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Media Markt: Erster Betriebsrat gegründet – von 133 möglichen

Taft Hartley’s "Interessenvertretungsverhinderungsgesetze" braucht es gar nicht: Nicht nur in den USA, auch in der BRD sind massive Störmanöver bei der Bildung von Interessenvertretungen möglich und auch üblich – ganz legal. So ist die Verhinderung von Betriebsräten in "Media Märkten" offenbar Bestandteil einer expliziten Strategie der Kette, zu der 133 Niederlassungen gehören – bis vor kurzem sämtlich betriebsratsfrei. Um das zu erreichen war in vielen Fällen offenbar der Verweis auf "gemeinsame Interessen" von Belegschaften und Marktleitungen ausreichend, dem man mitunter durch entsprechende Drohungen, üblicherweise jedoch durch rechtzeitige Gehaltserhöhungen, Parties und andere Instrumente aus dem Werkzeugkasten paternalistischer Unternehmenshochkultur Nachdruck verlieh. Nur in der Heidelberger Niederlassung der Media-Saturn Holding, die zu 72 Prozent dem Metro-Konzern gehört, reichten die legalen Mittel offenbar nicht aus. Wie ging es weiter in der Auseinandersetzung, über die wir in express 5/2000 berichtet hatten?

Zur Erinnerung: Hohe, unentgoltene Überstundenzahlen, willkürliche Versetzungen und weitere Missstände hatten einige der dort Beschäftigten dazu gebracht, die Gründung eines Betriebsrats ins Auge zu fassen und sich zu diesem Zweck mit der zuständigen HBV in Mannheim/Heidelberg in Verbindung zu setzen. Die Quittung kam prompt: Wegen angeblicher Vorstrafen, schlechter Leistungen, rassistischen und sexistischen Verhaltens erhielten drei der Initiatoren die Kündigung, und für die Zeit der im Anschluss daran vorgenommen Versuche zur Durchführung einer Betriebsratsgründung bzw. -wahl erhielten sie Hausverbot.

Im Rahmen eines Vergleichs mussten die Vorwürfe, die der Kündigung zu Grunde gelegt worden waren, nun zurückgenommen werden: Die Betroffenen ließen sich in der entsprechenden Verhandlung Mitte Juli auf Abfindungen ein und verzichteten damit zugleich auf eine Rückkehr in den Betrieb, die ihnen unzumutbar schien.

In der Zwischenzeit konnte schließlich auch ein Betriebsrat gegründet werden, nachdem die HBV gegen Geschäftsführer Lang Strafanzeige nach § 119 BetrVG (Behinderung von BR-Wahlen) erstattet hatte. Diese bezog sich zum einen auf die Kündigungen der drei Beschäftigten im unmittelbaren Vorfeld zur Einleitung der Wahlen, zum anderen auf das Hausverbot, das es den drei Betroffenen nicht erlaubt hatte, beim zweiten Anlauf zur Durchführung der Wahlen anwesend zu sein. Im dritten Anlauf Mitte Juni ging es dann ohne Schikanen, doch waren diese offenbar auch nicht mehr nötig – keiner der Kollegen, die die Initiative ergriffen hatten, konnte sich bei diesen Wahlen durchsetzen.

"Die Auseinandersetzung um die innerbetriebliche Demokratie in den Media Märkten ist damit noch nicht beendet", so die zuständige HBV-Sekretärin in Heidelberg. Zur innerbetrieblichen Demokratie, die im Begriff des Betriebsrates ja noch nicht ihre Vollendung gefunden hat – auch wenn angesichts der Verhältnisse in den Media Märkten zu wünschen wäre, dass der Heidelberger BR nicht einer von 133 bleibt –, bedarf es jedoch offenbar zumindest eines Rechtsbewusstseins. Und wenn die Beschäftigten mitunter meinen, auf dieses verzichten zu können, dann wird es für die Gewerkschaften als real existierende Interessenvertretungen schwer.

Auf der ersten Belegschaftsversammlung zur Einleitung der Wahl hatte die Belegschaft, vom stellvertretenden Marktleiter, den sie selbst als Versammlungsleiter gewählt hatte, befragt, ob sie einen Betriebsrat wolle, mit "nein" gestimmt. Man wolle "keine Einmischung von außen" und könne seine Probleme mit dem Chef alleine regeln – so eine eigens geschaltete großformatige Anzeige in der regionalen Tageszeitung, die an die Adresse der HBV ging. Ob die Belegschaft das gleiche Argument auch geltend machen wird, um sich gemeinsam mit ‘ihrer’ Firma gegen die Einmischung der Staatsanwaltschaft wegen Verdachts auf Steuerhinterziehung, Umgehung von Finanzamt und Sozialversicherungen sowie Tarifbetrugs zur Wehr zu setzen, ist offen. Demokratie heute ist, wenn der Chef auch mal die Pizza holt und alle zusammen ins "Phantasialand" fahren – was ist das Problem?

K.H.

Erschienen in: express - Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit Nr. 8/2000
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