Bergarbeiter-Info Nr. 27 vom Dezember 1999

Blumenthal/Haard wird doch stillgelegt

Die Meldung schlug wie eine Bombe ein – und wirkte wie ein Blindgänger: Blumenthal/Haard wird durch Zusammenschluß mit Auguste Victoria stillgelegt, aber kein großer Protest regte sich mehr. Es scheint, als ob die Kumpel durch die Vorgehensweise der RAG und DSK eine böse Erwartung bestätigt bekommen haben.

Und das ist ja auch so: Blumenthal und Haard wurden in den letzten Jahren "tot gesprochen" - die Folgelasten der Zusammenlegung wären so teuer durch das große Grubenfeld und die Menge der Schächte, die Förderung sei in den Keller gegangen, die Anlage produziere zu viele Bergschäden.

Das kennt man von anderen Zusammenschlüssen: daraus wurde bisher immer noch eine Stillegung, außer, man hätte der Anlage mehr Zeit gegeben.

Dazu kam die Politik "Rein in die Kartoffeln, raus aus die Kartoffeln!" Erst wurde die Nordwanderung als Ausweg betrieben, dann die Ostwanderung, dann das Olfen-Feld, dann das Altfeld unter der Stadt, dann wieder ein Bereich zwischen Schacht 8 und Haltern, erst wurde der Haard-Schacht zur Konservierung vorgesehen, dann wieder offengehalten – die Pläne jagten sich immer schneller und schneller, als einiges nicht erreicht wurde wie geplant.

Der Abbau unter dem Quellberg wurde gar nicht erst angefangen, als sich die Proteste der Anwohner aus Sorge vor Bergschäden häuften. Dafür wurde der Abbau unter der Stadt beschleunigt, so daß die halbe Fußgängerzone aufgerissen und neu verfugt werden mußte, wegen der Bergsenkungen. Ob Störungen oder planmäßige Politik: hier wurde eine jahrelang vernünftig laufende Zeche an das Ende gefahren.

"Geheime" Beschlüsse aufgedeckt?

Der Beschluß der DSK-Führung unter dem Stillegungsdirektor Beermann erfolgte eher als gedacht, wurde auch noch eher an den WDR und die Presse gegeben.

Nachdem die Nachtschicht schon aus dem Radio wußte, was kommt, wurden abends die Reporter noch mit der Bemerkung, sie würden die Leute aufwiegeln, von der Anlage geschickt. Aber die Morgenzeitungen brachten die Nachrichten dick und groß auf der ersten Seite, und die Kumpel erfuhren in der Regel wieder mal – wie schon so oft bei Stillegungen in den vergangenen dreißig Jahren – aus der Zeitung die wichtigen Dinge. Die Frühschicht wurde dann auch mit einem "Steinkohle-Extra" informiert. Gleichzeitig wurde für mittags zu einer außerordentlichen Belegschaftsversammlung eingeladen.

Die Stimmung hat sich gedreht

Über die Geheimhaltungspolitik beziehungsweise die undichten Stellen sollte sich niemand im Nachhinein aufregen, wie es Beermann tat. Auch die Lokalpresse tut "ihre Pflicht" und berichtet. Daß die DSK mit ihrer Stillegungspolitik inzwischen immer mehr in die Kritik auch wohlmeinender Menschen kommt, ist kein Wunder. Und die Stimmung in der Bevölkerung hat sich seit dem Jahre 1997 auch gedreht. Damals gelang es noch, eine Menschenkette von 200000 Leuten zusammen zu bekommen, die ihre Solidarität bekundeten, aber die RAG und die DSK mißbrauchten nur die Menschenkette für das Ziel, die Subventionen verlängert zu bekommen, dann konnten die Kumpel nach Hause gehen. Die unsozialen Folgen der Stillegungen tragen die Kumpel, die Öffentlichkeit und die Städte. Die spüren auch die Arbeitslosen, denn der Arbeitsmarkt wird noch enger. Und die Kolleginnen und Kollegen in den Zuliefererbetrieben und beim Handel.

5 Millionen Mark für Verbindung nach AV

Der Beschluß der DSK zur Zusammenlegung wurde gefaßt, ohne vorher zu klären, wie das geschehen solle. Irgendwo zwischen den Schächten Haltern und dem AV-Hauptschacht sollte eine Verbindung aufgefahren werden. Die wird 5 Millionen Mark kosten und zwei Jahre dauern.

Der Zusammenschluß und die Stillegung des Blumenthal-Altfeldes soll aber schon am 30. Juni 2001 sein, also in eineinhalb Jahren. Wie man dann noch eine Umstellung der Förderung aus dem Halternfeld bewerkstelligen will, ist offen. Schließlich läuft die Wagenförderung Richtung Schacht 8 mit Anbindung an den Hauptförderberg, da reicht es nicht, mal eben "die Bänder umzudrehen", wenn eine neue Strecke aufgefahren werden muß. Und ob in Haltern überhaupt noch genug billige Kohle für den Verbund liegt, soll auch erst im nächsten Jahr untersucht werden.

Dahinter steckt die Drohung: dann wird sich die DSK wohl die 5 Millionen sparen, und auch das Halternfeld mit stillegen. Zumal gar nicht klar ist, wie lange Blumenthal aus welchen Flözen überhaupt noch fördert.

Der Haard-Schacht soll offenbleiben für die "Option" auf das Olfen-Feld. Aber der Haard-Schacht hat keine direkte Verbindung nach Haltern – die müßte auch erst geschaffen werden, wenn der Altbereich Blumenthal dichtmacht. Ein herzliches "Glückauf" für die Vorrichtung...

"Verbund ist Schund" oder "Verbund kommt vor der Stillegung"

das wissen die Bergleute nicht nur von Ewald-Fortsetzung/Haard inzwischen genau. Insofern ist die Bezeichnung "Verbundbergwerk Auguste Victoria/Blumenthal" nur irreführend. Und es werden von den zusammen 7800 Arbeitsplätzen 3800 vernichtet – rund die Hälfte. Jeder weiß, wie wenige noch in Kurzarbeit und Anpassung gehen können in den eineinhalb Jahren.

Widerstand ist berechtigt

Gegen die beschleunigte Stillegungspolitik der RAG wäre Widerstand berechtigt. Aber der kommt nicht von den Mitbestimmungsträgern wie Personaldirektoren und Aufsichtsräten. Die Arbeitnehmerseite hätte zusammen mit dem Recklinghäuser Landtagsabgeordneten Hegemann (CDU) als "neutralem Mann" sogar die Mehrheit, wenn sie den Beschluß kippen wollten. Vielleicht könnte sich der CDU-Abgeordnete da ja eine Ausgangsposition für die Landtagswahlen erobern ?

Nein – das Verhalten dieser Leute im Aufsichtsrat ist abgekartet. Und da legt keiner der IGBCE-Funktionäre einen Riegel vor, weder der Landesbezirksvorsitzende Geißler noch ein Betriebsratsvorsitzender.

Widerstand gegen die Personalanpassung kann nur von unten kommen, oder nicht nur der Bergbau in Recklinghausen, sondern auch die Bergarbeiterbewegung wandert – ins Museum.

Schon wird das Zechengelände verplant

Die Eile, mit der Beermann mit den Stadt- und Kreisspitzen verhandelt, bedeutet nichts Gutes für die Kumpel. Es wird von Ersatzarbeitsplätzen geredet, die noch keiner am Horizont sieht. Aber das Zechengelände soll so schnell wie möglich aufgearbeitet werden. Der Gewerbepark König Ludwig ist noch nicht voll bebaut, das neue Gewerbegebiet Ortloh steht noch leer, für das Gelände der ehemaligen Kaserne in Ost gibt es noch keine Anleger, das Betriebsgelände der früheren Klöckner-Becorit steht seit Zeiten leer zum Verkauf – daran ändert auch die neue CDU-Mehrheit im Kreistag und im Stadtrat nichts. Soviel Gewerbe soll nach Recklinghausen kommen?

Hier erwarten die Kumpel keine Geheimverhandlungen. Wenn irgendjemand von Ersatzarbeitsplätzen spricht, sollte man sofort wachsam werden: am liebsten ist es den Investoren, wenn die Belegschaften noch Geld mitbringen, die Städte ihnen das Grundstück schenken, und der Staat noch Investitionszulagen zahlt.