Zweimal haben die Citibank-Beschäftigten Ende letzten Jahres die Callcenter Duisburg und Bochum bestreikt - und damit quasi eine Welturaufführung geliefert: die laut Betriebsrat weltweit ersten Tagesstreiks in Callcentern. Grund für die Aktionen: Die Citibank will sechs Callcenter in Duisburg zusammenziehen und dort eine neue, tariflose Gesellschaft gründen. Zweiter Grund: 450 Bochumer CitiPhoneBanking- Beschäftigte bleiben vermutlich auf der Strecke.
Ein Rückblick: Im letzten Sommer kündigt die Citibank die Schließung des ersten großen Callcenters im Direktbanken-Bereich zum Sommer 1999 an. Man wolle die Aktivitäten am bislang tarifgebundenen Standort Duisburg konzentrieren und dort - mit Hilfe öffentlicher Gelder aus der Wirtschaftsförderung - eine neue, aber tariffreie Gesellschaft gründen. Das Weihnachtsgeld soll gekürzt, das Urlaubsgeld gestrichen, die Urlaubsdauer von sechs auf fünf Wochen gesenkt werden, außerdem sollen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter 40 Stunden und damit eine Stunde länger pro Woche arbeiten. Das Unternehmen setzt auf Einzelarbeitsverträge, bestenfalls Betriebsvereinbarungen; die 800 Beschäftigten sowie ihre Vertretung, Betriebsrat und HBV, setzen auf den Erhalt des Standorts Bochum und einen Tarifvertrag, der größere Sicherheit bietet.
Ende November signalisiert das Unternehmen nach langem Hin und Her Bereitschaft zu Sondierungsgesprächen. Als die HBV dies den Belegschaften mitteilt, wird der Termin wegen "Indiskretion" wieder gestrichen. Den Beschäftigten platzt der Kragen - die Folge meldet der Westdeutsche Rundfunk am 21.November: "Durch eine Arbeitsniederlegung von etwa hundert Beschäftigten in Bochum und Duisburg waren telefonische Bankgeschäfte der bundesweit tätigen Citibank am Vormittag für mehrere Stunden nicht möglich." Per Urabstimmung entscheiden sich 99,8 Prozent der Bochumer für einen Arbeitskampf.
Eine Verhandlung Anfang Dezember scheitert - und das Unternehmen droht unverhohlen: Streik sei illegal, wer künftig daran teilnehme, müsse mit Kündigungen rechnen. Um die Verunsicherung der Beschäftigten aufzufangen, richten Betriebsrat und HBV eine Info-Hotline ein. Am 8.Dezember stimmen auch 95,4 Prozent der Duisburger für Streik - und beginnen sofort damit. Ebenso die Bochumer Beschäftigten. 180 von ihnen fahren zur Hauptverwaltung der Citicorp Deutschland AG. Doch dort ist man stur: kein Gespräch, keine Annahme einer Resolution. Das Gebäude wird abgeschlossen, die Fahrstühle werden abgestellt. Niemand kommt rein, niemand - auch keine MitarbeiterIn - kommt raus. "Die international operierende Bank", kommentiert die Tageszeitung Waz, scheue einen Tarifvertrag "wie der Teufel das Weihwasser. Ihre Politik wird vom Citigroup-Vorstand in den USA gemacht, der auch dort mit den Gewerkschaften auf Kriegsfuß steht".
Und weiter: "Wenn das mal kein gefährlicher Kurs ist. Denn bei der Vielzahl von Banken, die mittlerweile im Telefonservice nachgezogen haben, könnten KundInnen sehr wohl neu überlegen, wem sie ihr Konto anvertrauen. Eine Bank, die ihren MitarbeiterInnen gegenüber Unnachgiebigkeit demonstriert, könnte in diesem Spiel die schlechteren Karten haben."
Mitte Dezember erläßt das Arbeitsgericht - mit der Begründung, noch sei kein Mensch bei der neuen GmbH beschäftigt - eine unverständliche einstweilige Verfügung gegen die Streikaktion. Unverständlich deshalb, weil Bochum keinen Tarifvertrag hat und dafür streiken darf, und weil die Duisburger keine Forderungen gestellt haben, die schon per Branchentarifvertrag geregelt sind - also auch streiken dürfen. Tatsächlich hebt ein Vergleich vor dem Landesarbeitsgericht die Verfügung im Januar wieder auf. Darin sichert die neue Gesellschaft Tarifverhandlungen zu.
Erster Verhandlungstermin: 13.April. HBV verpflichtet sich, bis dahin nicht im Zusammenhang mit dem Haustarifvertrag zum Streik aufzurufen.
"An einzelnen Haustarifen kommt die Branche nicht vorbei", zitiert das Branchen-Info Call-Center Profi den Geschaftsführer der Bundesvereinigung Deutscher Dienstleistungsunternehmen, Olaf Junge, der damit auch vor dem Einzug von Gewerkschaften in Callcenter warnt.
Um weitere Protestaktionen zu verhindern, greift die Citibank nach allen Mitteln, während der HBV im Zusammenhang mit den anstehenden Haustarifverhandlungen weitgehend die Hände gebunden sind. So laufen zum 1.März des Jahres bei ca. 30 MitarbeiterInnen die befristeten Einzelverträge aus. Deren Verlängerung wird von der Citibank aufgrund der Beteiligung der Beschäftigten an den Arbeitsniederlegungen massiv in Frage gestellt. Ganz nach amerikanischem Muster werden unterdessen die StreikbrecherInnen mit einer Fete belohnt.
Auf Nachfrage schätzt der Betriebsrat in Bochum die Streikfähigkeit der Belegschaft "gegenwärtig als sehr hoch" ein. Generell beurteilt er aber die Effektivität herkömmlicher gewerkschaftlicher Strategien (Gewerkschaftsarbeit vor Ort, Unterstützung von MultiplikatorInnen, Vertrauensleute) als eher gering. Die Gründe seien vielfältiger Art.
Zum einen förderten die Kommunikationsmethoden in Callcentern (Fax, Internet) den Individualismus und die EinzelkämpferInnenmentalität. Es sei deshalb schwer, den Solidaritätsgedanken dort hinein zu tragen. Eine Möglichkeit, an die Belegschaft heranzukommen, sei deshalb, sich mit den Kommunikationsmitteln in den Callcentern auseinanderzusetzen und die Beschäftigten beispielsweise über das Internet anzusprechen. Auch die heterogene Struktur der MitarbeiterInnen sei ein großes Hindernis für die Gewerkschaften. Die meisten MitarbeiterInnen betrachteten ihre Beschäftigung in den Callcentern nur als Durchgangsstation und identifizierten sich nicht damit.
Auch der Einfluß des Citigroup-Vorstandes in den USA sei sehr groß. Er sei darauf aus, alle internen Citibankangelegenheiten möglichst leise abzuwickeln und arbeite sehr zentralistisch und mit reduziertem Personal.
Die Gewerkschaft will KundInnen gezielt auf die schlechten Arbeitsbedingungen ansprechen und so auf die Firmenpolitik einwirken. Ein Informationsstand vor der Citibank Bochum hat zu überraschenden Ergebnissen geführt. Viele Menschen haben sich an einer Postkartenaktion beteiligt und mit der Kündigung ihrer Konten gedroht. Einige drohten auch mit der Kündigung ihrer Konten bei der Citibank. Der ranghöchste Citibankbeauftragte sei höchst nervös an den Stand geeilt. Derartige Kampagnen, um das Image der Citibank zu schädigen, hätten sich somit als das Druckmittel der Zukunft erwiesen.
Dagegen sei das Mittel des Streiks im Bereich der Callcenter weniger effektiv, weil das Callcenternetz allein in Deutschland schon acht Callcenter umfasse. Bei einem Streik in nur zwei Callcentern sei es deshalb ein Leichtes, die ausfallenden Kapazitäten auf die übrigen sechs umzuleiten. Das Geschäft könne somit von anderen Callcentern aufgefangen werden. Die Ortsunabhängigkeit der Callcenter erweise sich als ein weiteres Problem bei der Durchführung eines Arbeitskampfs. Insgesamt, so der Sprecher des Betriebsrats Bochum, gebe es noch zu viele unbekannte Faktoren um voraussagen zu können, wie die Verhandlungen mit der Citibankleitung weitergehen werden und zu welchen Ergebnissen man komme.
Die Einzelverträge von mehr als zwölf Streikenden sind übrigens, wie angedroht, Anfang März nicht verlängert worden.
Weitere Informationen: http://www.hbv.org
HBV-Ortsverwaltung,
Stapeltor 17-19,
47051 Duisburg,
Fon (0203) 929740;
Betriebsräte Markus Nagel, Hannes Oberlind-Ober (Bochum), Fon (0234) 772424.
aus: SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.08 vom 15.04.1999, Seite 5