LabourNet Germany Dies ist das LabourNet Archiv!!! Aktuelle Meldungen im neuen LabourNet Germany

Home Über uns Suchen Termine

 

Schuften für Mickey Mouse und wenig Mäuse

 

Das Weihnachtsgeschäft läuft und im Einzelhandel lässt das Klingeln der Ladenkasse die Herzen höher schlagen. Gar nicht weihnachtlich ums Herz wird einem dagegen, wenn man erfährt, unter welchen Bedingen das, was da zum Fest der Liebe auf dem Gabentisch kommen soll, produziert wurde.

Bei den Kleinen besonders beliebt sind Disney-Figuren, -T-Shirts und ähnliches. Die US-Amerikaner lassen ihre Produkte von Partnern vor allem in Asien produzieren, die ihre Aufträge wiederum weiter vergeben. Z.B. in die Volksrepublik China. Das Christliche Komitee für Industrieelle Angelegenheiten in Hongkong hat einmal genauer hingeschaut. Die Gruppe, die sich seit Jahren um Arbeiterrechte in der Region kümmert, hat in akribischer Kleinarbeit Fakten über die Zustände in den unter Vertrag genommenen Fabriken zusammengetragen.

Mehrere Monate waren sie in Hongkongs Nachbarprovinz Guangdong unterwegs und haben Arbeiterinnen in insgesamt 12 Fabriken interviewt, jeweils fünf bis fünfzehn pro Unternehmen. Einige der Fabriken arbeiten kontinuierlich für Disney, andere nur saisonal. Die erzeugten Spielwaren, Uhren und Accessoires gehen hauptsächlich in den Export nach Nordamerika und Europa.

Die letzten Gespräche wurden im November geführt.

In allen Fabriken werden durchgängig sehr junge Arbeiterinnen beschäftigt, die aus den armen Provinzen im Landesinneren stammen. Das Phänomen ist nicht nur in China, sondern auch in vielen anderen Ländern weit verbreitet. Auch in den Sonderwirtschaftszonen der Philippinen oder Sri Lankas werden hauptsächlich junge, unverheiratete Frauen eingestellt. Sie gelten als am wenigsten rebellisch. In einem Fall, auf den die Hongkonger Arbeiterrechtler stießen, verlangte die Fabrikleitung sogar Bescheinigungen, dass die Frauen ledig sind.

Die jungen Frauen kommen meist aus Bauernfamilien, die ein Jahreseinkommen von 400 Yuan (110 DM) oder weniger haben. Die Familien schicken oft ihre Töchter in die boomende Küstenregion, um das Familieneinkommen aufzubessern. Die Söhne bleiben bei den Eltern, um nach Möglichkeit eine höhere Schulbildung zu bekommen.

Die Arbeiterinnen sind oft in überfüllten Schlafsälen in der Nähe der Fabrikgebäude, manchmal sogar im gleichen Gebäude untergebracht, wo sie praktisch 24 Stunden am Tag unter der Kontrolle der Werksleitung sind. In einem Fall berichteten die Arbeiterinnen, dass sie in dreigeschossigen Betten schlafen müssen. Das Essen, dass sie am Arbeitsplatz bekommen, bezeichneten die Arbeiterinnen in einigen Fabriken als "Schweinefraß".

Die meisten Befragten gaben extrem lange Arbeitszeiten an. In der Hauptsaison müssen oftmals 13 bis 17 Stunden pro Tag gearbeitet werden, und zwar über viele Wochen hinweg sechs, manchmal sogar sieben Tage in der Woche. Überstunden können praktisch nicht verweigert werden. Dafür werden sie in der Regel auch nicht vollständig bezahlt. In einer Fabrik wurden die Arbeiterinnen überhaupt nicht für die Überstunden bezahlt, sondern gezwungen in Zeiten mit wenig Aufträgen zum Ausgleich Urlaub zu nehmen.

Die Hongkonger weisen in ihrem Bericht daraufhin, dass diese Praxis gegen geltendes chinesisches Recht verstößt, wie auch viele andere Zustände, auf die sie trafen.

Für diese Knochenarbeit bekamen die meisten befragten Arbeiterinnen 400 bis 700 Yuan im Monat, d.h. in etwa 110 bis 190 DM. In den fünf Spielzeugfabriken, die unter den insgesamt 12 untersuchten Unternehmen waren, wird allerdings weniger verdient: 300 bis 500 Yuan sind es hier. Das ist zwar meistens noch knapp über dem Mindestlohn, der von Stadt zu Stadt variiert, allerdings wird dieser auf der Basis einer 40 Stunden Woche berechnet. Die Bezahlung für Überstunden darf nach den chinesischen Gesetzen nicht in die Berechnung eingehen.

Von diesem dürftigen Lohn werden oftmals noch Strafen abgezogen: 20 Yuan wenn man vergisst das Licht im Schlafsaal auszuschalten, 50 Yuan bezahlt, wer sich beim Rauchen erwischen lässt, 2 Yuan/Minute gibt es Abzug bei Verspätung. Damit nicht genug, zahlen die meisten Unternehmer den Lohn mit ein oder zwei Monaten Verspätung, um den Arbeiterinnen das Kündigen zu erschweren. Wer aufhört oder gefeuert wird, hat kaum eine Chance, seinen ausstehenden Lohn zu erhalten.

Kaum verwunderlich bei derartigen Zuständen, die durchaus typisch für Chinas boomende Privatindustrie im Süden sind, dass die meisten der befragten Arbeiterinnen keine Vorstellung von den Aufgaben einer Gewerkschaft haben, wie die Interviewer herausfanden. Die meisten würden zwar den Wortlaut entweder des chinesischen Arbeitsrechts oder des Arbeiterschutz-Kodex von Disney kennen, doch hätten sie keine Ahnung, dass diese Texte zu ihrem Schutz gedacht sind. Sie werden von ihren Vorarbeitern lediglich dazu angehalten diese Besuchern vorzutragen.

Das Hongkonger Komitee weist denn auch daraufhin, dass die Kontrollen, die Disney durchführt, wirkungslos bleiben. In keinem der untersuchten Unternehmen würden die Richtlinien eingehalten. Die Autoren des Berichts fordern daher, dass die Arbeiterinnen Überwachung beteiligt werden und Disney sich dafür einsetzt, dass sie umfassend über ihre Rechte aufgeklärt werden. Es mache keinen Sinn, wenn Disney sich sofort zurückziehe, wenn der Kodex nicht befolgt werde. Besser sei es, wenn der Konzern mit seinen Partnern dafür sorge, dass sich die Situation der Arbeiterinnen in der betreffenden Fabrik verbessere. Deshalb wollte man auch nicht die Namen der untersuchten Unternehmen nicht preisgeben, damit die Arbeiterinnen nicht auch noch ihre Anstellung verlören.

Wolfgang Pomrehn

Der Bericht ist im Internet unter http://www.maquilasolidarity.org zu finden. Dort gibt es auch mehr Informationen über die Freihandelszonen Asiens und Lateinamerikas.


Home
LabourNet Germany: http://www.labournet.de/
LabourNet Germany: Treffpunkt für Ungehorsame, mit und ohne Job, basisnah, gesellschaftskritisch
The virtual meeting place of the left in the unions and in the workplace
Datei:
Datum: