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Updated: 18.12.2012 15:51
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Redebeitrag von ALSO (Arbeitslosenselbsthilfe Oldenburg) auf der Abschlusskundgebung zur 1. Mai-Demonstration des DGB 2004

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe MitstreiterInnen und Mitstreiter!

Im vergangenen Jahr protestierten wir Erwerbslose zum 1. Mai vor dem Oldenburger Arbeitsamt, drei Tage und Nächte lang. Vor einem Jahr war Anlaß besonders die Ankündigungen zur Abschaffung der Arbeitslosenhilfe, die drohende Verarmung und Entrechtung weiterer Millionen Erwerbsloser und Erwerbstätiger. Doch selbst viele von denen, die sich damals beteiligten, mochten nicht alles wahrhaben, was die Aktivisten aus der ALSO dort zu den Absichten der Rot-Grünen Regierung beim sogenannten Arbeitslosengeld II berichteten. Wir selbst konnten damals letzte Zweifel nicht ausräumen, denn am 1. Mai letzten Jahres lag noch nicht als Gesetz vor, was die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe bedeuten wird.

Heutige sind die radikalen Einschnitte in die sozialen Sicherungssysteme bei Arbeitslosigkeit, Krankheit, Alter beschlossen.
Und es liegen Arbeitsmarktdaten vor, die zeigen, in welch katastrophaler Situation sich die Lohn- und Gehaltsabhängigen inzwischen befinden - und wie nötige umfassende Sicherungen wären:

  • Allein im Jahr 2003 wurden 540.000 sozialversicherte Jobs vernichtet.
  • Zum Jahresende 2003 kamen auf 260.000 freie Stellen 5,4 Millionen offiziell geführte Arbeitssuchende.

Oder in greifbareren Zahlen: 21 Arbeitssuchende streiten sich um eine freie Stelle!

Liebe KollegInnen und Kollegen!
In dieser für Erwerbslose ausweglosen Situation behauptet die sozialdemokratisch-grüne Regierung weiter, durch neue Gesetze und neue Pflichten müßten Arbeitslose "aktiviert" werden. Das ist eine bodenlose Frechheit und entbehrt jeder wahren Vernunft und Moral!

Doch warum blieb diese Politik in der breiten Öffentlichkeit lange unwidersprochen. Das war nur unter einer rot-grünen Regierung möglich!
Wir freuen uns, dass sich dies seit den Großdemonstrationen am 3. April ändert. Zumindest die lange Zeit viel zu zurückhaltenden Gewerkschaftsspitzen finden zu klareren Worten zurück. So forderte Kollege Peters von der IG Metall am 3.4. in Köln:

Schluss mit einer Politik, die Arbeitslose abstraft und den Sozialstaat demontiert.”
Wir können ihm nur zustimmen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Erlaubt mir einige Sätze zu den Millionen Arbeitslosen im letzten Jahr und zu dem, was die Politik mit Ihnen gemacht hat.
Gut 2 Millionen bezogen Arbeitslosengeld, etwas mehr als in den Jahren davor.
Weitere 2 Millionen Arbeitslose lebten von Arbeitslosenhilfe, gut 300.000 mehr als im Jahr 2002 und 550.000 mehr als im Jahr 2001. Mehr als 70 % von ihnen bekamen weniger als 600 EUR im Monat.

Doch ist dies nur ein Teil des Arbeitsmarktdesasters des letzten Jahres.
In Folge der ersten Hartz-Reformen wurden 2003 100.000e Erwerbslose aus den Leistungen gedrängt, weitere zumindest aus der Statistik.
Ohne diese 'Reformen' wären es in diesem Februar statt 4,6 Millionen offiziell 5,2 Millionen Arbeitslose gewesen.

Rot-grüne Regierungspolitik ist, das wahre Ausmaß der Arbeitsmarkt-Katastrophe unsichtbar zu machen und 100.000e von der Unterstützung abzuschneiden!
Das ist genauso die Arbeitslosenpolitik der Regierung Schröder / Fischer wie der Oldenburger Bundestagsabgeordneten Gesine Multhaupt und Thea Dückert. Hätten das alle der hier versammelten gedacht, als sie zuletzt den Bundestag gewählt haben? Ich hoffe, nicht.

Doch trägt die rot-grüne Politik auf dem Arbeitsmarkt durchaus Früchte, wenn auch bittere:
Die Arbeitnehmerüberlassung wurde aus der Schmuddelecke geholt - mit neuen, bundesweit gültigen Tariflöhnen zwischen 6 und bestenfalls 12 Euro. Diese Arbeit zu verweigern ist den meisten Erwerbslosen nur unter Strafe möglich. Das bringt zwar kein Job-Wunder, doch werden Branchentarifverträge so unter Druck gesetzt, dass etliche Kollegen bereits heute für die gleiche Arbeit weniger Lohn bekommen oder für den gleichen Lohn länger Arbeiten.

Liebe KollegInnen und Kollegen!
Noch vor kurzem hieß es, Arbeit soll sich lohnen. Sozialdemokratische Politik verabschiedete sich von diesem Leitsatz. Es ist höchste Zeit, dass die organisierte Arbeitnehmerschaft zusammen mit Sozialverbänden, Arbeitslosen und weiteren Gruppen diese Talfahrt in die Armutsarbeit stoppt!

Auf Not und Perspektivlosigkeit treffen wir alltäglich in der ALSO-Sozialberatung. Hier sehen wir, wie verdorben die gesellschaftliche Stimmung bereits ist: Nürnberg reicht seine Sparauflagen aus Berlin, die Kommunen ihre Verluste durch die Steuerreform 2000 gnadenlos an die unterste Stufe der gesellschaftlichen Hierarchie weiter. - Und Erwerbslose müssen nach immer häufigeren und willkürlicheren Absagen des Amtes sehen, wo sie bleiben; auf dem Amt heißt es nur: Bezahlt wird nicht! Und das durchgängig bei Leistungen, die Erwerbslosen eigentlich zustehen. Aber das spielt keine Rolle. Doch wir wissen, dass Lohndrückerei hier keine Lösung ist und pochen darauf, unsere berechtigten Ansprüche auf soziale Sicherung einzuklagen und durchzusetzen.

Nun steht mit dem Arbeitslosengeld II eine Sozialhilfe zweiter Klasse vor der Tür. Und diese wird die einzige Leistung sein, die es für den weit überwiegenden Teil aller Erwerbslosen noch geben wird! Hier kann einem wahrlich Angst und Bange werden, auch und gerade um Löhne, Arbeitszeiten und das Lebensniveau aller Lohnabhängigen.
Selbst wir in der ALSO sind uns noch nicht einig, was beim Arbeitslosengeld II die größte Zumutung ist:

  • Ist es, dass ein künftiger Arbeitslosengeld II-Bezieher von 345 Euro im Monat - KollegInnen und Kollegen: 345 Euro im Monat! - Lebensmittel und Kleidung, Strom und Warmwasser, Haushaltsgegenstände und Einrichtung, Renovierung, Kultur, Medikamente und Sport, Telefon und auch die Kosten in der Schule bezahlen soll?
    Ich frage Frau Multhaupt, was sie monatlich im Minimum benötigen würde, um dies alles zu bezahlen?
  • Oder ist es, dass einem Arbeitslosengeld II-Bezieher für die Miete lächerliche 220 Euro zugebilligt werden sollen?
    Ich frage Frau Dückert, was Sie von der Aussicht auf eine 220-Euro-Bude halten würde, wenn sie auf einem unsicheren Arbeitsplatz sitzen würde?
  • Oder ist die größte Sauerei, dass 50jährige Arbeitnehmer nach 30 und mehr Beitragsjahren nach einem Jahr Arbeitslosigkeit in diese Sozialhilfe abgeschoben werden und sich heute durchgängig fragen: Wofür habe ich ein Leben lang eigentlich Beiträge gezahlt?
    Eine SPD, die diese Politik als alternativlos hinstellt, ist für Gewerkschaften kein Partner!

Eine Unverschämtheit ist auch, dass die Politik beim Arbeitslosengeld II endlos um Zuständigkeiten streitet - und dabei hinnimmt, dass wir im Januar 2005 ganz ohne Geld für Miete und Lebensunterhalt dastehen!
Ich fordere an dieser Stelle die Leitung des Oldenburger Arbeitsamtes, des Sozialamtes, den Oberbürgermeister der Stadt, auf, zu erklären, dass sie ab Januar 2005 persönlich dafür gerade stehen werden, dass Erwerbslose im Januar 2005 die benötigten Leistungen bekommen werden!

KollegInnen und Kollegen!

Uns helfen nur Mindesteinkommen und garantierte Löhne, die wir - und zwar zusammen mit den Kolleginnen und Kollegen in ganz Europa - erstreiten müssen. Die Demonstrationen von Gewerkschaftern und Erwerbslosen, Autonomen und RentnerInnen, Belegschaftsvertretungen und Sozialverbänden weisen den Weg dorthin. Uns geht es zuerst um ganz konkrete Forderungen:

  • Eine Steuerpolitik, die die Unternehmer in die Pflicht nimmt statt die abhängigen Einkommen immer weiter auszuplündern.
  • Um die Rücknahme der Zuzahlungen, der Eintrittsgebühren beim Arzt und dessen, was noch kommt: Krankengeld und Zahnersatz selber zahlen …
  • Die sog. Hartz-Gesetze müssen weg; die Arbeitslosenhilfe darf nicht gestrichen und das Arbeitslosengeld nicht eingeschränkt werden.
  • Und viertens: Keine Rentenkürzungen!

Liebe KollegInnen und Kollegen!
Laßt uns uns über der Grenzen der jeweiligen Gewerkschaften, der Initiativen und Verbände hinweg zusammenarbeiten, solidarisch und zuverlässig, um unsere Forderungen zu bündeln. Gelegenheit dazu haben wir im Oldenburger Sozialforum, auf das Kollege Manfred Klöpper bereits hinwies.
Laßt uns kämpfen für eine solidarische Welt, ohne Armut und Ausbeutung, ohne Ausgrenzung und Elend!


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