Gewerkschaftsdemo in Bonn für Steuerentlastung der Unternehmen
Die IGBCE mobilisiert nach Bonn – und kaum einer weiß es vorher! So geschehen Anfang März, als die Energiekonsensgespräche auf der Tagesordnung standen. Da demonstrierten 35000 Gewerkschafter der ÖTV und der IGBCE gegen den Ausstieg aus der Atomenergie und gegen die Pläne der rot-grünen Regierung, die Gewinne der Energiekonzerne stärker zu besteuern. Erst wenige Tage vorher wurde die Beteiligung von Betriebsräten und Vertrauensleuten der Zechen beschlossen, warum wohl?
Was für eine verkehrte Welt: die Kumpel müssen sich mit niedrigsten Lohnerhöhungen bescheiden, die Arbeitsplatzvernichtung im Bergbau wird beschleunigt, und wofür wird demonstriert? Für größere Profite der reichsten Konzerne, überschrieben mit: „Demonstration für den Energiestandort Deutschland".
Über die Arbeitsplatzsorge der Beschäftigten der Atomkraftwerke mögen wir nicht rechten: aber schließlich geht es auch bei ihnen nicht nur um irgendwelche Arbeitsplätze, sondern auch um das, was und wie produziert wird. Wieso ist es nicht möglich, Arbeitsplätze bei Energieversorgungsunternehmen zu erhalten durch Umwandlung bei der Strompruduktion? Regenerative Energien werden schließlich immer wichtiger wegen der Klimabelastung und der Strahlungsverseuchung, der ungeklärten Atommüllentsorgung.
Hierüber hätte man von der ÖTV und der IGBCE-Führung reden müssen. Statt dessen werden die Argumente der Stromversorger RWE, Bayernwerk und anderer nachgebetet, der Ausstieg aus der Atomenergie koste Tausende von Arbeitsplätzen, man müsse neue Generationen von Atomkraftwerken vorbereiten. „Für einen realistischen Umgang mit der Kernenergie" heißt dann die Forderung auf dem Flugblatt.
Genauso ist es mit der Kritik der Stromkonzerne an der Steuer auf ihre Rückstellungen, die vom RWE mit der Drohung verbunden wird, Investitionen – darunter Garzweiler – nicht zu tätigen. Dahinter steckt die Sorge, daß Riesengewinne der Vergangenheit nun besteuert werden, weil sie nicht mehr für die vorgesehenen Zwecke der Endlagerung und Wiederaufarbeitung verwendet werden. Alle Energieversorger hatten sich in den vergangenen Jahren an der Stromproduktion goldene Nasen verdient und viel Geld in die Telekommunikation gesteckt. Sie hatten hohe Rücklagen gebildet, für die sie nun Steuern nachzahlen sollten.
Wie Gewerkschaftsvorstände auf die Idee kommen, dagegen eine Protestdemo nach Bonn anzumelden, ist unglaublich. Auf alle Propaganda-Märchen der Stromkonzerne hereinzufallen – so naiv können Mai und Südhofer und Schmoldt wohl nicht sein. Zum Beispiel behaupteten die Manager, sie müßten 25 Milliarden Mark zahlen. Inzwischen stellt sich heraus, daß es nur rund die Hälfte ist, und das auf zehn Jahre verteilt. Das wurde von Lafontaine auch vorher so dargestellt.
Die Tatsache, daß auch Zehntausende Gewerkschafter gegen seine Steuerpolitik demonstrierten, mag mit ein Grund für seinen zwei Tage später erfolgten Rücktritt sein. Und dabei richteten sich die Hoffnungen vieler in der IGBCE auf den ehemaligen Ministerpräsidenten des Saarlands, der sich mit dem Bergbau auskannte. Das war wohl ein massives Eigentor!
Die nach Bonn mobilisierten Kumpel und Kraftwerker wurden wieder einmal vor den Karren von Konzerninteressen gespannt, um massiven Druck auf die Bundesregierung auszuüben, wenn sie nicht zugunsten der Vorstellungen von VEBA und RWE entscheidet. Das hat mit Arbeitsplatzsicherung nicht das geringste zu tun!