Dezember Ausgabe der VKL-Zeitung von Bosch-Siemens-Hausgeräte Werk in Berlin

 

Jahresüberblick 1999

 

Liebe Kollegen und Kolleginnen

 

wir haben ein sehr lebendiges und gleichzeitig für die BSH Fabrik Berlin sehr erfolgreiches Jahr hinter uns. Ein entscheidender Augenblick war Ende März, als die

Betriebsleitung versucht hat, befristete Kollegen zu entlassen und Leiharbeitnehmer dafür einzustellen. Wir haben es gemeinsam geschafft, daß die Betriebsleitung ihr Ziel nicht erreicht hat. Aber das Problem Befristung ist immer noch eines der aktuellsten Themen.

 

 

Fast in allen Kostenstellen und im Angestelltenbereich findet Leistungsdruck statt. Viele Kollegen arbeiten schon seit langem an der Grenze ihrer Belastbarkeit. Besonders im Vorfertigungsbereich gibt es sehr wenige Kollegen, die nicht in der Lage sind, die von ihnen geforderte Leistung zu erbringen. Sie müssen sehr oft durch

Überstunden und Samstagsarbeit die Produktion aufrechterhalten.

Besonders 1999 hat die Betriebsleitung sehr wenig sogar fast gar nichts für die Humanisierung der Arbeitsbedingungen getan.

 

Viele Kollegen fühlen sich von der Betriebsleitung nicht richtig informiert, obwohl angeblich durch mehr Information die Unternehmungskultur gepflegt werden sollte. In allen Bereichen der Fabrik Berlin herrscht gewisse Unsicherheit und Perspektivlosigkeit.

Besonders 1999 wurden viele Projekte ins Leben gerufen unter dem Motto "Kundenzufriedenheit", "Flexibilisierung" oder der berühmte Begriff "sparen". In der Regel gehen diese Maßnahmen zu Lasten des Mitarbeiters.

 

Trotz aller Maßnahmen und Unsicherheiten konnten wir die Belegschaftsanzahl stabil halten. Aber Tatsache ist auch, daß viele Kostenstellen unterbesetzt sind, daß wir mehr Mitarbeiter brauchen. Wir hoffen, daß die Betriebsleitung im Jahr 2000 auch

ein Projekt ins Leben ruft, um festzustellen, haben wir in diesem Unternehmen humane Arbeitsbedingungen, wie können wir Abschied vom Leistungsdruck nehmen, wie erreichen wir, daß jeder Mitarbeiter sich in diesem Unternehmen wohlfühlt und auch eine Zukunftsperspektive hat. Wir können nicht immer mit den gleichen

Argumenten glücklich werden "im Hausgerätebereich gibt es einen knallharten Konkurrenzkampf". Wir hoffen, daß im Jahr 2000 der Begriff "humane Arbeitsbedingungen" nicht als Fremdwort deklariert wird.

 

 

Berichte aus den Kostenstellen

 

 

Kst. 018/019:

 

 

Es kommt sehr oft vor, daß die Kollegen an die Bänder geschickt werden. Teilweise haben sie bereits ihren Akkord fertig. Sie müssen dann an den Linien zusätzlichen Akkord leisten. Da die Bänder meistens unterbesetzt sind kommt dies sehr häufig vor.

Viele Kollegen wissen nicht, wenn sie ihre Arbeit aufgenommen haben, wo sie im Anschluß arbeiten müssen. Die Kollegen zeigen ihre Flexibilität durch ihren Arbeitseinsatz an den Linien. Sie haben nach wie vor die Lohngruppe 2 aber durch ihren wechselnden Einsatz an den verschiedenen Arbeitsplätzen müßten sie die Lohngruppe 4 bekommen.

 

Angeblich, nach Aussage der Betriebsleitung, gibt es in den Kst. 018/019 Arbeitsplätze, die für schwerbehinderte und leistungsgeminderte Mitarbeiter sind. Wenn die beiden Kst. als Personalpuffer benutzt werden, haben die behinderten Kollegen keine Möglichkeit, dort einen Einzelarbeitsplatz zu bekommen, weil die

Vorgesetzten argumentieren, sie müssen überall einsetzbar sein.

Besonders in diesen beiden Kst. brauchen wir Festarbeitsplätze für behinderte Kollegen, weil wir sonst nirgendswo Schontätigkeiten haben.

 

 

Vorfertigung:

 

Im Vorfertigungsbereich gibt es sehr starke Personalengpässe, somit gibt es sehr oft Leistungsdruck, Überstunden und Samstagsarbeit und seit Jahren ist bekannt, daß es besonders in diesem Bereich viele technische Probleme gibt. Die Betriebsleitung will kein Geld investieren oder mehr Mitarbeiter für diesen Bereich zur Verfügung stellen. Trotz der vielen Programmänderungen und technischen Probleme macht sich die Betriebsleitung keine Gedanken darüber, wie sie diese Probleme lösen will. Die Kollegen aus diesem Bereich müssen gemeinsam ihre Probleme äußern und von

der Betriebsleitung zusätzliche Mitarbeiter einfordern. Solange die Produktion läuft, macht sich keiner darüber Gedanken.

 

 

Leistungsdruck im Angestelltenbereich:

 

Viele Kollegen aus dem Angestelltenbereich müssen neben ihrer normalen Arbeit an Projekten mitarbeiten. Es gibt einen verstärkten Arbeitsaufwand aber keine Neueinstellungen. Um die Termine und Vorgaben zu schaffen sind verstärkt Überstunden gefordert. Dies schafft Ängste und geringe Dialogfähigkeit.

Teamfähigkeit, die wir uns mal auf die Fahne geschrieben haben, leidet hierunter sehr stark. Obwohl es viele Probleme im Angestelltenbereich gibt und diese sich in der Zukunft noch verstärken werden, braucht der Betriebsrat mehr Informationen und

Unterstützung um sich verstärkt der Probleme anzunehmen.

 

 

Arbeitszeitmodelle:

 

 

Flexible Arbeitszeitmodelle sind bereits durch Betriebsvereinbarungen vorhanden aber diese reichen der Betriebsleitung immer noch nicht aus. Was die Betriebsleitung für das Jahr 2000 will, sind unterschiedliche Arbeitszeitmodelle einzuführen. Hierzu gehört ein Teilzeitarbeitsmodell von 28 Std./ Woche oder für bestimmte Bereiche ein Arbeitszeitmodell von 42 Std./Woche. Das bedeutet für die einen Kollegen weniger Einkommen, für die anderen mehr Arbeitszeit. Flexiblere Arbeitszeiten bedeuteten für die Kollegen aber auch, daß sie nicht in der Lage sind, selber zu bestimmen, wie sie mit ihrer Freizeit umgehen können. Alles wird von der Betriebsleitung bzw. von marktwirtschaftlichen Entwicklungen bestimmt.

Daß der Mensch dabei keine Bedeutung hat, zeigt eindeutig diese Leichtsinnigkeit, mit der man mit ihm umgeht. Auf der einen Seite erklärt der Unternehmer, daß er im Wäschebereich 1999 große Gewinne erzielt hat, auf der anderen Seite versucht er durch flexible Arbeitszeiten die marktwirtschaftliche Verantwortung und saisonale Schwankungen auf Kosten der Arbeitnehmer zu schieben. Die Betriebsleitung versucht nicht nur flexiblere Arbeitszeiten sondern auch flexible Belegschaftszahlen zu erreichen. z.B., sie nehmen bis heute keinen Abschied von befristeten Arbeitsverträgen, obwohl sie genau wissen, daß sie Mitarbeiter brauchen. Sie nehmen keinen Abschied von Leiharbeitnehmern, sondern im Gegenteil, sie wollen im Jahr 2000 möglich noch mehr Leiharbeitnehmer im Betrieb beschäftigen. Was noch neu ist, sie wollen Teilzeitarbeit einführen, wo die Kollegen dann noch geringere Einkommen haben werden. Leiharbeitnehmer und Teilzeitarbeit sind auch gleichzeitig eine große Gefahr für die unbefristeten Kollegen, weil es dadurch unterschiedliche Bezahlungen geben wird. Es besteht auch Gefahr, daß die unbefristeten Kollegen in der Zukunft von Teilzeitarbeit betroffen werden können. Die Betriebsleitung muß sich Gedanken darüber machen, wie weit sie die Beschäftigten belasten kann. In Deutschland gibt es 7 Millionen Arbeitslose. Es gibt kein Großunternehmen, welches sich ernsthaft Gedanken darüber macht, wie schaffe ich Arbeitslosigkeit ab, sondern es sieht so aus, daß die Arbeitslosigkeit dazu benutzt wird, um weitere Flexibilität und Lohndumping zu erreichen. Die Fabrik Berlin ist dafür ein gutes Beispiel.

 

 

Klimabarometer:

 

Die Mitarbeiter werden sehr oft um ihre Meinung gefragt, aber sehr oft stellen wir auch fest, daß dies nichts bewirkt.

 

Es haben sich dadurch weder die Arbeitsbedingungen noch der Umgang miteinander geändert. Das Unternehmensziel ist, mehr Produktivität und Flexibilität mit möglichst wenigen Mitarbeitern zu erreichen. Wie kann ein Bereichs- oder Abteilungsleiter ein besseres Klima in seinem Bereich erreichen, wenn er selber unter den Druck von Zielvereinbarungen steht. Der einzige Weg die Mitarbeiterzufriedenheit und das Arbeitsklima zu verbessern ist, den Leistungsdruck durch Neueinstellungen zu nehmen.

Es ist notwendig, ein besseres Arbeitsklima in diesem Unternehmen zu erreichen. Dazu muß aber die Betriebsleitung bereit sein, gewisse Schlußfolgerungen aus dem Klimabarometer zu ziehen. Deshalb hat der Betriebsrat seit 6 Monaten der Betriebsleitung eine Betriebsvereinbarung über Mobbing vorgelegt. Die Betriebsleitung hat bis jetzt wenig Interesse daran gezeigt. Es wäre ein positives Signal, wenn die Betriebsleitung sich für diese Betriebsvereinbarung entschließen könnte, damit wir jederzeit über schlechten Führungsstil oder Meinungsverschiedenheiten zwischen Mitarbeitern und Vorgesetzten offen diskutieren könnten.

Gleichzeitig kann es ein sehr gutes Signal für die Beschäftigten sein, daß die Betriebsleitung Meinungen des Mitarbeiters ernst nimmt.

 

Tarifrunde 2000

Seit Jahren hören wir von den Arbeitgebern, daß die IG Metall mit ihren Tarifforderungen die Unternehmen in die Knie zwingt. Die Wahrheit ist , daß viele Unternehmen nach der Wiedervereinigung ihre Gewinne verdoppelt haben.

 

Wir haben seit 1991 keine Lohnerhöhung bekommen, von der wir sagen können, daß sie den Kaufkraftverlust ausgleicht. Wir werden im Jahr 2000 von den gleichen Herren wieder hören, daß die Forderungen der IG Metall zu hoch ist. Trotzdem müssen wir nicht an dieses alter Lied glauben, sondern wir werden die Forderung der

IG Metall für das Jahr 2000 unterstützen.

 

Tarifrunde 2000 - Was wird gefordert?

 

Kräftige Lohnerhöhung, Tariffond - Rente mit 60, gemeinsamer Entgeltrahmentarifvertrag für Arbeiter und Angestellte, Ausbildungsabgabe, Überstundenabbau, weitere Arbeitszeitverkürzungen, 32.....30 Std-Woche, Beschäftigungssicherungs-Tarifvertrag?

 

Was ist notwendig? Was muß gefordert werden?

In erster Linie sind und waren Tarifrunden Lohnrunden. Es gibt in diesem Jahr überhaupt keinen Grund, wieder in Bescheidenheit zu verfallen. Die Gewinne steigen ins Unermeßliche. 1998 stiegen die privaten Geldvermögen um 251 Milliarden Mark! Aber über 3 Millionen Haushalte sind hoffnungslos überschuldet. Insgesamt hatten die Haushalte 1998 ein Einkommen von 2,4 Billionen Mark zur Verfügung. Knapp eine Billion entfielen auf Löhne und Gehälter. Fast ebensoviel, 890 Milliarden ! sind

Gewinne und Einkommen aus Vermögen! ("metall", DIW).

 

Kräftige Lohnerhöhung..........

Mehr als berechtigt ist eine Lohnerhöhung, die die drei gewerkschaftlichen Rechenfaktoren berücksichtigt:

Preiststeigerungsrate plus Produktivitätssteigerung plus Umverteilungskomponente. Da sind 7 bis 8 % zusammen! Als Festgeldforderung wären das bei 5 000 DM Bruttoverdienst 350 – 400 Mark mehr im Monat!

 

Das wäre echte Kaufkraft-/ Konsumsteigerung mit einem arbeitsplatzwirksamen Effekt. Und für höhere Rentenbeiträge oder Tariffond oder zusätzliche private Altersversorgung wäre auch noch was übrig. Abzulehnen sind Einmalzahlungen. Sie gehen nicht in die Lohnstruktur ein und senken langfristig die Lohn- und Gehaltssumme.

 

Rente mit 6o - Tariffond

Sehr beliebt bei den "älteren" KollegInnen ist die Aussicht, irgendwie früher gehen zu können, z.B. durch Altersteilzeit ohne die 18 % Rentenabschlag ab 60 ( circa 200 bis 250 Mark )! 40, 45 Jahre Arbeit bei dem heutigen Streß sind genug!

 

Doch wer zahlt den Ausgleich? IGM Zwickel schlägt dazu einen Tariffond vor. 0,5 % der Lohnerhöhung sollen alle, auch die jungen MetallerInnen einzahlen. 0,5 % sollen die Arbeitgeber zahlen. Von 5 Jahren Laufzeit ist die Rede. Die Jungen sind solidarisch mit den Alten, aber nur, wenn auch wirklich für jeden ausscheidenden

Metaller ein(e) KollegIn eingestellt wird! Nicht nur Azubi-Übernahmen - die müssen aufgrund der Fluktuation wieder zum Normalfall werden! Ohne die zwingende Einstell- und Übernahmepflicht bei Rente mit 60 würden die Unternehmer den Arbeitsplatzabbau weitertreiben und die MetallerInnen müßten ihn auch noch selber zahlen! Zwickel hat seinen Ex-Vize Riester halbwegs auf Kurs gebracht bei der Tarifrente mit 60. Die Mehrheit der Autobetriebsratsvorsitzenden liebäugelt aber weniger damit. Sie fürchten die Kritik der jetzigen Alterszeitler, die 18 % Rentenabschlag hinnehmen müssen. Die Arbeitgeber wehren sich mit ihren Medien. Die Armen wollen nichts zahlen. Von wegen Bündnis für Arbeit....... Sie wehren sich auch gegen die Verlängerung der Azubi-Übernahme von 6 auf 12 Monate (zur Zeit Tarifverhandlungen in Hessen). Die Arbeitgeber müssen zur Ausbildungsabgabe,

Umlagenfinanzierung für Ausbildungsplätze gezwungen werden!

Brave Appelle sind bisher verpufft!

 

Verantwortlich für den Inhalt: IGM-VKL Hakan Doganay