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Updated: 18.12.2012 15:51
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Bericht über den Besuch der Streikposten der Herweg Busbetriebe GmbH (HBB) in Leverkusen am Sonntag, 28. März 2004 durch einen Vertreter des Handwerksausschusses der IGM, Vst. Frankfurt sowie Solidaritätserklärung des Ausschuss für Handwerk, Holz und KMU (Klein- und Mittelunternehmen) der IG Metall, Verwaltungsstelle Frankfurt

29.03.04

Bericht über den Besuch der Streikposten der Herweg Busbetriebe GmbH (HBB) in Leverkusen am Sonntag, 28. März 2004 durch einen Vertreter des Handwerks¬ausschusses der IGM, Vst. Frankfurt

Bei schönstem Sonnenschein wurde ich am Bahnhof in Leverkusen von zwei freundlichen Kollegen empfangen, mit ihren Kampftüten deutlich als Streikposten zu erkennen. Vor der Werksausfahrt waren weitere 20-30 Kollegen versammelt. Wir begrüßten uns herzlich, stellten uns vor beim Kaffee im Streikzelt. Dann aber lauschten alle gespannt der Solidaritätserklärung. Beifall gab’s für die Frankfurter, die trotz der Medienzensur Anteilnahme und Unterstützung organisierten. Die mitgebrachte IGM-Fahne wurde gleich medienwirksam postiert und auf dem Gruppenfoto festgehalten.

Viel interessanter noch waren die Gespräche. Der Streik entbrannte, als die HBB sich weigerte, mit ver.di in Tarifverhandlungen zu treten. Schließlich fordern die Busfahrer zurecht gleichen Löhn für gleiche Arbeit. Für die Beschäftigten in der Kraftverkehr Wupper-Sieg AG (KWS) gilt der Tarif von ver.di. In einer Stadtverordnetenversammlung wurde gemunkelt, die 70 000 €, um den HBB-Kollegen ver.di Löhne zu zahlen, würden ja nicht so wehtun. Eine Million muss gespart werden. Allen Beschäftigten der KWS wurde der Besitzstand garantiert – doch wo soll die Million denn sonst herkommen? Mit den Billiglöhnen soll Druck auf die KWS-Kollegen ausgeübt werden. Die Kollegen fordern ver.di Tarife für alle, ohne wenn und aber.

Der Streik hat bundesweite Bedeutung, da er vor dem Hintergrund der Angriffe auf die Flächentarifverträge durch die Konzerne und auf die Tarifautonomie durch die Regierungen hier eine Spaltung der Belegschaft und die Einführung von Dumpinglöhnen erfolgreich verhindern kann, als wichtige Erfahrung und Motivation für die ganze Arbeiterklasse. Er ist gut organisiert, sucht die Unterstützung durch die Bevölkerung und ist der längste Tarifstreik in der Geschichte der BRD. Besonders wichtig wäre aber auch die Solidarität der ganzen Arbeiterklasse. Die Zensur durch die Medien und die Behinderungen des Streiks sind besonders zäh. „Es gibt doch ein Recht auf Solidaritätsstreiks,“ meint ein Kollege. “Wir fahren dieselben Busse, essen in derselben Kantine, nutzen dieselben Toiletten und die HBB ist 100 % Tochter der KWS. Das Arbeitsgericht in Leverkusen hatte Solidaritätsstreiks der KWS-Fahrer erlaubt, das Landesarbeitsgericht in Düsseldorf aber verboten. Natürlich geht ver.di in Berufung, wenn die Urteilsbegründung da ist. Aber die lässt wohl auf sich warten, bis der Streik vorbei ist. Dann kann da ja auch der letzte Blödsinn drin stehen. Aber wir sind ja nicht wehrlos. Vor dem politischen Urteil des Landesarbeitsgerichts gab es 7 Solidaritätsstreiks, seit dem Urteil ist der Krankenstand in der KWS plötzlich um 10 % gestiegen.

Die Streikenden sind sehr rege. 6000 Unterschriften für die Unterstützung des Streiks wurden unter der Bevölkerung gesammelt, es gibt Fahrradtouren und Autokorsos, Infostände und Flugblätter vor den Schulen. Sie würden auch gerne im Unterricht den Schülern Rede und Antwort stehen, sind doch die Schüler besonders vom Streik betroffen. Aber da machen die Schulen nicht mit. Von den Politikern in den Parlamenten sind sie besonders enttäuscht. Da wollen sie noch viel mehr Druck machen.

Auch mit den Medien sind sie sauer. Anfangs wurde hin und wieder berichtet, jetzt so gut wie nichts mehr. „Dass die RF-news als einzige immer wieder über den Streik berichten, ist richtig. Wenn der Vorwurf kommt, wir hätten ja Kommunisten dabei, dann hab ich da kein Problem damit. Dann sag ich einfach: schickt fünf von Euch, dann seid Ihr in der Überzahl. Wer unseren Streik unterstützt, ist immer willkommen.“

Die Auseinandersetzungen um die Streiktaktik sind geprägt von vielen Kollegen aus verschiedenen Ländern und Streikkulturen. Für die polnischen Kollegen, die schon bei den Massenkämpfen von Solidarnosc bis zum Sturz der Regierung dabei waren, ist das noch gar nichts, andere sind weniger auf große Aktionen orientiert. Die Kollegen werten vielfältige internationale Streikerfahrungen aus und wenden diese auf deutsche Verhältnisse an. Natürlich ist das nicht immer ganz einfach, doch es kommt darauf an, ob die Kollegen das als Problem verstehen oder als Chance annehmen.
Viele befristete Kollegen sind beim Streik dabei, ein paar Verträge sind inzwischen ausgelaufen. Deshalb wurde der Arbeitskampf um die Forderung, Wiedereinstellung aller befristeten Kollegen, erweitert. Zu verhandeln gibt es da nichts. Die Kollegen, die jetzt Arbeitslosengeld erhalten, werden von der Streikkasse bis auf die Höhe des Streikgeldes unterstützt. Andere Kollegen hätten noch keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Da könnte die Gewerkschaft laut Satzung auch kein Streikgeld bezahlten – also wären sie mit allen Konsequenzen auf Sozialhilfe angewiesen. Deshalb arbeiten ein paar dieser Kollegen weiter, werden aber nicht als Streikbrecher angesehen. Diese Kollegen würden es als erniedrigend ansehen, Spenden für den Lebensunterhalt anzunehmen. Dies trifft auch auf meinen Vorschlag zu, den Fonds Arbeiterkämpfe von Solidarität International für den Lebensunterhalt dieser Kollegen zu nutzen und über eine Spendensammlung den Kampf der HBB-Kollegen bekannt zu machen. Dieses Problem muss die Arbeiterklasse noch lösen, um sich nicht durch Folgen von reaktionären Gesetzen spalten zu lassen.

Nach 3 Stunden verabschiedete ich mich wieder von den gastfreundlichen Kollegen. Als Trophäe bekam ich noch eine ver.di-Streik-Kampftüte für den Handwerksausschuss in Frankfurt. Zum Schluss wurde mir noch unsere Frage nach dem Umgang mit den Existenzängsten der Kollegen beantwortet: „Stell Dir doch mal vor, Du hast 100 Menschen im Bus, das ist eine Verantwortung wie ein Pilot. Wir arbeiten jetzt für einen Stundenlohn von 10 €. Das macht bei 200 Stunden im Monat etwa 1300 € netto. Ich hab eine Frau und 2 Kinder. Ohne Auto kann ich nicht zur Arbeit, Busse fahren ja noch nicht. Das Geld reicht nicht zum Leben, aber bevor ich für Wohngeld zum Wohnungsamt gehe, streike ich lieber!“


Solidaritätserklärung

Ausschuss für Handwerk, Holz und KMU (Klein- und Mittelunternehmen)
der IG Metall, Verwaltungsstelle Frankfurt
25. März 2004

An die Busfahrer der Herweg Busbetrieb GmbH (HBB)

Liebe Busfahrer der Herweg Busbetrieb GmbH (HBB), lieber Solidaritätskreis,

seit dem 9. Januar um 4 Uhr steht Ihr im Erzwingungsstreik für die Durchsetzung eines gültigen Tarifvertrages. Die Kollegen sind dem Streikaufruf von ver.di nahezu geschlossen gefolgt. Heute steht Euer Streik in der 11. Woche.

Gerade heute, vor dem Hintergrund der Angriffe auf die Flächentarifverträge durch die Konzerne und auf die Tarifautonomie durch die Regierung, ist das ein deutliches Zeichen, dass die Arbeiter nicht alles mit sich machen lassen und selbst für ihre Interessen kämpfen und Erfolge haben können. Selbst der Drohung, die Buslinien an andere Gesellschaften zu vergeben und Euch zu kündigen, habt Ihr widerstanden und nicht nachgegeben. Ihr setzt Maßstäbe im Kampf gegen die Spaltung der Arbeiter und Einführung von Dumpinglöhnen.

Euer Streik wirkt weit über Leverkusen hinaus. Wir können von Euren Erfahrungen bestimmt noch was lernen. Was uns besonders interessieren würde, ob und wie Ihr in der Vorbereitung und im Streik neue Mitglieder für die Gewerkschaft gewonnen habt und wie Ihr mit den Existenzängsten der Kollegen umgeht.

Wir Handwerker grüßen Euch herzlichst aus Frankfurt/M und wünschen Euch viel Mut, Ausdauer und vor allem viel Erfolg. Euer Kampf geht uns alle an. Wir werden Euren Arbeitskampf weiter verfolgen und in unserem Gremium und unter unseren Kollegen darüber berichten. Für Eure Streikkasse haben wir heute 90 € zusammen¬gelegt, die wir Euch mit diesem Brief übergeben möchten.

Mit solidarischen Grüßen,

Ausschuss für Handwerk, Holz und KMU
i. A.
Einstimmig beschlossenim April 2004

Weitere Informationen und Bilder sind zu finden unter: www.verdi.de , www.rf-news.de oder natürlich vor Ort


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