Call Center sind ein technisch-organisatorisches Konzept, um die Kommunikation zwischen Unternehmen und Kunden effektiv und kostengünstig zu gestalten. Im Wesenskern ist die Call-Center-Organisation ein Produktionskonzept für Dienstleistungen. Neu daran ist, daß in der Kombination von Technik und Organisation ein Weg gefunden wurde, die Massenabwicklung von Dienstleistungen entscheidend zu rationalisieren und die Geschäftszeiten auszuweiten. In diesem Zusammenhang wird auch von der Industrialisierung der Dienstleistungsarbeit gesprochen.
Integrierte "Multimedia"-Arbeitsplätze vereinigen alle Kommunikationskanäle (Telefon, Fax, Email, Video) an einem Arbeitsplatz und versorgen den Agenten mit allen Daten, die er zur Erledigung seiner Arbeit benötigt. In der Regel sind diese Arbeitsplätze in einem Raum zusammengefaßt.
Mit Hilfe von Workflowmanagement, einer automatisierten Geschäftsvorgangs-Steuerung, werden die Geschäftsprozesse innerhalb des Call Centers, aber auch die Verbindung zu nachgelagerten Unternehmensbereichen (Back Office) so gestaltet, daß effektive Teamarbeit möglich wird.
Der Trend geht hin zu "ganzheitlichen" Arbeitsplätzen: An einem Arbeitsplatz wird die vollständige Arbeit in der notwendigen logischen und zeitlichen Abfolge ermöglicht. Eine Reklamation beispielsweise wird heute von einem Agenten direkt am Telefon erledigt. Der Agent sieht den Bearbeitungsstatus des Kundenvorgangs, kann Gutschriften oder Kompensationen auslösen oder Handlungen veranlassen. Zuständigkeiten und terminkritische Weiterleitung an Vorgesetzte sind klar geregelt.
Während amerikanische Call Center geschaffen wurden, um eine effiziente Kundenorientierung sicherzustellen, werden Call Center in Deutschland oft nur aus Rationalisierungsgründen eingeführt, um so auf möglichst billige Weise Kundenservice-Bewußtsein zu demonstrieren. Insbesondere folgende Punkte sind dabei kritisch zu betrachten:
Call Center dienen in Deutschland oft der Dequalifizierung umfassender Sachbearbeitungstätigkeiten. Wo früher individuelle Produkte auf die Bedürfnisse des Kunden maßgeschneidert wurden, wird heute ausschließlich eine bestimmte Anzahl von Standardprodukten angeboten, die mit normierten Abläufen bearbeitet werden. Zwar steigt die Auskunfts- und Entscheidungs-fähigkeit der Mitarbeiter für ihre spezifischen Dienstleistungssegmente, ihr Handlungsspielraum und ihre Bearbeitungssouveränität werden insgesamt jedoch stark eingeschränkt.
Es wird versucht, eine größtmögliche Flexibilität beim Einsatz der Beschäftigten zu erreichen, um somit die Besetzung des Call Centers an die erwartete Anrufkurve bzw. Auslastung anzupassen. Dabei wird Flexibilität vor allem von Seiten der Arbeitnehmer erwartet, während sich die Arbeitgeber oft auf das Angebot einiger weniger Arbeitszeitmodelle beschränken.
Call Center-Arbeit muß angesichts leistungsstarker Anruf-Verteil-Systeme nicht mehr an bestimmten Orten (in realen Call Centern) stattfinden, sie kann an jedem beliebigen PC innerhalb des Unternehmens oder auch an einem Tele-(Heim-)arbeitsplatz erledigt werden. Auch die Informationsweitergabe kann mit Groupware (Software zur Unterstützung von Gruppenarbeit) sehr gut organisiert werden. Dennoch nutzen die wenigsten Unternehmen diese Möglichkeiten; statt dessen gibt es in den meisten Unternehmen noch immer Großraumbüros - vor allem aus Kontrollgründen.
Die meisten Fehler in Call Centern machen die Manager, nicht die Agenten. Führungsunerfahrene Kostensparer, Vertriebsleute aus dem aggressiven "Drücker"-Bereich oder völlig Fachfremde probieren sich in diesem sensiblen Umfeld gerne aus. Viele positive Ansätze werden durch falsche Führung wieder zunichte gemacht. Dies geschieht vor allem durch den in deutschen Call Centern immer noch üblichen autoritären Führungsstil, unterstützt durch die minutiöse Nachprüfbarkeit der Agenten-Tätigkeiten durch vielfältige Datenerfassung. Gekoppelt wird dies oft mit dem Versuch, eine Art "Zweitfamilie" mit Sektencharakter zu bilden, die keine Zweifel an der Firmenideologie aufkommen läßt. Personal- und Betriebsräte sind in diesen Betrieben nicht gerne gesehen.
In Call Centern herrschen flache Hierarchien vor, Aufstieg ist kaum möglich. Oft wird auch nur mit einem Gesamtaufenthalt des Agenten in der Firma von 3 bis 5 Jahren gerechnet, so daß viele Call Center auf Personalentwicklung ganz verzichten. Oder es werden nach amerikanischem Vorbild Pseudo-Karrierepfade aufgebaut.
In Deutschland wird - wenn es Vollzeitarbeit gibt - gerne das Telefonieren in der gesamten Vollzeitschicht verlangt. Allerdings: Nie hat ein Chef je acht Stunden lang telefoniert. In den USA ist nach 4 Stunden Schluß mit der Telefonschicht.
Call Center-Arbeitsplätze sind in der Regel nicht angemessen vergütet. Mit einem monatlichen Gehalt von 2.500,- DM brutto gelten Routine-Arbeitsplätze in Call Centern als gut bezahlt. Finanzielle Anreize werden nicht gegeben, statt dessen setzt man auf ideelle Anreize wie Lob oder Gutschein für einen Kinobesuch oder andere sogenannte Incentive-Maßnahmen.
Es sind die Mitarbeiter, die den Betrieb in Call Centern rund laufen lassen. Grundlage dafür ist die Mitarbeiterzufriedenheit. Nur diese führt zur Kundenzufriedenheit und damit auch zu höheren Renditen. Fluktuationsraten von bis zu 30 % in manchen Call Centern bedeuten die Verschwendung der hohen Akquisitions-, Einarbeitungs- und Trainingskosten des Personals. Call Center-Agenten sind Wissensarbeiter an Telekommunikationsplätzen und gehören in jeder Hinsicht gestärkt in allem, was zur Bearbeitung ihrer Aufgabe zählt: Aus- und Weiterbildung, Einsatz neuester Technik, geschickte Arbeitszeitplanung, Kompetenzen des mittleren Managements u.a.m.
Noch arbeitet in Deutschland nur eines von 36 Direktbank-Call Centern profitabel. Der Rest schreibt rote Zahlen. Wenn der Weg vom Cost Center zum Profit Center geht, wird das Management sich wieder mehr um die Belange der Mitarbeiter kümmern (müssen).
Eckart Menzler-Trott,
Unternehmensberater
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