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Updated: 18.12.2012 16:00
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Schöne neue Bibliothekswelt

Inhalt

Vorbemerkung

Die Deutsche Bibliothek (www.ddb.de) vertritt als „Nationalbibliothek das Bibliothekswesen in der Gesellschaft... Wir sind aktiver Bestandteil des laufenden Wandels im Kommunikations- und Mediensektor... Wir initiieren, koordinieren und nutzen Innovationen im deutschen und internationalen Bibliothekswesen... Die Deutsche Bibliothek (DDB) erschließt die Welt des Wissens.“ (aus einem Leitbild-Entwurf der DDB) Wer hinter diese „Leit-Phrasen“ schaut, wird erahnen, dass mehr dahinter steckt als nur visionärer Hokuspokus. Auf diesem Hintergrund und aufgrund der anstehenden „Reformierung“ des öffentlichen Dienstes sind mehrere Artikel entstanden die in der Zeit von Mitte 2004 bis zum März 2005 im Intranet der DDB veröffentlicht wurden. Wie haben Teile davon zusammengefügt um die Dynamik der „Modernisierung“ am Beispiel der DDB aufzuzeigen. Einige Zeilen aus der örtlichen Personalratsarbeit (ÖPR) in Frankfurt am Main (DBF) wurden ebenfalls mit eingeflochten, weil wir meinen, dass diese Zusatzinformationen in diesen Kontext gehören. Einige Themenbereiche, die beim Abfassen der Artikel noch Fiktion waren, sind von der nackten Realität längst überrollt worden: So steht ein Teil der DDB (das Musikarchiv in Berlin) aufgrund angeblicher „Synergieeffekte“ nicht mehr nur zur Disposition (Presseerklärung der DDB vom 28.1.2005), sondern ist, genauso wie das alte Tarifsystem im öffentlichen Dienst, inzwischen abgehakt worden.

Über die staatliche Umorientierung – oder der Staat wirft Ballast ab

Um die staatlichen Aufgaben und ihre angeblich wichtigen Kernbereiche wird nur noch eine Scheindiskussion geführt. Tatsächlich geht es hierbei nur noch um die genaue Festlegung jener Bereiche, die im gesellschaftlichen Verwertungsprozess als wertvoll oder als weniger nützlich anzusehen sind. Die Realität ist schon lange über die Frage hinaus, welche staatlich verfügbaren Mittel verstärkt werden sollen. Heute stehen daher alle jene Bereiche zur Disposition, die bei der Reduzierung auf den sog. Kern des Staatsgebäudes abfallen. Die „überflüssigen Bereiche“ streicht man und überlässt sie der „Eigenverantwortung des einzelnen Bürgers“. Das zeigt sich an den Reformmodellen wie Hartz IV oder Bürgerversicherung.
Deshalb wurden und werden jene staatlichen Organisationen oder Teilbereiche privatisiert, die nach diesen Prämissen mit ihren Dienstleistungen oder Produkten das Erwirtschaften von Gewinnen in Aussicht stellen: Telekom, Post, Müllabfuhr, Bahnwerbung und Flugsicherung sind einige Beispiele. Der nicht zum Kernbereich gehörende Rest wird mit Besoldungs-, Gehalts- und Etatkürzungen, Arbeitsverdichtungen oder Arbeitszeitverlängerungen sowie ständigem Personalabbau und weiteren sozialen Einschnitten beglückt.
Durch die Privatisierungsbestrebungen wird der öffentliche Dienst ausgedünnt und viele ehemals garantierten Formen der Daseinsvorsorge für die Menschen immer mehr ausgehöhlt und abgebaut. Forciert von der Wirtschaft und gestützt von der Politik wirft der Staat Ballast ab, um sich auf die für ihn effizienten Bereiche zurück zu ziehen. Um dem Bürger aber das damit verbundene „neue Verständnis von Freiheit und Verantwortung“ zu vermitteln, hat sich nicht nur der amtierende Kanzler vom „klassischen Gewährleistungsstaat“ verabschiedet, der Rückbau staatlicher Wirkungsfelder findet mit breiter politischer Absegnung statt.
Die oben kurz angerissene staatliche Umorientierung basiert keineswegs nur auf den überall geäußerten „ökonomischen Sachzwängen“. Hinter den Schlagwörtern wie „Globalisierung“ oder „Eliteförderung“ stehen nicht allein abstrakte gesellschaftliche Gegebenheiten und „Zwänge“, sondern Menschen die ökonomische und politische Macht in den Händen halten und diese Entwicklungen steuern.
(Juli 2004)

Die Transformation des Bibliothekswesens in die Informationsgesellschaft

Staatlichen Aktivitäten sollen das markt- und privatwirtschaftliche Handeln soweit möglich stärken. Dieser Wille drückt sich darin aus, dass sich möglichst alles, natürlich auch im öffentlichen Dienst, nach betriebswirtschaftlichen Kriterien auszurichten hat. In diesem Rahmen wird den Behörden, Ämtern und Bibliotheken nahe gelegt, vermehrt betriebswirtschaftliche Instrumente anzuwenden.
In welchem Ausmaß hier von auch das Bibliothekswesen betroffen ist, bestätigen zum Beispiel die zahlreichen Schließungen von öffentlichen Stadtteilbibliotheken (allein ab 2000 wurden in Deutschland bis September 2004 über 120 solcher Schließungen aus über 50 Kommunen und Bundsländern gemeldet). Und so wird es nur noch eine Frage der Zeit sein, dass auch auf die sog. wissenschaftlichen Bibliotheken nicht mehr nur mit Kürzungen oder permanentem Personalabbau sondern auch mit Schließungen konfrontiert werden. Es spricht heute nichts mehr dagegen, altertümliche oder unwichtige Anhängsel (Hausbuchbindereien und -druckereien) mit denen kein „Staat“ mehr zu machen ist zu verscherbeln. Und danach ist dann das „Tafelsilber“ (Archive und Museen) dran. Zum Teil wird aber schon heute an die Schließung auch von Archiven und zumindest die Zusammenlegung von Museen gedacht.
Das Bibliothekswesen ist im gesamtgesellschaftlichen Prozess eingebettet,letzterer wird vom weltweit agierenden kapitalistischen Wirtschaftssystem dominiert und nur unter diesem Aspekt können die sich auch im kulturellen Bereich vollziehenden Entwicklungen richtig beurteilt werden. Dass die ersten Auswirkungen auf den Kultur- und Bildungsbereich konkrete Formen angenommen haben, zeigt sich an der Deutschen Bibliothek.
(August 2004)

Von der traditionellen Bibliothek zur Bibliothek der neuen Medien

Das zur Disposition gestellte Deutsche Musikarchiv (DMA). Seit der Vereinigung der beiden deutschen Staaten im Herbst 1990 hat die sog. Standortfrage im Zusammenhang mit dem nationalen Archivgut für bestimmte Interessengruppen aus Wirtschaft, Politik und Kultur – wobei eine Trennung, zwischen diesen drei Bereichen vielfach gar nicht gegeben ist – bis heute immer auf der Tagesordnung gestanden. Durch den Ende Januar 1997 bezogenen Neubau in Frankfurt (DBF) und den geplanten vierten Erweiterungsbau (2007) der Deutschen Bücherei (DBL) sind für absehbare Zeit die Weichen bezüglich der Standortfrage allerdings gestellt.
Aktuell zur Disposition steht seit etwa 2002 nur noch das DMA. Schon nach einigen Monaten wurde deutlich, in welche Richtung der Zug der Zeit fahren wird:
1.Aus dem Entwurf der Novelle des Gesetzes über die Deutsche Bibliothek wurde der Standort Berlin wieder gestrichen.
2.Schon seit längerem wurde geprüft, ob die Bestände des DMA in einem im Bauplan nachzurüstenden Untergeschoss in der DBL eingelagert werden können. Letzteres ist jetzt zumindest aus baulicher Sicht positiv entschieden worden. Damit ist das zukünftige Schicksal des DMA beschlossen und besiegelt. Das Musikarchiv wird am Standort Berlin aufgelöst und mit seinen Beständen in den Erweiterungsbau in Leipzig überführt werden, und zwar aus betriebswirtschaftlichen Motiven, etwas anderes spielt dabei keine Rolle. Das heißt aber zugleich auch, dass bis zu diesem Umzug, etwa im Jahre 2010 oder 2011, das Personal aufgrund der damit verbundenen Synergie-Effekte deutlich reduziert werden muss. So rechnet sich das betriebswirtschaftlich – und nur darauf kommt es an. Unter diesem Aspekt sind die Menschen lediglich Kostenfaktoren, die wie Sachen hin- und her geschoben, und wie hier, reduziert werden. Dieses Szenario ist ein weiterer Mosaikstein innerhalb jenes Geschehens, das sich inzwischen in deutschen Landen in verstärktem Maße vollzieht. Die derzeitige Entwicklung in der Automobilindustrie zeigt uns anschaulich die weitere perspektivische Entwicklung auf. Personalabbau auf breiter Ebene und Rückbau des Besitzstandes bei allen abhängig Beschäftigten. Bei Karstadt und bei Opel wird somit aktuell vorexerziert, wie der Abbau tariflicher Besitzstände nach Meinung von Wirtschaft und Politik abzulaufen hat.
(August 2004)

Der moderne Beschäftigte in staatlichen Bibliotheksdiensten

Die unter zunehmenden Druck stehende DDB wird aller Voraussicht nach verstärkt auf befristeten Stellen umsteigen. Außerdem spricht nichts dagegen, zukünftig auch die so genannten 1-Euro-Jobs in DDB zu nutzen. Die Voraussetzungen dafür sind gut: Der schrumpfende „erste“ Arbeitsmarkt wird davon angeblich nicht berührt und auf diese Weise kann außerdem der kulturelle Stellenwert von DDB reklamiert werden – in entsprechend angemessener, kostensparender Form versteht sich. In Frage kämen für diese „reizvollen Jobs“ zum Beispiel Bereiche wie die Magazin- und Archivverwaltung, Bücherausgabe, Poststelle, Boten- und Wachdienste und diverse Reinigungsarbeiten. Zwei bis drei Fach- oder Aufseher-Stellen je Sachgebiet, reichen dann aus, um einen reibungslosen Ablauf zu garantieren. Den Rest der noch ver- bleibenden festen Stellen verschiebt man in andere Referate – oder in den „Abbautopf“.
Der amtierende Innenminister hat seine Versionen vorgelegt, wie er sich den „neuen“ Beamten vorstellt. Durch ihn wird die Ausrichtung des Staatsdienstes auf die Wettbewerbsfähigkeit eingeläutet. Sein Nachfolger wird ab 2006 den in diesem Sinne begonnenen Rückbau des traditionellen Beamtentums weiter treiben. deshalb wird es künftig zu einer deutlicheren Annäherung zwischen den BeamtenInnen und anderen Arbeitnehmern kommen. Dem traditionellen Beamten werden sukzessive die vorhandenen „Vergünstigungen“ im Rahmen der Besoldung und der Arbeitszeitregelung weggestrichen. Dasselbe wird auch mit den traditionellen Angestellten und ArbeiterInnen geschehen. Wir gehen also modernen Zeiten entgegen, in der die Aneignung und Verwaltung von Kultur betriebswirtschaftlich gesteuert und an die „freie“ Marktwirtschaft angepasst werden soll – selbstverständlich ist DDB mit dabei.
(September 2004)

Vom traditionellen Staatsdiener zum modernen Dienstleister

Der Plan der Gewerkschaften, des Innenministers und des Beamtenbundes nicht nur die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes umzugestalten, sondern auch ein flexibles und leistungsbezogenes Beamten- und Besoldungsrecht zu schaffen, wird von den Medien und den Vertretern der freien Wirtschaft begeistert aufgenommen. Zusätzlich wird nachgelegt und mangelnde Reform-Radikalität beklagt. Die Frankfurter Allgemeine sieht zwar einen "Durchbruch", die Süddeutsche Zeitung hat jedoch "Appetit auf mehr". Der Chef von Ver.di hält sein Werk für einen "Meilenstein", die Stammtische und deren Presseorgan Bild sind sich ebenfalls einig: Es soll den Unkündbaren an die Wäsche gehen. Endlich soll es auch die treffen, die bisher von der Kündbarkeit ausgenommen sind. Das füllt zwar nicht des Volkes Geldbeutel, hebt aber offenbar die Stimmungslage der Kündbaren bei Lidl oder Vodafone und die der von Hartz IV bedrängten. Der erste Schritt ist mit dem neuen Tarifvertrag bereits
Fakt geworden – Schritt 2 folgt demnächst: Auch wenn die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme vorgibt, keine Veranlassung dafür zu sehen – noch nicht.
Woher kommen nun die schiefen Blicke auf die Staatsdiener, die der Kanzler bei Gelegenheit "faule Säcke" nennt (Berliner Zeitung 9.11.2003) und von denen der Arbeitgeberpräsident Hundt ganz genau weiß, dass sie "uns alle zu viel kosten"?
Noch im letzten Jahrhundert war es für die staatliche Dienstherrn eine Selbstverständlichkeit, Ihre Beamten ein Leben lang zu alimentieren, d. h. für ihr Auskommen bis zu ihrem Ableben mehr oder weniger üppig zu sorgen. Dem Staat war es offenbar wichtig, seine Beamten von den üblichen Unwägbarkeiten eines Lohnabhängigen im Kapitalismus freizustellen. Das hatte seinen Grund in den Inhalten dieses Berufsstandes: Der besteht z.B. im Exekutieren eines Stückes Staatsgewalt, das der Beamte vom Staat übertragen bekommt. Er vollzieht er hoheitliche Aufgaben. Anträge abzulehnen oder zu genehmigen oder Regungen der Bürger nach erlaubt und verboten zu sortieren, ist der Job der Beamten.
Der Beamte qualifiziert sich für diesen besonderen Dienst durch permanente staatsbürgerliche Gesinnung und Treue zur Verfassung. Dafür bietet dieses spezielle Dienstverhältnis ihm auch etwas, nämlich die Garantie der lebenslangen Versorgung Die staatliche Fürsorgepflicht kennt Kriterien, die in der freien Wirtschaft in der Regel nicht üblich sind: Dienstaltersstufen bei der Besoldung, Zulagen für den Familienstand und eben Alimentation und Unkündbarkeit.
Dieses Konzept des ausdrücklichen Verzichts auf die existenziellen Bedrohungen des „freien“ Arbeitsmarktes war von Anfang an auf die Belohnung für die erwartete besondere Treue und Pflichterfüllung ausgelegt. Ein Staatsdiener wird also nicht für bestimmte erbrachte Leistungen bezahlt, er wird für die Erfüllung seines Amtes alimentiert.
Die Eigentümlichkeiten der Beamtenbesoldung verdanken wir nicht einer besonderen Zuneigung des Staates zu seinen Funktionären, der Beamte soll durch die weitgeh- ende Befreiung von materiellen Zwängen treue Dienste leisten, so dass er ganz nach Vorschrift anderen welche machen kann. Auf die Bediensteten waren die politischen Organisatoren das letzte Jahrhundert noch ungemein stolz, hielten ihn für einen entscheidenden Pluspunkt ihres Gemeinwesens und empfahlen ihn weiter, so dass sich diese treue Spezies fast auf dem ganzen Erdenrund ausbreiten konnte.
So dachte man früher. Heute hat nicht nur das Volk sondern auch der Souverän seine Beamten nicht mehr so richtig lieb. Heute ist man unzufrieden mit seinen un- effizienten Untergebenen, heute klagen die Bundes- und Länderregierungen über die immensen Kosten ihres Staatspersonals. Die Finanzmittel, die dafür verausgabt wer- den müssen, werden heute zunehmend als überflüssige Kosten deklariert.
Das Ämter und Behörden bekanntlich keine Betriebe oder Konzerne sind, die Rentabilitätsrechnungen anstellen können, ist eine Binsenwahrheit. Seine Dienstkräfte arbeiten auch dann nicht wirtschaftlich, wenn ein modernes Verwaltungsmanagement sie mit neuen Leistungsanforderungen, einem flexiblen Besoldungssystem oder visionären Leitbildern bekannt macht. Sie erfüllen Staatsaufgaben.
Da man die neuen markt- und betriebswirtschaftlichen Visionen und die Erfüllung staatlicher Aufgaben nicht unter einen Hut bringen kann, steckt man sie in eine neue Verpackung: Aus einem Amt wird eine Agentur, aus einem Dienststellenleitung ein Verwaltungsmanagement, aus einem Verwaltungsakt ein Produkt, aus einer Gebühr der Preis für eine Dienstleistung und aus einer Leserin in einer Bibliothek eine Kundin im „Kompetenzzentrum“ (DDB-Leitbildentwurf).
Die betriebswirtschaftliche Effizienzgerede und das umher werfen mit im Trend liegenden Worthülsen ist die eine Seite, doch es gibt noch andere Aspekte in diesem Etikettenschwindel zu beachten: Durch eine Modernisierung der Verwaltung soll der Beamte fit und risikobereit gemacht werden für die Herausforderungen der neuen Zeit.
Das Schlagwort dazu heißt: Leistungskomponente. Mit dem Ziel der Leistungsorientierung im öffentlichen Dienst werden gewünschte Verknüpfungen zwischen Leistung und Bezahlung hergestellt. Indem der Beamte in eine organisierte Konkurrenz um Lohn, Gehalt und Arbeitsplatz eingebunden wird, indem die Bezahlung an die Leistung gekoppelt wird, unterwirft man ihn der Einkommensunsicherheit. Mit dieser Bedrohung, so hofft man, die „Motivation“ des Beamten zu erhöhen, gleichzeitig zielt man auf die Erhöhung unbezahlter Mehrarbeit ab.
Der angestrebte marktorientierte Umgang mit den neuen staatlichen Dienstleistern verbietet also die traditionelle Alimentierung des Personals. Wer jetzt noch glaubt, dass nun nach real aufgebrachter Leistung bezahlt werden soll, wird eines besseren belehrt werden: Die Eckpunkte- und Reformpapiere definieren vielmehr höhere Leistungsanforderungen und die Koppelung des Soldes an eine Mehrleistung.
Die Teile des „Humankapitals“ (Unwort des Jahres 2004), die in der freien Markt- wirtschaft schon immer diesen Bedrohungen (aktuelle Beispiele: Walter Bau und Deutsche Bank) und Unsicherheiten ausgesetzt waren, werden sich über die entprivilegierten Neuankömmlinge freuen. Die mediale Begleitmusik, die den Groll der Schlechtergestellten auf die noch besser gestellten Beamten virtuos bedient, zeigt Wirkung: Dass den "Sesselfu..." endlich Feuer unterm Hintern gemacht wird, kommt dem „Gerechtigkeitsempfinden“ der Stammtische und sicherlich auch anderen Be- drängten voll entgegen. Die Entrümpelung des öffentlichen Dienstes kann also gefahrlos exerziert werden. Einsprüche aus diesen Ecken sind nicht zu befürchten.
Da die Markwirtschaft immer weniger Sozialklimbim tragen will, wird im Verbund mit Staat und Politik unrentabler Schnickschnack abgeworfen. Indem der Staat uns suggeriert, seine Kassen schonen zu wollen, entzieht es sich seinen alten Verpflichtungen und forciert er die Gleichmacherei nach unten.
Die Ausgeschiedenen und ökonomisch Unnützen werden mit Hartz IV auf die reine Existenzabsicherung herabgestutzt. Der Beamte wird entprivilegiert und dem Lohnempfänger gleich gestellt. Allerdings nur fast: Die Privilegien sind zwar futsch, seine Amtsgewalt, seine hoheitlichen Aufgaben und den Schwur auf die freiheitlich-demokratischen Grundordnung darf er behalten.
Um die Loyalität des Personals brauchen sich die Reformer trotzdem keine Sorgen machen: Das Andocken des öffentlichen Dienst an die freie Marktwirtschaft, wird dafür sorgen, dass das Staatspersonal die Unsicherheit und Bedrohungen, die der Kapitalismus für die anderen Lohn- und Gehaltsabhängigen seit Jahrhunderten bereithält, möglichst hautnah zu spüren bekommt.
Und sollten jedoch immer noch die verbeamten LeserInnen dieser Zeilen die Achseln zucken über die kommende Entwicklung im öffentlichen Dienst, oder sich optimistisch dabei beruhigen, dass in deutschen Beamtenstuben die Sachen noch lange nicht so schlimm stehen, so rufen wir ihnen zu: De te fabula narratur! (Über dich wird hier geredet)

Das 3-Schichten-Beschäftigungssystem - eine Fiktion?

Die Reformierung des Staates wird fortschreiten, der klassische Beamte, Angestellte und Arbeiter wird langfristig verschwinden. An seine Stelle wird eine sozialökonomisch angepasste Spezies treten: Der „Standardmitarbeiter“ mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag. Er wird die zukünftige Basis unserer Ökonomie sein. Ihm zur Seite steht der „Saisonmitarbeiter“ mit einem zeitlich befristeten Vertrag, der als variables Humankapital, sehr gut in die zukünftigen flexiblen Konzepte und Entwicklungen des Bibliothekswesens passen wird. Ganz unten wird der „Servicemitarbeiter“ auf der Grundlage von 1-Euro-Jobs für die niederen Arbeiten angesiedelt sein.
Dass die Umwandlung des Status der Beamten und Arbeitnehmer derzeit etwas zäh abläuft, liegt an den noch bestehenden gesetzlichen und tariflichen Bedingungen. Teile des Kündigungs- und Rationalisierungsschutzes, der Mitbestimmungsgesetze und anderer noch bestehender Rahmenbestimmungen stehen der Umstrukturierung des „Standortes Deutschland“ im Wege. Viele Politiker wissen um die „hemmenden“ Problemfelder, die einer weiteren freien Entfaltung der Wirtschaft entgegenstehen. Über die Medien können wir täglich von den Bemühungen um die Beseitigung dieser Hemmnisse erfahren. Wenn es ihnen auch weiterhin gelingen wird, eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung zu erhalten, wird die „Befreiung“ des Beamten von alten Privilegien und die „Befreiung“ der Angestellten und Arbeiter von tariflichen Absicherungen im öffentlichen Dienst nur noch eine Frage der Zeit sein.
Den Saisonmitarbeiter gibt es schon heute. Dabei handelt es sich um den in den letzten Jahren immer mehr anwachsenden Kreis von Arbeitnehmern mit befristeten Arbeitsverträgen. Im Rahmen der Kostenreduktion und Personalentwicklung wird man auch in DDB bestrebt sein, ehemals feste Stellen in befristete umzuwandeln, denn mit vielen befristeten Stellen erhält man eine große, flexible Manövriermasse, mit der man auf kommende betriebswirtschaftliche Erfordernisse variabel reagieren kann. Es liegt also auf der Hand, solche Stellenumwandlungen im Rahmen des künftigen Bibliotheksmanagements zu favorisieren.
Über die 1-Euro-Jobs braucht man nicht mehr viele Worte zu verlieren. Wir haben die wichtigsten Bereiche, in denen sie zum Beispiel auch in DDB eingesetzt werden können, schon genannt. Wer das für Spekulation hält, den wird die Realität eines Besseren belehren.
(September 2004)

Die Kostenreduktion als höchste Priorität in der Deutschen Bibliothek

In einem Artikel über die Haushaltsnöte der DDB (S.Jockel / E.Niggemann: Die Deutsche Bibliothek in Haushaltsnöten, Dialog mit Bibliotheken, 2004, Heft 3) wird angesprochen, dass jährlich 20 abzubauende Stellen kompensiert werden müssen und Kostenreduktion höchste Priorität hat. Es stellen sich nun viele Fragen:

  • Welche Werkzeuge werden bis zum Jahr 2007, in dem bei unvermindertem Kostentrend alle Haushaltsgelder für das Personal aufgezehrt sein werden, für wirksame „Notbremsung“ (ebenda, S.6) benutzt?
  • Setzt man die Hoffnung auf freiwilligen Verzicht von Urlaubs- und Weihnachtsgeld oder anderer Zuwendungen? Wird man hierbei erstmals mit betriebsbedingten Kündigungen und erzwungenen Umsetzungen operieren?
  • Wie will man den „dramatischen Auswirkungen“ (ebd.8) der Unterbesetzung Einhalt gebieten?
  • Wie will man in diesem Rahmen das Kunststück schaffen, die Motivation oder die Zufriedenheit des Personals zu fördern, zu stärken und zu verbessern? Was wird man tun, um das Humankapital an die neuen Aufgaben „einer modernen Bibliothek“ (ebd.10) anzupassen?
  • Ebenso bleibt die Frage unbeantwortet, wie man bisher noch unerkannte Rationalisierungspotenziale aufspüren und erkennen will?
  • Mit welchen Instrumenten will man „technologische Rationalisierungspotenziale“ (ebd.8) ausschöpfen?
  • Wie sehen die Konzepte aus, mit denen man die vermeintlichen Kostentreiber aufspüren und beseitigen will?
  • Will man auch das Personal an der Erarbeitung und Verabschiedung solcher Konzepte beteiligen, und wenn ja, wie?

Aus dem Artikel lässt sich zudem entnehmen, dass eine verstärkte Umorientierung und Hinwendung zu den so genannten neuen Medien (ebd.) unter Vernachlässigung der konventionellen Bestände und ihrer Bestandspflege stattfindet. Die bisherigen Gespräche um das neue Gesetz Der Deutschen Bibliothek haben aber auch aufgezeigt, dass der Bund selbst hierfür kein Geld ohne Vorleistungen seitens DDB locker machen wird. Die Mittel hierzu muss man, wohl oder übel, aus dem eigenen beweglichen Bestand erbringen. Die Weichen sind offenbar schon gestellt worden. Denn die Bemerkung, dass die Hinwendung zu neuen Medien zu einer „Ausweitung der Aufgaben“(ebd.) führt, wird damit beantwortet, dass man eine „grundsätzliche Aufrechterhaltung der Aufgabenerfüllung – wenn auch auf anderem Niveau“ (ebd.11) zulassen will. Anfänge für eine Absenkung des Niveaus bahnen sich bereits mit den „Integrationsbestrebungen“ des Berliner Musikarchivs in die DBL an.
(Oktober 2004)

Ver.di & Consorten – Die Modernisierer des öffentlichen Dienstes

Das bestehende Tarifsystem im öffentlichen Dienst scheint der beruflichen Weiterentwicklung nicht mehr gerecht zu werden. Ein neues einheitliches, alle Berufsgruppen umfassendes Tarifgefüge mit Entgeltgruppen, die dabei für alle nach neuen Kriterien wie z.B. Berufserfahrung und Ausbildung festgelegt werden, ist angedacht worden. Ein Schlagwort ist die „Reformierung des öffentlichen Dienstes“. An diesem Diskussionsstand knüpfen mehrere „Eckpunktepapiere“ bzw. „Prozessvereinbarungen“ von Ver.di, dem Deutschen Beamtenbund (dbb) und den öffentlichen Arbeitgebern an.
Diese Bestrebungen und die oben genannten „Reformpapiere“ waren auch Thema eines Ver.di-Vertreters auf der Personalversammlung der DDB in Frankfurt im November 2004:
Entgegen der positiven Darstellung dieses Themas durch den Ver.di-Referenten T.M. geht es bei den Reformkonzepten um etwas grundsätzlich anderes. So heißt es etwa in dem Eckpunktepapier, daß „das (bisherige) Bezahlungssystem dem Bund und den einzelnen Ländern zu wenig Gestaltungsspielraum (bietet), um den regional unterschiedlichen wirtschaftlichen, arbeitsmarktpolitischen und finanziellen Bedingungen Rechnung tragen zu können“. Die Pläne zur Tarifrechtsreform seien in den „allgemeinen, breit angelegten Reformprozess eingebunden“. In diesem Zusammen- hang werden die Stichworte Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung genannt. Wer bis hier noch nichts Böses dachte, sollte nun spätestens alarmiert sein. Es folgen dann im Text auch die schon notorischen Zauberworte „Eigenverantwortung“, „Leistungsbereitschaft“, „Leistungsorientierung“, „Kostenorientierung“, und natürlich soll alles „diskriminierungsfrei“ gestaltet werden. Im Rahmen der Kostenneutralität steht künftig Bewährung auf der Basis eines unteren Ausgangswerts für die Beschäftigten an. Diese kann durch so genannte zusätzlich zu erbringende Leistungen erfolgen und wird mit Mehrverdienst gegenüber dem Basisentgelt honoriert. Der Basiswert wird in diesem Modell mit 90% veranschlagt und kann bei „leistungs- starken“ Mitarbeitern auf 110 % anwachsen.

Das bedeutet in der Praxis:

1. Eine Diffamierung der Beschäftigten, denen unterstellt wird, dass sie bisher schlecht gearbeitet hätten und erst ein Prämiensystem korrekte Arbeit erzwingen könne.

2. Die Gründe, warum jemand möglicherweise dann besser als die anderen ist oder umgekehrt, werden als subjektive Tüchtigkeit bzw. subjektives Versagen gewertet. Anstatt im Rahmen eines Personalkonzeptes zu untersuchen, wo evtl. die Ursache liegt, die durchaus auch außerhalb des zu Bewertenden liegen kann.

3. Die im Rahmen des Arbeitsvertragsrechts bestehende Erfüllungspflicht beider Vertragspartner ist fortan für die Arbeitgeberseite nur noch eingeschränkt existent. Bisher oblag beiden Vertragsparteien die Erbringung einer Leistung: Der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers stand die Entgeltleistung des Arbeitgebers gegenüber. Künftig liegt es in der Macht und im Ermessen des Arbeitgebers, über den Umfang der Entgeltleistung im Zweijahresrhythmus selbst zu entscheiden. Höher- oder Rückstufung innerhalb dieses Systems werden den Vorgesetzten zugemutet.

4. Dem Personalrat kommt in diesem System die Aufgabe einer Kontrollinstanz (Aufpasserfunktion) zu, der es obliegt, Kriterien zur Leistungsfeststellung und -überwachung festzulegen und durchzuführen. Seine originäre und primäre Funktion als Interessenvertretung der Beschäftigten tritt zurück hinter der neu erwachsenen Aufgabe der Mitarbeiterevaluierung.

5. Der Begriff und das System „Leistung“ wird nicht hinterfragt. Es wird an einem antiquierten System aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert (Fließbandarbeit u.a.) festgehalten und auf das 21. Jh. übertragen. Unfreiwillig brachte der Ver.di-Referent die Absurdität des neuen Entgeldsystem auf den Punkt, als er einen zukünftig Betroffenen mit der Frage zitierte „Soll ich jetzt mit meinem Bus eine Runde mehr drehen, um mehr Leistung zu erbringen?“

6. Ellenbogengesellschaft und Konkurrenzkampf stehen auf der Tagesordnung. Solidarität und gemeinsames Interesse der Beschäftigten verschwinden hinter zahlreichen Partikularinteressen. Nicht einmal innerhalb einer Gehaltsgruppe kann sich Gemeinsamkeit behaupten. Das Prinzip heißt von der Kollegin zur Konkurrentin. Referent T.M. selbst sprach von „Gewinnern und Verlierern“ und zeigte damit, wo es künftig lang geht.

Mit der Prozessvereinbarung auf Raubzug: Die Arbeitskraft als Beute

Wir lehnen das von Ver.di, dem dbb und den öffentlichen Arbeitgebern geplante Eckpunktepapier sowie die Prozessvereinbarung ab. Getreu dem Motto „jeder seine eigene Ich-AG“ bahnen sie den Weg zur Isolierung der Arbeitnehmer voneinander. Die projektierte „Leistungsorientierung“ beim Entgeltsystem schafft für die Beschäftigten eine Zone der Unsicherheit und Ungewissheit in Permanenz. Dies wird ansatz- weise bereits mit dem Prinzip der Leistungsprämien, wie es kürzlich für Beamte vom Bund eingeführt wurde, praktiziert. Unter den Begriffen "Entbürokratisierung" und "Modernisierung" läuft der Angriff auf ein Tarifsystem, für das die Arbeitnehmer und (damals noch) Gewerkschaften viele Jahre gekämpft haben. Der Geist beider Vereinbarungen besagt, dass Gehalt nicht mehr ein gesichertes und kalkulierbares Anrecht im Gegenzug zu geleisteter Arbeit ist, sondern vom Arbeitgeber gewährt wird, wie besagter Vertreter von Ver.di auf der Personalversammlung formulierte. Für das Prämiensystem wählte dieser den trefflichen Begriff „Jackpot“. Unter dem Fetisch Leistung (als würde bisher nichts geleistet) werden die Beschäftigten eingestimmt, organisiertes (Ver)handeln gegen ihre eigenen Interessen zu akzeptieren. Gehaltsabsenkung heißt in der Terminologie der Anpassung Gerechtigkeit. Wir verstehen die Orwellsprache der Marktpropheten und ihrer Laienprediger sehr gut. Bei der Prozessvereinbarung geht es um nichts anderes als die Beihilfe zum Gehaltsraub an vielen tausend Beschäftigten. Dies wird von Ver.di und dem dbb (Presseerklärung der DDB vom 28.1.2005) gemeinsam mit den Arbeitgebern gegen die Einkommensabhängigen betrieben.
(November 2004)

Die Tarifreform – „Durchbruch geschafft“

Der im Februar 2005 abgeschlossene Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst – formal zunächst nur für den Bund und die Kommunen – besitzt innerhalb der westdeutschen Tarifgeschichte eine neue Qualität. Dies auf Grund der damit verbundenen negativen Weichenstellungen und der damit verbundenen Selbstkastrierung einiger bisher elementarer Positionen der Gewerkschaften. Die Opfer dieses ab dem 1. Oktober 2005 in Kraft tretenden Abschlusses werden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes sein.

Was vordergründig als ein „modernes, leistungsorientiertes und transparentes Tarifrecht“ für eine „moderne Verwaltung“ verkauft wird, entpuppt sich bei genauerem Hinschauen weitgehend als Rohrkrepierer und als Prozess der Selbstbeschneidung der Gewerkschaftsrechte und der zunehmenden Selbstaufgabe von Arbeitnehmerrechten. Im Folgenden sollen die dicksten Brocken genannt werden:

1. Die Arbeitszeit, die unter Punkt 5 des Vertragswerks mit 39 Stunden pro Woche, also eine Stunde weniger für die ostdeutschen Beschäftigten und eine halbe Stunde mehr für die Westdeutschen Beschäftigten verkauft wird, stellt tatsächlich ein auf tönernen Füssen stehendes Scheinergebnis dar. Dieses Täuschungsmanöver entlarvt sich sodann unter Punkt 7 des Tarifvertrags. Das erste Mal in der Geschichte hat hier eine Gewerkschaft ohne Not eine negative Öffnungsklausel akzeptiert und bereits jetzt verbindlich festgeschrieben. Das bedeutet also, dass das schlechteste bei den kommenden Tarifverhandlungen auf Länderebene ausgehandelte Tarifergebnis zur Arbeitszeit verbindlichen Grundlage für den Bund wird. Somit sind die 39 Stunden bald vom Tisch. Wenn künftig in mindestens einem Bundesland die 42-Stunden-Woche vereinbart werden sollte, dann hat dieser Abschluss auch Gültigkeit für die Bundesbehörden, also auch für Die Deutsche Bibliothek.

2. Dieselbe negative Öffnungsklausel gilt auch für die Jahressonderzahlung, die an die Stelle des bisherigen Urlaubs- und Weihnachtsgeldes tritt. Diese Sonderzahlung wird ebenfalls an das schlechteste mit irgendeinem der Bundesländer ausgehandelte Ergebnis angepasst. Weil aller Wahrscheinlichkeit nach in einem Bundesland schlechtere Margen ausgehandelt werden, sind die Ausführungen unter Punkt 4 des Tarifvertrages schon jetzt so gut wie Schall und Rauch. Diese gelten ab dem 1. Oktober 2005 dann auch verbindlich für den Bund.

3. Die Überleitung der derzeitigen Vergütungsgruppen und Lohngruppen auf der Grundlage neuer Bewertungsmerkmale in die 15 neuen Entgeltgruppen ist für die Betroffenen völlig undurchsichtig und nicht nachvollziehbar. Soweit aus dem Tariftext geschlossen werden kann, wird dies – ohne die Betroffenen vor Ort mit einzubeziehen – noch in einer „erweiterten Lenkungsgruppe“ ausgehandelt. Niemand weiß also, was in den folgenden Jahren auf ihn zukommt: von Transparenz (siehe in der Einleitung zum Tarifvertrag) also keine Spur.
Schon heute ist anzunehmen, dass eingedenk der angestrebten Besitzstandwahrung für ältere Beschäftigte dieser Vorgang kostenneutral verlaufen soll. Unterm Strich bedeutet dies, dass das Einkommensniveau zwingend gesenkt werden muss. Das aber lässt sich nur dadurch erreichen, indem man einen großen Teil der bisherigen Vergütungs- und Lohngruppen im Bewertungsniveau gegenüber dem jetzt noch geltenden Stand absenkt. Am stärksten werden vermutlich die unteren der mittleren Gruppen betroffen sein. Des Weiteren dürften auch jene Berufsgruppen, die keine starke Lobby haben, wie zum Beispiel auch die Bibliotheksbeschäftigten, gegenüber bestimmten anderen Gruppen (z.B. der Verwaltungsbereich) benachteiligt werden und sich dann vermutlich in den unteren Entgeltgruppen wieder finden.

Für die Beschäftigten in den nicht so hohen Vergütungs- und Lohngruppen, die bisher zumindest die Chance hatten, nach einigen Jahren durch einen Fallgruppen- oder Bewährungsaufstieg in eine oder in mehrere höhere Gruppen eingereiht zu werden, ist diese Möglichkeit in Zukunft nicht mehr gegeben. Beschäftigte, die zum Beispiel schon sieben oder acht Jahre auf den Bewährungsaufstieg von BAT VII nach BAT VIb hingearbeitet haben, werden nun durch die Überleitung in die neuen Entgeltgruppen das Nachsehen haben.

Der angelaufene „Modernisierungsprozess“ wird für viele Beschäftigte strukturelle Schlechterstellungen zur Folge haben. Nutznießer der Verbesserungen werden lediglich Teile des sog. mittleren und höheren Managements sein.

4. Das Fatale bei den „Leistungsprämien“ nach Punkt 3 des Tarifvertrags sind zwei Sachverhalte: – Zum einen wird das für diese Prämien zur Verfügung stehende Volumen von zunächst 8% und ab 2007 dann von 1% der Entgeltsumme der Tarifbeschäftigten des jeweiligen Arbeitgebers aus der Jahressonderzahlung entnommen. Da hier Kostenneutralität verlangt wird, wird Prämienbegünstigung einiger Beschäftigter zu einer Benachteiligung anderer Beschäftigter führen, egal, ob letztere berechtigt ist oder nicht. – Zum anderen ist beabsichtigt, hierbei die jeweilige Personalvertretung vor Ort mit zu vereinnahmen, also mit ihr das Vergabeverfahren auszuhandeln.
Bei der künftigen „leistungsorientierten“ Bezahlung werden durch die verordnete Kostenneutralität die einzelnen Beschäftigten gegeneinander ausgespielt. Für die Personalvertretungen besteht die berechtigte Sorge, dass den nun mit eingebundenen Personalräten für entstehende „Ungerechtigkeiten“ stets der Schwarze Peter in die Schuhe geschoben werden kann. Eine Personalvertretung kann in dieser neuen Arena schnell ins schleudern kommen: Hier mitzubestimmen zu müssen und gleichzeitig die einzelne Rechte der Beschäftigten vertreten zu wollen ist höchst problematisch.

Der Reallohnverlust bei verlängerter Arbeitszeit wird also weiter zunehmen und ein Ende ist nicht abzusehen. Dieser Trend, der nicht erst mit diesem „fortschrittlichen Tarifwerk“ seinen Anfang genommen hat, wird sich, wie oben beschrieben, mit der „Reformierung“ des Beamtenrechts fortsetzen. Schlimm, dass diese Entwicklung im Namen der Gewerkschaften erfolgt.
(Februar 2005)

Personalratsarbeit im Widerstreit: Minderheitenputsch in Frankfurt

Im Verlaufe der fast einjährigen Arbeit des Gremiums (April 2004 bis März 2005) ver- trat eine Mehrheit des ÖPRs den Anspruch, PR-Arbeit solle sich nicht auf Co-Management beschränken, sondern die im Rahmen des „BPersVG“ zur Verfügung stehenden instrumentellen Möglichkeiten im Interesse der Beschäftigten nutzen (z.B. Initiativanträge, Ausschöpfen der Möglichkeiten des Rechts auf Mitbestimmung). PR-Arbeit lebt davon, Mitarbeiterinteressen in Sachfragen überhaupt erst einmal zu definieren und dann zu vertreten. Dies geht aber nur dort, wo ein Gremium im Spannungsfeld zwischen Mitarbeiterinteressen und Dienststellenleitung auf einen unabhängigen Blick bedacht ist.
Mit anderen Worten: Innerhalb des Gremiums bestand eine grundsätzliche Differenz bezüglich des Verständnisses der Inhalte von Personalratsarbeit. Strittig waren die Auffassung von Aufgabe und Funktion des Gremiums gegenüber der Dienststellenleitung, der aktuellen Gewerkschaftspolitik sowie in der Einschätzung der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen unserer Arbeit.
Der Rücktritt (Ende Februar 2005) einer Minderheit des Gremiums war Folge dieser Widersprüche. Er erfolgte als taktischer Schritt und Zwischenstation auf dem Weg zu Neuwahlen. Nach unserer Einschätzung geht es darum, die derzeitige Minderheitsposition im neu gewählten Gremium wieder mehrheitsfähig zu machen. Unter diesen Voraussetzungen wäre eine geschäftsführende Weiterarbeit des verbliebenen Restgremiums sinnlos geworden.
Die Auseinandersetzung mit den zukünftigen Arbeitsbedingungen des öffentlichen Dienstes (Leistungslohn / Reallohnverluste durch neues Tarifvertragsrecht für Teile der Belegschaft, Arbeitszeitverlängerungen, Stellenreduzierungen) hätten einem konsequent für Mitarbeiterinteressen eintretenden Personalrat zahlreiche Arbeitsfelder geboten. Dem entschiedenen Eintreten für die Beschäftigten in diesen Konfliktfeldern sowie der bisherigen konstruktiven Arbeit des ÖPR ist aber aus den genannten Gründen ein Ende bereitet worden.
(März 2005)

Norbert Cobabus / Dag Maaske / Thomas Ristow
24. März 2005


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