Stahl - Informationen

Nr. 1 / 2002 - 21. Jahrgang

Dortmund, den 18.01.2002

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

im Mittelpunkt der letzten Wochen stand neben der Fortführung des Krieges gegen Afghanistan die ersten Stillegungsabsichten des neuen Weltkonzerns arcelor (ehemals NewCo), weiterhin die Auseinandersetzung um den Wegfall der Jahreszahlung bei den Bremer Stahlwerken und die gewerkschaftliche Auseinandersetzung um die Solidarität mit Metin Serefoglu.

Erste Strukturen und Stillegungsabsichten werden bei arcelor (ehemals NewCo) deutlich !

Die neue Unternehmensgruppe mit Sitz in Luxemburg und einem Börsenwert von dann 6 Mrd € will zum 1.März 2002 mit dem Namen arcelor die Geschäfte beginnen. Doch schon jetzt laufen die strukturellen Planungen auf Hochtouren.

Es werden 4 Säulen gebildet (mit erwarteten Aktivitätsanteil in %): Flachstahl (50%), Langstahl (15%), Edelstahl (16%) sowie Einkauf, Prozess und Vertrieb (19%).

Die Flachstahlgruppe teilt sich auf:

• Nord Europa – (Sidmar – Stahlwerke – EKO)
• Wallonien - (Cockeril)
• Zentral Europa – (Dünkirchen / Lorraine – Frankreich, Belgien, Luxemburg)
• Süd Europa – ( z.B: Fos - Frankreich – Spanien – Italien)
• Brasilien

Der neue arcelor-Chef Dollé, der bereits bei Usinor unter Francis Mer die Fusionen mit Sacilor und mit dem belgischen Konzern Cockerill Sambre erfolgreich bewerkstelligte und die Rostfrei-Sparte sanierte, setzt besonders auf den Flachstahlbereich. Hier sieht er neben dem Baustahlmarkt eine Marktsteigerung von 20%.

Insgesamt sollen bekanntlich jährlich 300 Mio € bis 2006 und dann 700 Mio € jährlich an Synergieeffekten eingespart werden. Dazu soll der Flachstahlbereich bis zum nächsten Jahr 58% und bis Ende 2006 47% beitragen (siehe Anlage). Hier wird zukünftig also unsere größte Aufmerksamkeit liegen müssen.

Bei der Arbeitsplatzvernichtung muss ersteinmal unterschieden werden zwischen den Maßnahmen, die arcelor von der EU auferlegt wurden und den internen strukturellen Maßnahmen (obwohl das den Betroffenen egal sein wird).

Die Auflage der EU sah folgende Maßnahmen vor:

• Verzinkung (1,7 Miot/a weniger verzinkten Flachstahl – 6% Marktanteil EU)
• Laminoir de Dudelange (Luxemburg), Straßburg + Beautor (Frankreich), Galmed (Spanien), Segal (Belgien),Finaverdi (Italien) und Lusosider (Portugal).
• Im Bereich Stahlservice: Cofrafer (Frankreich) und Bamesa (Spanien, Portugal).

Insgesamt sind von dieser Maßnahme rund 1 800 Arbeitsplätze betroffen. Sie sollen in den nächsten 15 Monaten durch Ausgliederung und Verkauf vollzogen werden. In Luxemburg wird die Belegschaft umgesetzt. Hier gab es erste Auseinandersetzungen darum. Die sozialistische Gewerkschaft kritisierte ARBED als Teilvorgänger von Arcelor seit 1976 die Stahlbelegschaften von 25 000 auf 7 000 abgebaut zu haben. In der selben Zeit hat der Staat Luxemburg rund 2,5 Mrd € in ARBED zur Standortsicherung und Sicherung der Arbeitsplätze investiert. Dieses Geld geht nun als Geschenk an arcelor ohne Arbeitsplatzgarantien und der Anteil des Staates von 30% an ARBED geht nun gleichzeitig bei arcelor auf 6% ohne Vertretung im Aufsichtsrat zurück.

Aber die neue Führungsspitze setzt auf Einbindung der Gewerkschaften bei der zu erwartenden Vernichtungswelle. Co-Präsident Kinsch "Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir mit Regierung und Gewerkschaften einig werden." Co-Präsident Mer erkennt die Notwendigkeit eines Euro-Betriebsrat und verweist auf die drei Gewerkschaftsvertreter im arcelor-Verwaltungsrat, für den Luxemburger Konzernteil wird das OGB-L Präsident John Castegnaro sein. Aber darauf dürfen sich die Belegschaften nicht verlassen. Schon gibt es europaweit erste Vernetzungen, die sich aber auch praktisch beweisen müssen.

Präsident Dollé hat allgemein eine Renditenvorgabe von 15% ausgegeben. Dazu hat er alle Betriebe im Bereich Flachstahl angewiesen, 10% Personalkosten durch andere Arbeitszeitmodelle und Personalabbau einzusparen. Auch soll es für die Belegschaften zu einer erhöhten Mobilität der zwischen den Unternehmen kommen. Darüber hinaus sollen die Produktion für Autobleche um 15% zurück genommen werden. Insgesamt rechnen Insider zunächst mit der Vernichtung von rund 5% der Arbeitsplätze. Das sind bei rund 110 000 Beschäftigten rund 5 500!

Erste Auswirkungen soll das nun auch für EKO-Stahl in Eisenhüttenstadt haben. Sie sollen die Eigenständigkeit verlieren und der Gruppe Nordsee (Sidmar in Gent/Belgien und deren Tochter Bremer Stahlwerke) untergeordnet werden. Auswirkungen könnte das auf die Flüssigphase dort haben, da sie im Gegensatz zu den anderen beiden Partnern sehr kostenintensiv ist und modernisiert werden müsste. Gleichzeitig soll der belgische Chef der Bremer Stahlwerke, Belche, die Leitung von EKO-Stahl übernehmen. Aber auch die Bremer Stahlwerke leiden derzeit an Überkapazitäten und es gibt derzeit Auseinandersetzungen um Bankbürgschaften, Investitionen und Streichung der Jahressonderzahlung.

Die Auseinandersetzung um die Jahressonderzahlung 2002 bei den Stahlwerken Bremen

In 259 Veranstaltungen haben Vertreter des Vorstandes versucht, die Belegschaft zwecks Streichung der JAZ 2002 in quasi "Auge in Auge-Gesprächen" auf ihre Seite zu ziehen. Das ist ihnen ersteinmal nicht gelungen. Aber in den Gesprächen ging es auch um weitere Einsparungsmaßnahmen wie Abhaltung der Belegschaftsversammlungen während der Arbeitszeit, Streichung des Kantinenzuschusses usw. Die Unternehmer versuchen jede Situation auszunutzen, um den Belegschaften zum Teil erkämpfte Vorteile wieder abzuknöpfen. Und zur "Sicherung" ihres Arbeitsplatzes sind dazu nicht wenige bereit. Dagegen gilt es breit den Widerstand zu organisieren. (In der Anlage einen Bericht und zahlreiche BR+VK-Info zu dieser Frage).

Innergewerkschaftliche Auseinandersetzung um die Solidarität mit Metin Serefoglu

Nach dem der Lehrer Bernhard Nolz aus Siegen nach Kierspe zwangsversetzt wurde, schlagen die Wellen zwischen ver.di und der IG Metall um die Solidarität mit Metin sehr hoch. Die VertreterInnen des AK gegen Rassismus und Rechtsextremismus im ver.di- Bezirk NRW-Süd hatten eine Flugblattaktion vor der Firma Kostal in Lüdenscheid geplant, um mit der Belegschaft über die Kündigung von Metin ins Gespräch zu kommen. Die IG Metall in Frankfurt meldete Klärungsbedarf über den DGB an. Daraufhin wurde die Aktion um eine Woche ausgesetzt. Metin bedarf weiterhin unserer Solidarität und besonders finanzieller Unterstützung!

Allgemeine Informationen

• In 2001 wurde 5,4% weniger Roheisen und 3,4% weniger Rohstahl produziert, das entspricht 29,18 Mio to Roheisen und 44,8 Mio to Rohstahl. Im Jahr 2000 wurde zum Vergleich 46,38 Mio to hergestellt, soviel wie seit 1974 nicht. Zum Jahresende waren 102 000 Menschen in diesem bereich beschäftigt, 500 weniger als im Vorjahr.

• Alle schreien nach "freier" Marktwirtschaft, wenn es ihnen nützt. Und dann wird wiederum nach Beschränkungen gerufen, wenn es ihnen an den Kragen geht.

• Und gerade diese Importe sollen dafür verantwortlich sein, dass z.B. bei ThyssenKrupp zum Jahreswechsel rund 5 500 Beschäftigte Kurzarbeit verrichten mussten.
• Der weltweite Konzentrationsprozess geht weiter. Kaum durch arcelor von der Weltspitze verdrängt sucht nun Japans größter Stahlproduzent Gespräche mit den Konkurrenten Sumitoma Metal und Kobe Steel. In diesem jahr wollen bereits Kawasaki Steel und NKK fusionieren.

Aus den Betrieben:

Thyssen Krupp Stahl AG:

Auch im Januar sollen bei Stahl rund 5000 Menschen kurzarbeiten. Begründet wird das mit der Weltkonjunktur und den hohen Lagerbeständen sowie dem Preisverfall. So sollen die preise im März erhöht werden, wenn die Lagerbestände abgebaut sind. Schon jetzt wurde in einer einmaligen Situation unter Ausnutzung der Monopolstellung die vereinbarten Preise gegenüber Dienstleistern und Lieferanten für Bestellungen und Dienstleistungen um 5% gekürzt.

Die Konkurrenz von arcelor wird nicht befürchtet, da die Rohstahlkapazität hier einen viel größeren Konzentrationsstand an einem Ort aufweist (Anlagen).

• Mit dem Aufkauf der restlichen 10% Anteile an dem italienischen Edelstahlproduzenten Acciai gehört diese Firma mit einem Umsatz von 1,5 Mrd € und 4 300 Beschäftigten nun ganz dem Konzern.
• Am Standort Dortmund wurde im Dezember die Feuerbeschichtungsanlage 8 offiziell in Betrieb genommen. Mit 128 Mio € Investition hat die Anlage eine Kapazität von 450 000 Jato. Damit erhöht ThyssenKrupp seine Kapazität an feuerverzinkten Feinblechen (in erster Linie für die Automobilindustrie) auf 3,8 Mio to. Mit den hier geschaffenen 103 Arbeitsplätzen sind laut Betriebsrat somit 90% der versprochenen Ersatzarbeitsplätze geschaffen worden.
• Die Informationen von Thyssen Eisenbahn und Häfen GmbH befassen sich mit der Vorbereitung der BR-Wahl. Hier soll eine Persönlichkeitswahl stattfinden. Sollte eine Listenwahl aufgezwungen werden, soll in einer Urwahl die IGM Liste durch die Belegschaft abgesichert werden. Dazu eine BV zur Regelung bei Wegfall von Arbeitsplätzen.

Saarstahl AG / Dillinger Hütte:

Nach 8 Jahren hat das Völklinger Konkursgericht das Unternehmen aus dem seit 1993 laufenden Konkursverfahren entlassen.

Brandenburger Elektrostahlwerk GmbH:

Die BR-Infos befassen sich u.a. mit der Altersteilzeit, BV Urlaub 2002, Abmahnungen und der Aufgabe von Sicherheitsbeauftragten.

Bitte Infos auch über e-mail an uns weiterleiten: georg.bueckle@t-online.de !!! (wer eine entsprechende Adresse hat - bitte uns mitteilen! Danke)

Desweiteren erhaltet Ihr weitere Infos zu Stahl aus dem Internet bei:

• http://go.to/stahlnetz (neu)
• www.labournet.de (Vernetzung Gewerkschaftslinke)
• http://go.to/uwvakbond (belgische Sozialisten bei Sidmar)
• www.igmetall.de www.wvstahl.de (Unternehmensverband Eisen +Stahl)

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