Am 15. Detember wird der Mega-Merger (Großfusion) von HMR (Hoechst Marion Roussel, der ausgegliederten Pharmasparte von Hoechst) und Rhone Poulenc formell vollzogen. Über den Chemiekreis haben wir Kontakt zum Betriebsrat. Die Belegschaftsliste Bayer Wuppertal sprach mit Hans-Werner Krauß, Betriebsratsmitglied bei HMR.
? Hans-Werner, Ihr von der Liste Standort/Forum ruft zur Solidarität mit den französischen Kollegen von Rhone Poulenc auf. Warum ist Solidarität vonnöten?
! Nach einer sogenannten Monitorstudie der HMR (Hoechst Marion Roussel) sollen durch den Zusammenschluß 1520 Stellen in der Forschung, 1700 Stellen im Marketing, 2000 Stellen in der Verwaltung und 5400 Stellen in der Produktion wegfallen.
Wir sind uns natürlich bewußt, dass in einem global vernetzten Konzern, strukturelle Änderungen in Frankreich auch Folgen für die Arbeitsplätze in Deutschland haben werden. Betroffen sind bereits jetzt Beschäftigte bei Rhone-Poulenc Deutschland in Köln. Der Vertrieb muß in den Raum Frankfurt umziehen. Dabei werden natürlich einige Arbeitsplätze auf der Strecke bleiben. Auch in England gibt es bereits Opfer durch den Zusammenschluß von Rhone-Poulenc und Hoechst AG gegeben. Dort wurde eine große moderne Toxikologie durch ein Management-Buy-Out ausgegliedert.
? Wurde der Betriebsrat vom Arbeitgeber ausreichend informiert?
! Auf Grund langjähriger Erfahrungen mit Umorganisationen brauchen wir eigentlich keine konkreten Mitteilungen des Arbeitgebers, um die Lage einzuschätzen. Sie sind in der Regel Beschönigungen, die vom tatsächlichen Geschehen negativ übertroffen werden. Wenn zwei globale Chemiekonzerne sich zusammenschließen, und sich zukünftig nur noch auf Teilbereichen (Pharma/Landwirtschaft/Tiergesundheit) betätigen wollen, stehen durch Verkauf von Geschäftsfeldern und Synergieeffekte Tausende, wenn nicht gar Zehntausende von Arbeitsplätze zur Debatte.
? Wie reagiert die betroffene Belegschaft in Frankreich?
! Da unser Kontakt zu Vertretern (CGT) der Belegschaft erst in den Kinderschuhen steckt und auch mit Sprachschwierikeiten behaftet ist, haben wir leider bis jetzt keinen umfassenden Einblick in das Verhalten der Belegschaften bei HMR-France und Rhone-Poulenc. Es hat bereits mehrere phantasievolle kurze Streikaktionen gegeben. An einer symbolischen Aktienverbrennung vor der Börse in Paris habe ich mit einem weiteren Mitglied unserer Gruppe teilgenommen. Die jüngste Aktion, die uns bekannt geworden ist, war die Besetzung einer Zahlstelle an einer Autobahn. Dort haben die Kollegen dafür gesorgt, dass eine Zeit lang keine Autobahngebühr bezahlt werden mußte.
? Wieso setzt Ihr Euch für die betroffenen Kollegen in Frankreich ein. Seid Ihr nicht froh, daß es sie und nicht Euch getroffen hat?
! Gegen die globalen Shareholder-Phantasien der Chemie- und Pharmamanager von Rhone-Poulenc und Hoechst AG kann es für die Verteidigung von Arbeitnehmerinteressen - wenn überhaupt - nur einen erfolgreichen Weg geben. Es muß eine grenzüberschreitende, ja globale Zusammenarbeit der Belegschaften entwickelt werden. Eine nationale Ausrichtung der Belegschaften nach dem Motto: "Uns ist das Hemd näher als die Jacke" spielt den Managern in die Hand, und macht ihnen den Weg frei, die Belegschaften gegeneinander auszuspielen. Um einer solchen falschen Entwicklung entgegenzuwirken, ist jetzt, da Arbeitsplätze in Frankreich konkret bedroht sind, Solidarität notwendig. In den Jahren 1997/98 haben übrigens die CGT-Kollegen von HMR-France uns bei der Hoechst AG auch ihre Solidarität erweisen. "Internationale Solidarität" und "Nur gemeinsam sind wir stark" sind für uns keine Phrasen für 1. Mai-Reden, sondern gelebter Inhalt.
Die Belegschaftsliste ist dem Aufruf gefolgt, und hat den französischen Kollegen eine Solidaritätserklärung geschickt.