Home > Branchen > Medien u. IT > Siemens > mailandstreik | |
Updated: 18.12.2012 15:51 |
Antifa-AG der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover: Im deutschsprachigen Raum weitgehend unbekannt ist ein sehr harter und aufreibender Arbeitskampf in einem der beiden Mailänder Siemens-Werke. Es handelt sich um einen der längsten Streiks in der jüngeren Geschichte Italiens, bei dem seit 7 Monaten jeweils von 21 bis 2 Uhr gegen den Versuch der Betriebsleitung im Siemens-Werk Cassina dei Pecchi gestreikt wird, per Befehl eine Ausweitung der Nachtschicht durchzusetzen. Die Arbeiterinnen und Arbeiter von Siemens Italia betrachten diese als ruinös für ihre Gesundheit und ihr Familienleben und halten den Streik trotz Fehlens einer Streikkasse aufrecht - auch dank der Unterstützung ihrer nicht direkt betroffenen Kolleg(inn)en und der Spenden aus anderen Mailänder Betrieben. In der Urabstimmung der Beschäftigten in dem betroffenen Betriebsteil war das Vorhaben des Managements Mitte September 2004 mit 181 gegen 114 Stimmen (bei 4 ungültigen Stimmzetteln) abgelehnt worden, obwohl es zu diesem Zeitpunkt von den drei großen Branchengewerkschaften FIM, FIOM und UILM noch unterstützt wurde. 305 der 361 Wahlberechtigten hatten sich an der Abstimmung beteiligt. Über den Beginn der Auseinandersetzung informierte im Oktober 2004 die IG Metall-Website "Siemens-Dialog" Was die Kampfformen anbelangt, bedeutet dieser Streik ein Novum und einen großen Schritt in Richtung der Schaffung von Widerstandskassen ("Cassa di resistenza" = Streikfond), deren Einführung von verschiedenen italienischen Gewerkschaftsvorständen zwar seit langem angekündigt wird, aber bisher eine rein verbale bzw. symbolische Sache geblieben ist. Bei Siemens Cassina de'Pecchi wurde sie von den Streikenden aus der Notwendigkeit heraus, den Widerstand durchzuhalten, selbst geschaffen. Sollte dieses Beispiel Schule machen, so wäre es endlich möglich in Italien über die relativ zahlreichen, aber stets auf einen oder einen halben Tag begrenzten Streiks hinauszugehen, die einen mehr demonstrativen Charakter haben, von dem sich Regierung und Kapitalverbände längst nicht mehr beeindrucken lassen. Über Solidaritätserklärungen und Spenden aus Deutschland und Österreich, aber auch über eine Weiterverbreitung der Informationen über ihren Kampf in den einzelnen Siemens-Werken würden sich die italienischen Kolleg(inn)en sicherlich freuen. Wie aus einer Mitteilung des Coordinamento Nazionale Siemens der drei großen Metallarbeitergewerkschaften FIM-CISL, FIOM-CGIL und UILM-UIL vom 2.Mai 2005 hervorgeht, erklärte sich die Unternehmensleitung von Siemens Italia bei einem Spitzengespräch in Rom am 28.4.2005 zu einer Harmonisierung der Arbeitszeit in allen italienischen Siemens-Betrieben bei 37,3 Wochenstunden bereit - unter der Voraussetzung, dass es zu einer weiteren Flexibilisierung, der Einführung von Sonderschichten etc. kommt. Dazu waren die Gewerkschaftsführungen, mit dem Hinweis auf zahlreiche entsprechende Regelungen in lokalen Abkommen zunächst nicht bereit. Die Gespräche werden am 19.Mai fortgesetzt. Über die Pläne des italienischen Siemens-Managements zur Durchsetzung unbezahlter Mehrarbeit berichteten wir übrigens bereits in einer Übersetzung aus der linken Tageszeitung "Liberazione" vom 12.11.2004 . Die nachfolgende Mitteilung der Einheitlichen Gewerkschaftlichen Vertretung (RSU), d.h. dem "Betriebsrat", von Siemens Cassina dei Pecchi stammt vom 4.Mai 2005 und wurde unter anderem auf der Website des Coordinamento Nazionale RSU (faktisch das "Labournet Italy") veröffentlicht. Eine Gruppe von Arbeitern streikt seit mehr als 7 Monaten gegen die Nachtschicht bei Siemens Cassina de'Pecchi (Mailand) Am 4.Oktober 2004 befahl die Geschäftsleitung von Siemens Mobile di Cassina de'Pecchi <bei Mailand> Nachtarbeit auch für die Frauen. Das Abkommen zur Ausdehnung der Nachtschicht, dem die örtlichen Gewerkschaftsfunktionäre anfangs zugestimmt hatten, wurde dann von der Gewerkschaft nicht unterzeichnet, nachdem die Beschäftigten es in einer Abstimmung abgelehnt hatten. Trotz der Opposition der Beschäftigten und ihrer gewerkschaftlichen Vertreter, die beklagen, dass die dritte Schicht mit den Bedürfnissen der Arbeiterinnen nicht vereinbar ist, da sie mit ihren familiären Verpflichtungen kollidiert und Arbeiter zu einer 3-Schicht-Arbeit gezwungen werden, obwohl die Arbeitsplätze nebenan ungenutzt bleiben. <wurde sie von der Geschäftsleitung eingeführt> . Der Betrieb (der ca. 950 Beschäftigte hat, von denen 300 in der Produktion von Mobilfunktechnologie arbeiten) zwingt 120 Arbeiter(inn)en (davon ungefähr ein Drittel Frauen) einseitig die Nachtarbeit auf. Womit sie den Arbeitenden ihre Rechte und Bedürfnisse aberkennt und die Würde der Arbeiterinnen und Arbeiter ignoriert. Einige Arbeiter, reagieren auf diesen Zwang (von ihren Kollegen finanziell unterstützt), indem sie während der Nachtschicht streiken. Als ob dies nicht genügen würde, fährt Siemens fort Zeitarbeiter ( interinali ) einzusetzen, ohne deren Anstellung in eine unbefristete umzuwandeln. Die Arbeiter(inn)en von Siemens in Cassina erhalten Solidaritätserklärungen aus anderen Betrieben, Schulen und von gewerkschaftlichen Organisationen, die "Die Widerstandskasse" finanziell unterstützen. Bis heute ist in der Nachtschicht 1.400 Stunden lang gestreikt worden und zwei Wochen lang gab es jeweils einen halbstündigen Streik pro Schicht. Für die Stunden des nächtlichen Streiks wurde aus der Widerstandskasse, die eingerichtet wurde, um die Belastung durch den Streik zu verringern und von den anderen Arbeiter(inn)en des Werkes in Cassina unterstützt wird, eine Anzahlung in Höhe von 8.400 Euro <auf den ausgefallenen Lohn> geleistet. WIR DANKEN:
Informationen telefonisch unter: 0039 / 3386083973 RSU Siemens Cassina de'Pecchi (Mailand) Quelle: Carmelo_vittorio.Malia@icn.siemens.it Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern: Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover Kontakt: Zahlreiche weitere Übersetzungen von uns finden sich u.a. unter: http://antifa.unihannover.tripod.com
|