letzte Änderung am 23. Juli 2002

LabourNet Germany ARCHIV! Aktuelle Meldungen im neuen LabourNet Germany

Home -> Branchen -> Medien u. IT -> Union-Druckerei > Luft abgedreht Suchen

Pressemitteilung des Betriebsrats der Union-Druckerei vom 16.Juli 2002

Sie nehmen uns die Luft zum Atmen

Der Betriebsrat der Union-Druckerei (UD) kritisiert den Beschluss der Gesellschafter der gewerkschaftseigenen UD, die Firma zu liquidieren, scharf. Alleinige Gesellschafter der UD sind die Gewerkschaften IG Metall, IG BAU, ver.di und transnet. Der Liquidationsbeschluss vom 15. Juli 2002 steht im Widerspruch zu dem, was üblicherweise Politik und Haltung der Gewerkschaften ist und bedeutet in seiner Konsequenz Arbeitsplatzvernichtung.

Dass die Union-Druckerei heute wirtschaftlich so sehr mit dem Rücken an der Wand steht, hat lange zurückreichende Ursachen. Und um die Enttäuschung und die Wut der Belegschaft über das derzeitige Vorgehen der Gesellschafter nachvollziehen zu können, muss ein wenig zurückgeblickt werden in der Geschichte dieser Druckerei. Betriebszweck der Union-Druckerei war nie die Profitmaximierung. Sie hatte die Aufgabe, gewerkschaftliche Publikationen zu drucken und vor allem in Streikzeiten zu gewährleisten, dass alles, was von den Gewerkschaften an Drucksachen benötigt wird, zu jeder Zeit an jedem gewünschten Ort pünktlich zur Verfügung steht. So lange dies gut lief und die UD dabei auch noch Gewinne machte, kümmerte sich niemand um die Frage, wie in der UD eigentlich produziert wurde. In ihrer technischen und personellen Ausstattung war die Union-Druckerei auf die großen auflagestarken Periodika ihrer Gesellschafter ausgerichtet.

Das ganze System kam dann ins Wanken, als die Gewerkschaften nach dem "Wiedervereinigungsboom" selbst in die Krise gerieten. Einnahmeverluste durch sinkende Mitgliederzahlen, verursacht durch Austritte ­ zum einen aus Protest gegen eine Politik, die nicht mehr konsequent an den Interessen der Beschäftigten ausgerichtet zu sein schien, zum anderen aufgrund wachsender Arbeitslosigkeit ­ zwangen die Gewerkschaften dazu, selbst den Rotstift anzu-setzen. Sie taten dies auch und vor allem in der öffentlichkeitsarbeit. Sinkende Auflagen, das ersatzlose Einstellen von Publikationen, weniger Ausgaben (Hefte) pro Jahr waren die Konsequenz. Dazu kamen Preisdiskussionen ­ für die Union-Druckerei in dieser Vehemenz neu. Dies alles führte zu Umsatzeinbrüchen, die die UD in dieser Größenordnung nicht ausgleichen konnte. Von der maschinellen Ausstattung her an den Bedürfnissen der Gesellschafter ausgerichtet, war man im Vergleich zu kleineren, flexibleren Druckereien nicht konkurrenzfähig. Dazu kam ein gewisser grundsätzlicher Vorbehalt der so genannten "freien Wirtschaft" einer gewerkschaftseigenen Druckerei gegenüber. Verschärft wurde die Situation noch durch eine Geschäftsführung, die diesen krisenartigen Erscheinungen Mitte der Neunziger nicht gewachsen war. Unverzichtbare Maßnahmen wie die Errichtung eines tatsächlichen Vertriebs mit Außendienst und Marketing wurden sträflich vernachlässigt. Die Forderungen des Betriebsrats nach einer nachhaltigen Umstrukturierung wurden ignoriert.

Die Gesellschafter befanden sich in dieser Zeit (und befinden sich heute noch) in einer fast schizophrenen Situation. Als Eigentümer forderten sie Maßnahmen von der Geschäftsführung, die sie in ihrer Rolle als Kunden der Druckerei wieder konterkarierten. Und als Kunden verlangten sie Dinge, die sie als Eigentümer torpedierten. Die Frage der medienpolitischen Unabhängigkeit der Gewerkschaften rückte mehr und mehr in den Hintergrund. Die politische Notwendigkeit einer eigenen Druckerei wurde und wird nicht mehr gesehen. Als die Talfahrt der UD nicht stoppte, setzte man einen Unternehmensberater ein. Aber nicht einen, der in irgendeiner Art und Weise dem gewerkschaftlichen Umfeld nahe gestanden hätte, nicht einen Wirtschaftssachverständigen, der unter Einbeziehung von Arbeitnehmerinteressen und unter Berücksichtigung tariflicher und gesetzlicher Regelungen ein Sanierungskonzept ausarbeitet, nein, ein x-beliebiger Unternehmensberater musste es sein. Einer von der "anderen Seite", einer der eher Unternehmer als Betriebsräte berät ...

Das war der Anfang einer Kapitulationserklärung, deren Auswirkungen wir heute zu tragen haben. Denn diese Politik, nicht auf die eigene Kraft zu vertrauen, setzte sich fort. Dem Unternehmensberater folgten mehrere Geschäftsführerwechsel, die aber aus verschiedenen Gründen alle nicht zum Erfolg führten. Aber allen war eines gemeinsam: Es wurde viel von Umstrukturierung, Restrukturierung und Sanierung geredet ­ nur umgesetzt wurde fast nichts. Und wieder wurden Betriebsrat und Belegschaft nicht gehört. Warnungen wurden belächelt oder ignoriert, Vorschläge wurden abgetan. Und hier setzt unsere Kritik massiv an. Aus unserer Sicht hätte ein UD-eigenes Sanierungskonzept, ausgearbeitet von Sachverständigen, der Geschäftsführung und unter Einbeziehung des Betriebsrats sehr wohl Erfolg gehabt. Aber es war nicht gewünscht. Die Druckerei wurde mittlerweile als "Klotz am Bein" empfunden. Wir hätten von Geschäftsführern einer gewerkschaftseigenen Druckerei einen anderen Umgang mit Betriebsrat und Belegschaft erwartet. Wir hätten von unseren Eigentümern in bestimmten Zeiten andere Geschäftsführer erwartet. Wir hätten von unserer Gewerkschaft auf Vorstandsebene ­ spätestens seit der Gründung von ver.di (denn in diesem Zuge wurde unsere Gewerkschaft Eigentümer und Interessenvertretung in einem) ­ mehr Einmischung erwartet. Und wir hätten erwartet, dass das, was Gewerkschaften landauf und landab in den verschiedensten Betrieben fordern, wenigstens im eigenen Hause umgesetzt wird. Das ist eine Frage der Moral und eine Frage der Glaubwürdigkeit. Der Gewerkschaftsbewegung in ihrer Gesamtheit wird durch das Vorgehen in der Union-Druckerei großer politischer Schaden zugefügt. Aber das scheint unsere Eigentümer nicht zu interessieren ­ auch das lässt auf eine Haltung in den Vorstandsebenen schließen, die wir als Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter nicht hinnehmen können. Und außerdem hätten wir erwartet, dass die Gesellschafter zu ihren eigenen Beschlüssen stehen.

Letztes Jahr noch wurde ein weiterer Geschäftsführer eingestellt, mit dem Auftrag, ein Sanierungskonzept zu erarbeiten. Aber kaum war es erstellt, wollten die Gesellschafter (in Teilen) auch schon nichts mehr davon wissen. Und kamen mit einem neuen Beschluss. Dies war im Februar 2002. Ein Investor sollte gesucht werden. Allerdings war nicht die Rede davon, dass der Betrieb liquidiert werden soll, wenn die Investorlösung nicht zustande käme. Im Juni mussten wir dann erfahren, dass es jetzt nur noch hopp oder topp gibt. Entweder neue Firma für die einen und Arbeitsplatzverlust für die anderen oder Liquidation für alle.

Das ist die Konsequenz einer jahrelangen ignoranten Politik, das kommt dabei raus, wenn man anderen mehr vertraut als sich selbst und das ist das Ergebnis, wenn man keine kreativeren Ideen entwickelt als Arbeiter rauszuschmeißen. Die Union-Druckerei hatte einmal 520 Beschäftigte, zurzeit hat sie noch 294, lediglich 140 davon sollen übrig bleiben. Oder keiner.

Und das ist der Grund, warum Enttäuschung und Wut in der Belegschaft vorherrscht. Das ist der Grund, warum kein Jubel über die "Rettung von Arbeitsplätzen" aufkommt und auch nicht aufkommen kann. Das ist der Grund, warum wir den Liquidationsbeschluss ablehnen und kritisieren. Wir hätten Möglichkeiten gehabt, aber unsere Eigentümer haben sie nicht genutzt. Im Grundgesetz steht, dass Eigentum verpflichtet. Es verpflichtet auch dazu, darauf zu achten, dass kein Schindluder damit getrieben wird. Dieser Verpflichtung sind sie nicht nachgekommen, nicht die Gesellschafter und auch nicht ihre Aufsichtsräte. Und die Zeche sollen nun wir bezahlen ­ die Belegschaft der Union-Druckerei ­ mit einem hohen Preis, bis hin zum Verlust des Arbeitsplatzes. Das ist für uns nicht hinnehmbar. Wir sind nicht "nur" Belegschaft, wir sind auch Teil der Gewerkschaft und somit auch aus politischen Gründen gegen eine Liquidation der eigenen Druckerei.

LabourNet Germany Top ^