestbewegung zu gewinnen, z.B. mit der Mobilisierung antigewerkschaftlicher Res-sentiments im Tenor von „die Bonzen da oben“.
Zwar nehmen die Gewerkschaftsspitzen in der gegenwärtigen Situation tatsächlich zu viel Rücksichten auf die SPD und deren Angst vor den anstehenden Wahlen, allerdings verän-dert man das nicht durch konfrontative Rhetorik, sondern dadurch, dass man immer mehr Gewerkschaftsgliederung zum mitmachen gewinnt. Die Politik von selbsternannten Avant-garden (Zitat des Parteivorsitzenden: „Es gibt tatsächlich keinen Zweifel, dass die MLPD zu den Hauptakteuren und Organisatoren der Montagsaktionen bundesweit gehört“) läuft dage-gen darauf hinaus, die Verbreiterung der politischen Basis der Bewegung zu blockieren.
Winfried Helbig und das Sozialforum Leipzig haben sich inzwischen von der MLPD distan-ziert. Dennoch ist abzusehen, dass die MLPD massiv nach Leipzig mobilisieren wird und dort versucht, der Versammlung ihren Stempel aufzudrücken. Sie werden durch massive Präsenz den Eindruck erwecken wollen, eine demokratische Mehrheit zu repräsentieren. Insbesonde-re ist ihr Ziel die Etablierung einer „bundesweiten Koordinierungsgruppe“, in der die Partei maßgeblichem Einfluss anstrebt, sowie die Durchsetzung eines „Marschs auf Berlin“ am 3. Oktober.
Unter den gegebenen Umständen kann eine solche Koordination nicht den Anspruch auf demokratische Repräsentativität und Legitimität erheben. Ebenso wenig ist ein „Marsch auf Berlin“ am 3. Oktober für uns akzeptabel. Zum einen wird mit der Formulierung „Marsch auf Berlin“ eine unerträgliche Assoziation mit Mussolinis „Marsch auf Rom“ geweckt, zum ande-ren ist auch die Verkopplung mit dem deutschen Nationalfeiertag ein historisch-politischer Missgriff.

Bundesweite Aktion?

Im Gespräch ist auch eine bundesweite Demo am 2. Oktober in Berlin. Wir haben darüber noch keine abschließende Meinung. Natürlich spricht alles dafür, einen solchen Bewegungs-höhepunkt anzustreben, andererseits ist die Dynamik der Bewegung gegenwärtig schwer vorhersehbar. Bei den beiden letzten Montagsdemos waren jeweils ca. 150.000 Menschen auf den Beinen. Bei einer bundesweiten Demo müsste demgegenüber auch in den Zahlen eine neue Qualität sichtbar werden. Es wird sich auch zeigen, ob mit dem Ende der Som-merferien im Westen so viele Leute auf die Straße gehen, dass wirklich von bundesweiter Mobilisierung gesprochen werden kann. Daher kann eine endgültige Entscheidung nicht ü-bers Knie gebrochen werden.

Orientierung auf politische Breite und Kooperation
Dass es gegenwärtig zwei parallele Vernetzungsinitiativen gibt, ist noch ein unbefriedigender Zustand. Attac wird sich daher weiterhin bemühen, dass die Protestbewegung über die loka-le Eben hinaus überregionale Handlungsfähigkeit gewinnt. Wenn die Situation dafür reif ist, werden wir auch zu bundesweiten Initiativen aufrufen. So lange sollten entsprechend dem dezentralen Charakter von Attac die lokalen Gruppen selbst entscheiden, ob und an welchen Initiativen sie sich beteiligen.

Das Berliner Treffen findet statt: am 28. August 12.00 Uhr in der Humboldt-Uni (Raum 2002)
Das Leipziger Treffen findet statt: am 28. August 12:00 – 17:00 Uhr im Kulturzentrum „Der Anker“.

Mit solidarischen Grüßen
Attac-AG „Genug für Alle“


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