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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Zum Verhältnis zwischen Ärzten und den anderen Berufsgruppen: Blick zurück im Zorn oder gemeinsam den Herausforderungen stellen? Manchmal bewegt sich in relativ kurzen Zeiträumen wesentlich mehr als in langen Jahren zuvor. Für die Krankenhäuser und ihre Belegschaften ist das Jahr 2006, soviel lässt sich jetzt schon sagen, ein solches Jahr. Lange schienen die Beschäftigten wie das sprichwörtliche Kaninchen auf die Schlange der so genannten Reformen zu starren. Bettenabau, Stellenstreichungen, Fallpauschalen, Privatisierungen, Krankenhausschließungen, das Umsichgreifen befristeter Verträge auch für die anderen Berufsgruppen (die ÄrztInnen haben da ja schon ewig schlechte Erfahrungen), Streichung übertariflicher und teilweise sogar tariflicher Vergünstigungen usw. usf. ... Es schien, als wolle kaum jemand glauben, dies alles sei womöglich doch etwas anderes als ein Naturgesetz, dem man sich widerspruchslos zu fügen habe. Auch innerhalb von ver.di waren diejenigen, die für eine offensive Auseinandersetzung eintraten, nicht stark genug. Leider setzte sich die Meinung durch, man könne die Arbeitgeber durch den Abschluss eines Absenkungstarifvertrages - und nichts anderes ist der TVöD - besänftigen und zum Stillhalten bewegen. Zwar war es durchaus nicht ausgemacht, ob man stark genug gewesen wäre, einen besseren Tarifvertrag für alle durchzusetzen, aber dass ver.di noch nicht einmal den Versuch gemacht hat zu kämpfen, hat sich schnell als falsch erwiesen. Die ver.di-Betriebsgruppe im Klinikum und mit ihr der ganze ver.di-Bezirk Stuttgart haben immer zu denen gehört, die gewerkschaftsintern gegen diesen Kurs aufgetreten sind. Bereits im Jahre 2005 deutete sich die Wende hin zu der Erkenntnis an, dass man sich wehren muss. Sie kam, wie immer in solchen Fällen, von der Basis. Die Beschäftigten der Unikliniken streikten urplötzlich gegen die Zumutung weiterer Arbeitszeitverlängerung mit einer Wucht, die selbst die Gewerkschaft ver.di überraschte, die doch schließlich die Streiks selber ausgerufen hatte. Es war der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Damit war das Eis gebrochen. Im Dezember kam es zusammen mit vielen anderen Bereichen des Öffentlichen Dienstes auch in den kommunalen Krankenhäusern zu einem ganztägigen Warnstreik gegen die 40-Stundenwoche und im Frühjahr folgte dann der längste Streik, den der Öffentliche Dienst je erlebt hat. In neun Wochen erbitterter Auseinandersetzung konnte der Angriff auf unsere Arbeitszeiten zwar nicht vollständig, aber doch zu einem großen Teil abgewehrt werden. In Teilen der Belegschaften entwickelte sich ein bisher nicht gekannter Kampfgeist, der auch nach Beendigung des Streiks weiterlebt. Ver.di ist im Klinikum um über 50 % gewachsen und konnte seine innerbetrieblichen Strukturen beträchtlich ausbauen und festigen. Gleichzeitig - und das ist die andere Neuigkeit, die das Jahr 2006 brachte - kamen die Ärztinnen und Ärzte in Bewegung. Endlich, musste jeder sagen, der den Klinikbetrieb auch nur ein wenig kennt! Ewiglange Dienste, Knebelung duch Zeitverträge, Chefarzthierarchie, unbezahlte Überstunden, es hätte wahrlich seit Jahrzehnten schon genug Grund gegeben, dagegen aufzustehen. Erstmals haben sich große Teile der angestellten Klinikärzte gewehrt und die Notwendigkeit von Organisierung erkannt. Das war überfällig. Schade war, dass sie sich separierten anstatt sich gemeinsam mit den anderen Klinikbeschäftigten zu organisieren. Schade war auch, dass sich die Auseinandersetzung recht schnell vom ursprünglichen Ziel des Kampfes gegen die Arbeitsbelastung weg bewegt hat. So ist es einerseits ein Fortschritt, dass sich die Arbeitgeber in Zukunft nicht mehr wie bisher darauf verlassen können, dass die Ärzte "schon stillhalten werden". Andererseits ist es hoch problematisch, dass sich die Arbeitgeber über gespaltene Belegschaften freuen dürfen und es wäre fatal, wenn diejenigen, die einer elitären ständischen interessenvertretung für die "Lweistungsträger" das Wort reden, langfristig in der Ärzteschaft das Sagen haben (siehe Kasten). Der Marburger Bund hat sich in den Kliniken als Faktor etabliert. Wir von ver.di haben immer gesagt und wir sehen auch keinen Grund das zurückzunehmen, dass es besser gewesen wäre, wenn sich die Ärzte mit den anderen Beschäftigten gewerkschaftlich zusammengeschlossen hätten. Es liegt auf der Hand, um wieviel mehr wir gemeinsam in den hinter uns liegenden Arbeitskämpfen für alle hätten herausholen können, wenn wir zusammen gekämpft hätten. Aber die Mehrzahl der Ärztinnen und Ärzte hat sich für einen anderen Weg entschieden. Das hat in den zurückliegenden Wochen und Monaten zu vielen Auseinandersetzungen geführt, die sicher nicht alle nötig gewesen wären. Jetzt aber steht für beide Seiten die Frage: Wie kann es in den Kliniken weitergehen? Ewig im Schmollwinkel oder nach vorne blicken? Wir von ver.di im Klinikum suchen das Gespräch mit den Mitgliedern des Marburger Bundes. Wir wollen dabei gar nicht so tun, als gebe es keine wesentlichen Differenzen. Das wäre unehrlich und eine solche "Diskussion" wäre von vornherein auf Sand gebaut. Trotzdem sollten wir darüber nicht die gemeinsamen Interessen aller Klinikbeschäftigten aus dem Auge verlieren, denn die gibt es nach wie vor zuhauf. In der Absicht, eine ehrliche und offene Diskussion anzustoßen benennen wir hier einige Punkte, die u.E. notwendig sind, damit sich die Berufsgruppen im Klinikum nicht noch weiter voneinander entfernen, sondern es zu einer Stärkung der Solidarität zwischen ÄrztInnen und anderen Beschäftigten kommt.
Wir bieten den Mitgliedern des Marburger Bundes und allen anderen Ärztinnen und Ärzten an, mit uns gemeinsam in die Diskussion zu treten. Wir laden Sie ausdrücklich dazu ein, mit uns gemeinsam am 21. Oktober gegen Sozialabbau, Gesundheitsreform und finanzielle Erdrosselung der Krankenhäuser zu demonstrieren.
Artikel aus krankenhaus-info Nr.4/2006 der ver.di Betriebsgruppe Klinikum Stuttgart |