Herne, 20.10.1999
Die RAG AG und die Deutsche Steinkohle AG (DSK) haben gestern beschlossen, weitere Zechen schon bis 2002 zu schließen. Dies betrifft einmal die Anlage Blumenthal/Haard in Recklinghausen, die mit der Zeche Auguste Victoria in Marl zusammengelegt werden soll, mit der Folge der Fördereinstellung auf Blumenthal/Haard. Das betrifft zum anderen die Bergwerke Friedrich Heinrich/Rheinland und Niederberg, die ab 1.1.2002 als Bergwerk West firmieren, und wo ein halbes Jahr später die Förderung auf Niederberg eingestellt wird. Zum Dritten wird die Kokerei Kaiserstuhl am 30.9.2000 stillgelegt.
Dies bedeutet vorzeitige Vernichtung von Tausenden von Arbeitsplätzen in den nächsten zwei, drei Jahren, und ist eine Beschleunigung des Stillegungsprogramms von 1997, das diese Maßnahmen bis 2005 vorsah.
Eine Vorabmeldung in den Nachrichten erreichte die Belegschaften schon am späten Nachmittag des 19. Oktober, als Zechendirektoren, RAG und Betriebsräte noch in Beratungen waren. Die Meldungen der Morgenzeitungen sowie ein Extrablatt der Werkszeitung schlugen aber bei den meisten Betroffenen wie eine Bombe ein, war doch überall der Eindruck entstanden, die Entscheidungen würden erst zur Aufsichtsratssitzung am 29. November bekanntgegeben.
Auf den betroffenen Anlagen wurden Früh- und Mittagschicht heute zu außerordentlichen Belegschaftsversammlungen zusammengerufen. Die DSK-Vorstandsmitglieder verteidigten die vorgezogenen Stillegungen mit der schwierigen wirtschaftlichen Lage der DSK, dem Weltkohlepreis und den hohen Förderkosten der stillzulegenden Anlagen, sowie mit den Entwicklungen auf dem Stahlmarkt. Die Unruhe und Empörung der Belegschaften konnten damit wohl gerade noch unter der Decke gehalten werden.
Insbesondere im Bereich Gelsenkirchen/Recklinghausen, wo nach der Stillegung von Hugo/Ewald im nächsten Jahr nun die nächste Verbundzeche mit fast 4000 Arbeitsplätzen ein Jahr später zum Abschuß ansteht, werden große Probleme auf die Belegschaften, die Bevölkerung und die Städte zukommen.
An die Zusagen, die zusätzlichen Maßnahmen "sozialverträglich" durchzuführen, das heißt "ohne betriebsbedingte Kündigungen", glauben nur noch wenige, da Tausende von Kumpels betroffen sind, und die Verlegungen der im Jahr 2000 stillzulegenden Zechen (neben Hugo/Ewald auch Westfalen und Göttelborn/Saar) unter anderem zu den genannten Anlagen gehen sollten.
Insbesondere wird erwartet, daß nun bei DSK noch mehr Druck gemacht wird, daß jüngere Kumpel umschulen, bei Handwerkern anfangen, sich selbständig machen oder sich selber eine neue Arbeit suchen.
Finanzielle Unterstützungen sind für eine gewisse Zeit vorgesehen. Zur Information: Die Subventionen des Bundes und des Landes NRW sind seit den Abmachungen von 1997 nicht mehr nur für den Absatz von heimischer Steinkohle zweckgebunden, sondern sie gelten insgesamt für Absatz- und Stillegungsmaßnahmen. Das bedeutet aber, daß die bisher schon und nun erneut getroffenen Stillegungsbeschlüsse aus den Subventionen bezahlt werden, und daher für die Förderung des Absatzes nicht zur Verfügung stehen, da sie in der Höhe begrenzt sind. Das bedeutet aber, daß der Absatz der DSK weiter zurückgeht als eigentlich 1997 noch geplant wurde. Hierfür steht als Ersatz Importkohle bereit, die zum großen Teil von RAG selber importiert wird.
Im Sommer kaufte die RAG für rund 2 Mrd DM eine Steinkohlenbergbau-Gesellschaft in den USA auf und verstärkt ihr Engagement im australischen Bergbau.