Lothar Galow-Bergemann

Kriegsvorbereitung konkret: Bundeswehr will Zugriff auf zivile Krankenhäuser

Am 22. April - mitten im Krieg gegen Jugoslawien - verabschiedeten dasBundesverteidigungsministerium und die Deutsche Krankenhausgesellschaft weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit eine "Gemeinsame Erklärung zur zivil-militärischen Zusammenarbeit" sowie einen "Mustervertrag über dieGrundsätze einer solchen Zusammenarbeit zwischen einem zivilen Krankenhaus und einer Reservelazarettgruppe der Bundeswehr". (Veröffentlicht u.a. in BWKGMitteilung Nr. 180/1999)

Vorausgegangen waren viele Anschreiben zuständiger Wehrbereichskommandos an zivile Krankenhäuser, in denen die Bundeswehr ihren dringenden Wunsch nach "Rahmenverträgen" mit den Häusern angemeldet hat. Hauptziel der nunmehr geschlossenen Vereinbarung ist der Zugriff der Bundeswehr auf das Potential der größten zivilen Krankenhäuser. Dies sowohl im "Falle der Landes- und Bündnisverteidigung", sprich Krieg, als auch "schon in Friedenszeiten".

Jeweils "ein oder mehrere leistungsstarke Krankenhäuser" sollen zu diesem Zweck an eineder 56 Reservelazarettgruppen der Bundeswehr, davon acht in Baden-Württemberg,vertraglich gebunden werden. Keinen Hehl aus den Absichten der Bundeswehr macht Generaloberstabsarzt Dr. Demmer, Inspekteur des Sanitätsdienstes der Bundeswehr. Unter der Schlagzeile "Zivile Partnerkrankenhäuser verstärken die medizinische Qualität und Leistungsfähigkeit des Sanitätsdienstes der Bundeswehr" schreibt er in der Fachzeitschrift "das Krankenhaus" Nr. 6/99: "Nach einer Mobilmachung soll ziviles und militärisches Krankenhauspersonal gemeinsam für eine klinische Versorgung genutzt und nicht mehr zwischen Soldaten und Zivilpatienten unterschieden werden." Der Sanitätsdienst der Bundeswehr, so Demmer, solle zukünftig "dem Qualitätsstandard des zivilen medizinischen Bereichs entsprechen". Was folglich seither nicht der Fall war. Warum das der Bundeswehr erst heute Kopfzerbrechen bereitet, wird deutlich, wenn sich Demmer zur Begründung ausdrücklich auf die "Fachliche Leitlinie zur sanitätsdienstlichen Versorgung von Soldaten der Bundeswehr im Auslandseinsatz" von 1995 beruft. Galt nämlich bis 1997 das "Konzept einer eigenständigen, hauptsächlich mit Sanitätspersonal der Reserve aus dem zivilen Gesundheitswesen betriebenen militärischen Reservelazarettorganisation", so beruht die heutige Grundausrichtung nach Demmer "auf dem Gedanken einer engerenzivil-militärischen Zusammenarbeit."

Vorbereitung auf neue Kriege mit vielen Opfern

Es geht also um nicht weniger als den Übergang von einem relativ eigenständigen militärischen Sanitätsdienst, der die Bundeswehrführung heute offenbar nicht mehr zufriedenstellt, zu einem direkten Zugriff der Bundeswehr auf das qualifizierte personelle und technische Potential der zivilen Krankenhäuser. Man ist auf der Hardthöhe zu der Einschätzung gelangt, daß der Sanitätsdienst der Bundeswehr mit seinen 26 000 aktiven Soldaten und 6 600 zivilen Mitarbeitern für weltweite Kriegseinsätze gemäß der neuen NATO-Strategie nicht tauglich ist. Das kann nur heißen, daß man zukünftig mit einer wesentlich größeren Zahl anSchwerverletzten und Behandlungsbedürftigen als Folge kriegerischer Handlungender Bundeswehr rechnet als seither. Mehr noch: Der vertraglich vereinbarte Zugriff der Bundeswehr auf die Kapazitäten des zivilen Gesundheitswesens würde keinen Sinn machen, wenn sich das Bundesverteidigungsministerium nicht ernsthaft und zielstrebig auf neue Kriege einstellen und diese vorbereiten würde.

Schwierige Finanzlage der Krankenhäuser geschickt ausgenutzt

Dabei wird die schwierige finanzielle Situation der Krankenhäuser geschickt ausgenutzt. Ein Teil der von der Bundeswehr bekanntlich in unterirdischen Geisterkliniken eingemotteten technischen Geräte und sonstiger Nichtverbrauchsgüter soll den zivilen Krankenhäusern zur unentgeltlichen Nutzung überlassen werden. Welcher Krankenhausdirektor würde sich danach nicht dieFinger lecken? Zumal er gleichzeitig auf ein wenigstens zeitweises Übertünchen so manches groben personellen Mißstandes hoffen kann. Denn die Bundeswehr stellt dem kooperationswilligen Krankenhaus Sanitätsoffiziere (=Ärzte) und -soldaten(=Pfleger) zum Zwecke der Aus-, Fort und Weiterbildung zur Verfügung, ohne daß die Klinik dafür in die Tasche greifen muß. Daß diese vorgeblich keine unbesetzten Stellen vertreten sollen, ist nichts als eine Schaufenstererklärung, deren praktischen Wert jedeR Krankenhausbeschäftigte aus eigener Erfahrung mit Zivis, PraktikantInnen und Auszubildenden der verschiedensten Art einzuschätzen vermag.

Zudem wird dem "Partnerkrankenhaus" zugesichert, daß sein Personal von einer Mobilmachung ausgenommen wird. Die Beschäftigten werden damit geködert, daß sie keine Angst davor haben brauchen, in den Krieg ziehen zu müssen. Das ist auch notwendig, denn sie werden dringend an der Heimatfront zur Versorgung der zu erwartenden Kriegsopfer gebraucht werden. Im Abschnitt "Landes- und Bündnisverteidigung" des Mustervertrages heißt es dazu: "Grundsätzlich bleibt das Krankenhaus im Falle der Mobilmachung durch Belassen des dortigen Personals in vollem Umfang funktionsfähig und wird mit Personal und Material der Reservelazarettgruppe verstärkt. Dabei soll im Regelfall die anspruchsvolle Diagnostik und Therapie in der vorhandenen zivilen Infrastruktur, die Pflege und Rekonvaleszenz in den überwiegend in Kasernen stationierten Reservelazaretten erfolgen."

Widerstand gegen die Kriegsvorbereitungen! Keine Partnerverträge mit der Bundeswehr!

Der beabsichtigte Zugriff der Bundeswehr auf die zivilen Krankenhäuser bedeuteteine völlig neue Stufe der Vernetzung des zivilen Gesundheitswesens mit dem Militär. Wer sich nicht auf größere kriegerische Auseinandersetzungen mit einer hohen Zahl an Opfern vorbereitet, braucht eine solche Vernetzung nicht. Der Vorgang zeigt anschaulich, daß die politisch Verantwortlichen systematisch die deutsche Kriegsführungsfähigkeit weiterentwickeln.

Krieg darf aber auf keinen Fall mehr zum Mittel der Politik werden. Wer zu militärischen Mitteln greift, vergrößert nur das Leid der Menschen und verschärft die Probleme. Das hat zuletzt der Angriffskrieg gegen Jugoslawien gezeigt. Auf Dauer Frieden schaffen kann nur eine faire und verantwortliche Wirtschaftsordnung, die allen Menschen auf der Erde zugute kommt und eine Politik, die Konflikte frühzeitig entschärft oder erst gar nicht zum Ausbruchkommen läßt.

Die Beschäftigten der Krankenhäuser sollten sich entschieden gegen ihre Verplanung für den Krieg zur Wehr setzen. In allen Krankenhäusern sollte jetzt an die Verwaltungen mit der Frage herangetreten werden, ob die Bundeswehr entsprechende Ansinnen gestellt hat oder ob es bereits Vertragsverhandlungen gibt. Verhindern wir die Vernetzung mit dem Militär. Setzen wir ein Zeichen für den Frieden.