Dienstag, 17. August 1999, 10:33 Uhr
Von AP-Korrespondent Claus-Peter Tiemann
Hamburg (AP) Der Frachter «Verona» ist einer der traurigsten Anblicke im Hamburger Hafen: Das angerostete Schiff liegt seit Anfang August mitten in einem Hafenbecken an Befestigungspfählen, so genannten Duckdalben. Für einen ordentlichen Liegeplatz an der Kaimauer ist kein Geld da, denn die schwedischen Reeder haben die «Verona» offenbar aufgegeben. Die acht Männer der Crew warten ohne Proviant auf ihre Heuer, sie leben von Lebensmittelspenden einer privaten Hilfsorganisation. «Das erlebe ich zum ersten Mal, dass ein Reeder sein Schiff einfach so aufgibt», empört sich Ulf Christiansen von der Internationalen Transportarbeiter-Föderation (ITF).
Die vier Polen und vier Philippiner auf der «Verona» wollen nur noch ihr Geld und dann nach Hause. Die schwedischen Reeder Staffan und Jens Holm schulden der Crew laut ITF noch rund 70.000 US-Dollar (126.000 Mark). In Hamburg kommen die Männer nur über die Runden, weil die Hilfsorganisation «Hamburger Tafel» ihnen Lebensmittel zur Verfügung stellt, die ein Boot der Wasserschutzpolizei aus Freundlichkeit am Schiff vorbeibringt. Und weil man im Hafen zusammenhält, können die Männer nun auch ab und zu von Bord: Das Rettungsboot der «Verona» lässt sich zwar nicht zu Wasser bringen, aber ein Barkassenunternehmer hilft kostenlos.
Überhaupt ist die Schiffssicherheit übel: Das Funkgerät ist ausgebaut, eine Notpumpe für die Feuerlöschanlage fehlt, das Sicherheitszeugnis, eine Art Schiffs-TÜV ist abgelaufen. «Doch im Vergleich zum Wert so eines Schiffes sind das «Peanuts», sagt Ingo Ehmer von der See-Berufsgenossenschaft.
Die schwedischen Reeder-Brüder sind der ITF schon früher aufgefallen: Erst im März musste die Gewerkschaft ebenfalls für die «Verona»-Crew 109.000 Dollar (196.000 Mark) eintreiben. Doch zurzeit scheitern laut Christiansen schon alle Versuche zu Kontaktaufnahme, weil die Schweden auf eine Briefkastenfirma auf Malta verweisen würden, die angeblich Besitzer der «Verona» sei.
In den letzten Jahren haben Reeder laut ITF 199 Mal ihre Schiffe irgendwo in der Welt im Stich gelassen. So versuchen sie, sich um die Kosten für das Abwracken herumzudrücken. Die 25 Jahre alte «Verona» allerdings ist nach Expertenmeinung trotz der Sicherheitsmängel noch kein Fall für den Schweißbrenner. Möglicherweise versuchen die Reeder, die Besatzung einfach auszuhungern und sie so zum Verlassen des Schiffes zu zwingen, um die Heuer nicht mehr zahlen zu küssen. Laut ITF ist so etwas schon vorgekommen. Den Matrosen fehlen oft die Mittel, um vor Gericht ihr Recht durchzusetzen.
Die Reeder in Stockholm wollten sich zu den Gewerkschaftsvorwürfen nicht äußern. Bei Nachfragen werden Journalisten an die Handynummer eines der Holm-Brüder verwiesen, wo nie jemand abnimmt.
Die Transportarbeitergewerkschaft zielt in der Kritik aber nicht nur auf die Reeder: Auch die Hamburger Behörden tun nach Ansicht der ITF nicht genug für die Crew der «Verona». Christiansen fordert eine behördliche Stelle, die gestrandeten Crews hilft und sich das Geld dann beim Flaggenstaat des Schiffes wiederholt. Bei der «Verona» wäre das Malta, das in Schifffahrtskreisen einen schlechten Ruf als Billigflagge hat. Die ITF will jetzt mit weiteren arbeitsrechtlichen Schritten das Geld der Crew eintreiben. Die Männer können nur warten.
Quelle: http://www.yahoo.de/schlagzeilen/19990817/vermischtes/0934875258-00000016 18.html