Home > Branchen > Chemie > Hoechst / Aventis > SF > SF3_04
Updated: 18.12.2012 15:51
Aktuelle Meldungen im neuen LabourNet Germany

„Die Beschäftigungssicherungsillusion“ + „Die rechte und die linke Hand der IG BCE“

Zwei Beiträge aus dem »Standort-Forum« Nr. 2 und 3/2004, verteilt am 20. Juli ‘04


Die Beschäftigungssicherungsillusion

Arbeitgeber und Betriebsrat bei Aventis rühmen sich, mit der »personal- und sozialpolitischen Rah-menvereinbarung« – kurz vor der Übernahme durch Sanofi – einen Vertrag zur »Beschäftigungssi-cherung« abgeschlossen zu haben. Hintergrund des Abschlusses ist einerseits das Auslaufen des alten Vertrages, andererseits aber auch der »Poker« um Übernahme von Aventis. Dabei verdient diese Rahmenvereinbarung, so die KollegInnen der Liste »Standort-Forum«, nur ansatzweise diese Bezeichnung. Es wäre treffender, sie »Personalabbau-Regulierungs-Vereinbarung« zu nennen.

Zwar steht in der Rahmenvereinbarung unter Punkt 3.1 der Satz »Die Aventis Pharma Deutschland GmbH sichert folgendes zu: Aventis Pharma Deutschland verzichtet bis zum 31. Dezember 2007 auf den Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen.« Im Rest der zehnseitigen Abhandlung und den vier Protokollnotizen ist festgehalten, mit welchen Regelungen trotzdem Personal abgebaut werden kann. In der Vereinbarung geht es im Kern darum, wie man es vermeidet, betriebsbedingte Kündigungen nicht betriebsbedingte Kündigungen nennen zu müssen.
Die Forderung von IG BCE und Betriebsrat nach einer Vereinbarung über eine Beschäftigungssicherung für alle weltweit Beschäftigten der Aventis zielte darauf ab, für Sanofi die Übernahme von Aventis zu verteuern. Des Weiteren sollte diese Forderung für die IG BCE ein Test dafür sein, ob die Manager der Aventis wirklich die Übernahme von Aventis durch Sanofi verhindern wollten.

Bereits in der Betriebsversammlung im Februar des Jahres wurde deutlich, dass die Aventis-Manager es nicht so ernst meinten mit ihrem Kampf gegen die Übernahme. Einerseits stellte Personalvorstand Heinz Werner Meier in Frage, dass ein Beschäftigungssicherungsvertrag rechtsgültig sein könnte, andererseits erklärte er sich aber bereit, über einen solchen Vertrag zu verhandeln. Der sogenannte Beschäftigungssicherungsvertrag wurde dann sehr erfolgreich als Lockmittel eingesetzt, damit die Belegschaft kräftig hilft, den Aktionären mehr zukommen zu lassen. Nachdem sich die Manager von Aventis und Sanofi im Frühjahr über die Übernahme geeinigt hatten, wurde die Vereinbarung dann sehr schnell abgeschlossen, weil sie als Regelung für den sich abzeichnenden Arbeitsplatzabbau gebraucht wird.

Wer Aventis-Managern glaubt und sie mit »Standing Ovations« belohnt, darf sich nicht wundern, wenn er über den Tisch gezogen wird. Denn wer aus der Geschichte der Hoechst AG und den Erfahrungen mit den Managern im Industriepark nicht lernen will, der wird immer wieder nur leeren Hoffnungen hinterher rennen.

(Aus: Standort Forum, Nr. 2/2004)

Die Tinte war noch nicht trocken

Leichtfertig, aus Propagandagründen, nennen die Mehrheitsbetriebsräte die Personal- und sozialpolitische Rahmenvereinbarung einen Beschäftigungssicherungsvertrag. Wir von Standort Forum halten dies eher für einen Arbeitsplatzabbauregulierungsvertrag. Wie zur Bestätigung unserer Auffassung hat die Betriebsratsmehrheit der ersten betriebsbedingten Kündigung nicht widersprochen, die es ja nach dem Vertrag eigentlich bis zum 31. Dezember 2007 nicht mehr geben darf.

(Aus: Standort Forum, Nr. 3/2004, verteilt am 20. Juli ‘04)


Die rechte und die linke Hand der IG BCE

IG BCE und Mehrheitsbetriebsräte bei Aventis hatten sich aus dem Fenster gehängt gegen die Übernahmeabsichten »feindlichen« ausländischen Kapitals, als ob es erheblich wäre, wessen Kapital es ist, das zu Personalabbau und Rationalisierung führt. Statt mit französischen Kollegen gemeinsam Strategien gegen die absehbaren Einsparungen nach der Übernahme zu diskutieren, pflegte man den Chauvinismus und stellte sich hinter das deutsche Management. Doch das hatte und hat anderes vor, als deutsche Arbeitsplätze zu sichern, wie bereits auf der ersten Betriebsversammlung nach der Übernahme deutlich wurde. Wir dokumentieren einen Bericht der KollegInnen von »Standort-Forum«.

Nach Jahren der scheinbaren Ruhe in der Konfliktstellung mit den IG BCE-Betriebsräten wurden wir als Mitglieder der Liste Standort Forum auf der Betriebsversammlung im Juni 2004 als Steinzeitkommunisten beschimpft. Der Hintergrund war unsere kritische Auseinandersetzung mit der Gesamtbetriebsvereinbarung »Personal- und sozialpolitische Rahmenvereinbarung«. Die IG BCE-Betriebsräte vertreten die Auffassung, dass diese Vereinbarung die beste in der ganzen Bundesrepublik sei. Wir bewerten diese Vereinbarung als ein Personalabbau- und Rationalisierungsinstrument, verknüpft mit einem Sozialplan.

Ein anderer Schwerpunkt der Versammlung bezog sich auf das Abstimmungsverhalten von Werner Bischoff, Hauptvorstandsmitglied der IG BCE und Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat der Aventis Pharma S.A. Dazu liegen uns Informationen vor, dass Werner Bischoff der Fusion von Sanofi und Aventis zugestimmt hat. In der Sitzung des Aufsichtsrates am 25. April 2004 gab es auch Nein-Stimmen der Arbeitnehmervertreter: zum einen war dies der leitende Angestellte aus Deutschland in Aventis, zum anderen der Vertreter der französischen Gewerkschaft CGT. Erwähnenswert ist das deshalb, weil die IG BCE-Vertreter vor Ort in Frankfurt-Höchst einen anderen Kurs fahren.

Während sie sich hier mit hilflosen Aktionen wie dem Demonstrieren unter Ausschluss der Öffentlichkeit beschäftigen, verweigern sie sich gemeinsamen Aktionen mit allen Belegschaftsvertretern. Sie gingen mit ihren Aktionen hierbei soweit, dass sie alle Gesprächsangebote mit Vertretern von Sanofi-Synthelabo abgelehnt haben. Bei einem Treffen von Betriebsräten in Frankreich am 8. April 2004 in Straßburg, als an einer Sitzung des Betriebsrates Verantwortliche von Sanofi-Synthelabo teilgenommen haben, hatten die IG BCE-Betriebsräte allein aufgrund dieser Tatsache die Einladung abgelehnt und sich geweigert, daran teilzunehmen.

Bereits seit März 2004 führte der Hauptvorstand der IG BCE Gespräche mit Sanofi-Chef Dehecq. Über das Ergebnis schwieg man sich aus und produzierte vor Ort ein scheinradikales Verhalten. Dies stellte sich so dar, dass ein Kampf gegen »feindliche Aktionäre« und Anteilseigner von Sanofi-Synthelabo inszeniert wurde.

Fazit

Es mag den Einen oder Anderen geben, dem unsere Kritik an der Gesamtbetriebsvereinbarung »Personal- und sozialpolitische Rahmenvereinbarung« nicht gefällt. Die von uns geäußerten Bedenken wurden von Herrn Dr. Meier jedoch indirekt bestätigt. Er machte auf der Betriebsversammlung noch einmal klar, dass es in allen Bereichen der Firma zu Umstrukturierungen kommen kann. Wichtig ist es jetzt, dass die Betriebsräte von Sanofi und Aventis sich gemeinsam für die Interessen der Beschäftigten und den Erhalt der Arbeitsplätze einsetzen.

(Aus: Standort Forum, Nr. 3/2004, verteilt am 20. Juli ‘04)

Erschienen im express, Zeitschrift für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, 6-7/04


Home | Impressum | Über uns | Kontakt | Fördermitgliedschaft | Newsletter | Volltextsuche
Branchennachrichten | Diskussion | Internationales | Solidarität gefragt!
Termine und Veranstaltungen | Kriege | Galerie | Kooperationspartner
AK Internationalismus IG Metall Berlin | express | Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken
zum Seitenanfang