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Updated: 18.12.2012 15:51
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Airbus - die Stunde des gewerkschaftlichen Nationalismus?

Heiliger Sankt Florian, verschone unseren Standort, mach' lieber den des Nachbarn platt: Nach diesem Prinzip verfahren nicht alle, wohl aber einige bedeutende Gewerkschaften. Dazu gehören namentlich der französische populistische Gewerkschaftsbund Force Ouvrière (FO) und die deutsche IG Metall. Force Ouvrière ist zwar nur der drittstärkste Gewerkschaftsverband im Lande, aber bei dem Flugzeugbauer Airbus die stärkste Organisation. In der vergangenen Woche wurden bei dem seit 1970 bestehenden Kooperationsunternehmen, an dem mehrere EU-Länder beteiligt sind und das in Toulouse seinen zentralen Sitz hat, die seit längerem befürchteten Entlassungspläne bekannt gegeben. Bei FO wie bei der IG Metall schlug daraufhin die Stunde des gewerkschaftlichen Nationalismus. In Frankreich gaben die FO-Betriebsratsmitglieder etwa Studien in Auftrag, mit denen belegt werden sollte, dass die Produktivität an den inländischen Standorten höher sei und deshalb lieber Niederlassungen jenseits der französische Grenze geopfert werden sollten.

Stärker der Solidarität unter allen abhängig Beschäftigten verpflichtet ist bislang die CGT - größter Gewerschaftsbund in Frankreich, aber nur zweitstärkste Organisation bei Airbus im Lande. Aber auch sie appelliert neben dem Beschäftigten- auch an das nationale Interesse, wenngleich sie bislang die Entlassungspläne generell und überall ablehnt. Tatsächlich akzeptieren Teile der öffentlichen Meinung nur schwer die geplanten Kündigungen bei Airbus. Denn das Luftfahrtunternehmen ist zwar aufgrund der Lieferverzögerungen beim Riesenflieger A 380 im vorigen Jahr hinter seine Pläne zurückgefallen und muss den Bestellern - von den Vereinigten Arabischen Emiraten bis nach Singapur - möglicherweise wegen Verspätungen Regress bezahlen. Aber Airbus macht deshalb keineswegs Verluste, sondern schreibt dicke schwarze Zahlen, und die Auftragsbücher sind über fünf Jahre hinaus randvoll. Doch wieder einmal sollen die abhängig Beschäftigten die Zeche für eine verfehlte Politik der Unternehmensleitung oder der Konstrukteure bezahlen, damit die Profitrate nicht absinkt. Selbst bei Leserumfragen in einem Blatt von niedrigstem Niveau wie der Gratistageszeitung ,Metro' reagieren Befragte mit grobem Unverständnis darauf.

"Power 8"

Am vergangenen Mittwoch hat die Airbus-Direktion den "Umstrukturierungsplan" namens Power 8 dem Konzernbetriebsrat präsentiert. Demnach sollen nunmehr 10.000 Arbeitsplätze im Luftfahrtbereich verschwinden. Am härtesten betroffen ist Frankreich, wo 4.300 Arbeitsplätze eingespart werden solle, gefolgt von Deutschland mit 3.700 gestrichenen Stellen, Großbritannien mit 1.250 und Spanien mit 400 Arbeitsplatzverlusten. Die deutsche Kanzlerin Merkel und die brutische Regierung Tony Blairs reagierten bereits positiv auf den Plan, da die Standorte und die Technologiekompetenzen in ihren Ländern erhalten würden, so wird die Flügelproduktion auf der britischen Insel beibehalten.

Entsprechend fielen die gewerkschaftlichen Proteste bisher in Frankreich am heftigsten aus. Am vorigen Dienstag (27. Februar), kurz vor der offiziellen Verkündung des erwarteten Plans, legten die Beschäftigten in Méaulte in der nordfranzösischen Picardie, wo die Cockpits für die Flugzeuge hergestellt werden, spontan die Arbeit nieder. Am darauffolgenden Tag wurde die Fabrik in Saint-Nazaire, wodie Rohre für die Airbus-Maschinen herkommen, 24 Stunden lang durch die dort Arbeitenden blockiert. Weitere Aktionen wurden angekündigt.

Der Hauptschlag trifft dabei nicht die Kernbelegschaft, sondern die Mitarbeiter bei Subunternehmen: Die Hälfte der Arbeitsplätze soll sofort durch Einsparungen bei Subfirmen und die Entlassung von Zeitarbeitern verschwinden, die andere Hälfte dagegen über mehrere Jahre hinweg durch freiwillige Abgänge - gegen Abfindungen - und Vorruhestandsregelungen bei der Kernbelegschaft abgebaut werden. Gleichzeitig soll aber der Rückgriff auf Subfirmen noch verstärkt werden, um die Kosten zu drücken. Gegenüber derzeit 25 Prozent soll beim neuen Großraumflieger A 380 der Anteil der externen Firmen bei 50 Prozent liegen - gegenüber 70 Prozent beim US-Konkurrenten Boeing für seine Riesenmaschine "Dreamliner". Die Mitarbeiter dieser Subfirmen haben natürlich nicht dieselben Vorteile wie die Kernbelegschaft. Letzter soll allerdings nach den Plänen der Direktion - so berichtet der Focus - künftig für dasselbe Gehalt 40 statt bisher 35 Stunden wöchentlich arbeiten. In Frankreich steht dem derzeit aber die gesetzliche Normarbeitszeit gegenüber, die im Falle eines Wahlsiegs Nicolas Sarkozys allerdings abgeschafft werden könnte.

Der französische Wahlkampf wirft auch sonst seine Schatten auf die Debatte um den Arbeitsplatzabbau bei Airbus: Die sozialdemokratische Kandidatin Ségolène Royal hat angekündigt, im Falle ihres Wahlsiegs würde sie den "Sozialplan" einfrieren, und die öffentliche Hand werde bei Airbus einsteigen, um - so die Politikerin - die Arbeitsplätze und eine vernünftigte Zukunftsplanung zu garantieren. Ihr konservativer Konkurrent Sarkozy sieht darin hingegen nicht die Aufgabe des Staates, sondern eines "zu findenden Aktionärs", und will nicht in die Entlassungspläne eingreifen. Auch Sarkozy und der christdemokratische Kandidat François Bayrou wollten aber am gestrigen Montag die Gewerkschaften bei Airbus treffen. Hingegen erklärte der rechtsextreme Präsidentschaftskandidat Jean-Marie Le Pen, es sei "Aufgabe der Fachleute" und "nicht der Politiker", sich um eine solche Angelegenheit zu kümmern, der Staat habe sich nicht einzumischen.

Bei einem Treffen am Sitz des Europäischen Metallgewerkschaftsbunds in Brüssel am vorigen Dienstag einigten sich alle Gewerkschaften der Branchen auf einen gemeinsamen, länderübergfeifenden "Aktionstag" in zwei bis drei Wochen. Dieser soll auch Steiks einschließen, die am heutigen Dienstag bereits an den französischen und deutschen Firmenstandorten vorgesehen waren. Auf deutscher Seite scheint der Protest laut einem Bericht der ,jungen Welt' unterdessen abzulaufen, in Frankreich sind am heutigen Tag Arbeitsniederlegungen vorgesehen.

Unterdessen haben sechs sozialistisch regierte französische Regionen, darunter Midi-Pyrénées - wo der Konzernsitz Toulouse liegt und 60.000 Menschen in der Luftfahrtindustrie arbeiten - angekündigt, dass sie vergleichbar den deutschen Bundesländern ins Kapital von Airbus eintreten wollen.

Bernard Schmid, Paris, 06.03.2007


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