Karlsruhe: Klinikum und Bundeswehr verhandeln Kooperationsvertrag ÖTV gegen Kriegsvorbereitung

Im November informierte der Betriebsrat des Städtischen Klinikums Karlsruhe die MitarbeiterInnen darüber, daß das Klinikum mit der Bundeswehr über einen Kooperationsvertrag verhandelt.
Dieser Vorgang verdient größte Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit. Er ist Bestandteil eines großangelegten Versuchs der Bundeswehr, sich Zugriff auf das personelle und technische Potential der größten zivilen Krankenhäuser in ganz Deutschland zu verschaffen. Dieses Vorhaben wiederum ist nur erklärbar mit einer gezielten Politik der Kriegsvorbereitung, die die deutsche Kriegsführungsfähigkeit wesentlich erhöhen will.

Der Hintergrund: Am 22. April - mitten im Krieg gegen Jugoslawien - hatte das Bundesverteidigungsministerium gemeinsam mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft eine "Gemeinsame Erklärung zur zivil-militärischen Zusammenarbeit" sowie einen Mustervertrag veröffentlicht, den die 56 Reservelazarettgruppen der Bundeswehr überall in Deutschland mit "leistungsstarken Krankenhäusern" abschließen sollen.
(Mitteilung der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft Nr. 180/1999; abrufbar über Internet: www.bundeswehr.de/streitkräfte/sanitaetsdienst/05-ziv.../5-2mvert.htm 25.10.99)

Warum das, so muß man sich fragen? Schließlich verfügt die Bundeswehr über nicht weniger als 26 000 aktive Soldaten und 6 600 zivile Mitarbeiter in ihrem Sanitätsdienst sowie über mehrere Bundeswehrkrankenhäuser. Das hat bisher offensichtlich ausgereicht. Generaloberstabsarzt Dr. Demmer, oberster Bundeswehrsanitäter, bezieht sich zur Begründung der neuen Orientierung (in der Fachzeitschrift "das Krankenhaus" Nr.6/99) interessanterweise auf die "Fachliche Leitlinie zur sanitätsdienstlichen Versorgung von Soldaten der Bundeswehr im Auslandseinsatz" von 1995. Demmer: "Nach einer Mobilmachung soll ziviles und militärisches Krankenhauspersonal gemeinsam für eine klinische Versorgung genutzt und nicht mehr zwischen Soldaten und Zivilpatienten unterschieden werden." Man ist ganz offensichtlich zu der Einschätzung gelangt, daß der Sanitätsdienst der Bundeswehr für weltweite Kriegseinsätze gemäß der neuen NATO-Strategie nicht tauglich ist. Denn wer sich nicht auf größere kriegerische Auseinandersetzungen mit einer wesentlich größeren Zahl an Schwerverletzten und Behandlungsbedürftigen als Folge kriegerischer Handlungen der Bundeswehr einstellt, der braucht eine solche Vernetzung nicht. Der Vorgang beweist - und darin liegt die eigentliche Brisanz - daß man sich in Berlin ernsthaft und zielstrebig auf neue, größere Kriege einstellt und diese vorbereitet.

Dabei wird die schwierige finanzielle Situation der Krankenhäuser geschickt ausgenutzt. Ein Teil der von der Bundeswehr bekanntlich in unterirdischen Geisterkliniken eingemotteten technischen Geräte und sonstiger Nichtverbrauchsgüter soll den zivilen Krankenhäusern zur unentgeltlichen Nutzung überlassen werden. Welcher Krankenhausdirektor würde sich danach nicht die Finger lecken? Zumal er gleichzeitig auf ein wenigstens zeitweises Übertünchen so manches groben personellen Mißstandes hoffen kann. Denn die Bundeswehr stellt dem kooperationswilligen Krankenhaus Sanitätsoffiziere (=Ärzte) und -soldaten (=Pfleger) zum Zwecke der Aus-, Fort und Weiterbildung zur Verfügung, ohne daß die Klinik dafür in die Tasche greifen muß. Daß diese vorgeblich keine unbesetzten Stellen vertreten sollen, ist nichts als eine Schaufenstererklärung, deren praktischen Wert jedeR Krankenhausbeschäftigte aus eigener Erfahrung mit Zivis, PraktikantInnen und Auszubildenden der verschiedensten Art einzuschätzen vermag.

Zudem wird dem "Partnerkrankenhaus" zugesichert, daß sein Personal von einer Mobilmachung ausgenommen wird. Die Beschäftigten werden damit geködert, daß sie keine Angst davor haben brauchen, in den Krieg ziehen zu müssen. Das ist auch notwendig, denn sie werden dringend an der Heimatfront zur Versorgung der zu erwartenden Kriegsopfer gebraucht werden.

Doch während es im Mustervertrag noch heißt: "Grundsätzlich bleibt das Krankenhaus im Falle der Mobilmachung durch Belassen des dortigen Personals im vollen Umfang funktionstüchtig", will man die Karlsruher Klinikumsbeschäftigten vollends zur Personalreserve der Bundeswehr degradieren. Der Betriebsrat informiert: "Im Unterschied zu dem erwähnten Mustervertrag ist vorgesehen, daß Personal des Städtischen Klinikums im Bedarfsfall an Bundeswehrkrankenhäuser abgeordnet wird. Das heißt, daß beispielsweise bei der Entsendung von Soldaten in Krisengebiete das Klinikum Personalersatz für die Bundeswehr leistet. Es würde sich damit zur Personalbeschaffungs- und Personalvermittlungseinrichtung der Bundeswehr machen."

Wie die ÖTV Karlsruhe informiert, versucht die Bundeswehr, Einfluß auf die Arbeitsvertragsabschlüsse zwischen dem Krankenhausträger und seinen Beschäftigten zu gewinnen. "So wird z.B. angestrebt, Arbeitsverträge so zu gestalten, daß einem Einsatz in einem Bundeswehrkrankenhaus nicht widersprochen werden kann."

Die ÖTV Karlsruhe kündigte Widerstand an. "Keine Kriegsvorbereitung durch Kooperationsverträge ziviler Krankenhäuser mit der Bundeswehr" forderten die Kreisdelegierten in einem Antrag an den Gewerkschaftstag. "Die ÖTV wirkt darauf hin, daß eine Vernetzung ziviler Krankenhäuser und Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitswesens mit der Bundeswehr und militärischer Bündnisse unterbleibt."

Der Krieg der NATO gegen Jugoslawien und der Rußlands in Tschetschenien beweisen erneut: Krieg vergrößert nur das Leid der Menschen und verschärft die Probleme. Er darf nicht mehr zum Mittel der Politik werden.
Die Beschäftigten der Krankenhäuser sollten sich entschieden gegen ihre Verplanung für den Krieg zur Wehr setzen. Sie sollten von ihren Verwaltungen Aufklärung über eventuelle Verhandlungen mit der Bundeswehr verlangen.

Alle am Frieden interessierten Menschen sollten den Vorgang kennen. Die Öffentlichkeit muß informiert werden. Verhindern wir die Vernetzung der Krankenhäuser mit dem Militär.

So können wir etwas gegen den nächsten Krieg tun.

Lothar Galow-Bergemann
Stuttgart
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