Bergarbeiter-Info Nr. 27 vom Dezember 1999

Das Theater um das Weihnachtsgeld oder der erneute vorauseilende Gehorsam der IGBCE

Es war ja nun nicht das erste Mal, aber auch in diesem Jahr betätigte sich die IGBCE wiedereinmal als Erfüllungsgehilfe der RAG-Unternehmer. "Um Entlassungen zu verhindern", erklärte IGBCE-Sprecher Christoph Meer, "ist der sogenannte Kauf von Freischichten aus dem Weihnachtsgeld wohl nicht mehr zu vermeiden." Und IGBCE-Vorstand Bischoff: "Wir haben nach dem Kohlekompromiß das Instrument geschaffen, betriebsbedingte Kündigungen durch den Kauf von Freischichten zu vermeiden. Nun müssen wir dieses Instrument einsetzen." Der Recklinghausener IGBCE-Chef Hardy Walther legten noch einen drauf: "Nur noch so lassen sich betriebsbedingte Kündigungen vermeiden" und "die Kollegen haben weniger Geld im Portemonnaie, das ist aber besser als arbeitslos zu sein." Ein wahrer Argumentenhagel prasselte kurz nach den Sommerferien auf die Köpfe der Kumpel nieder. Auf allen Zechen wurden die IGBCE-Flugblätter verteilt, um die Kumpel entsprechend einzustimmen. Von Unternehmerseite war zu diesem Zeitpunkt nichts zu hören. Also wiedereinmal vorauseilender Gehorsam!

Aber die IGBCE-Spitze machte die Rechnung ohne die Kumpel. Es dauerte zwar etwas, aber dann wurde doch auf vielen Zechen der Unmut deutlich! Zu lange haben die Bergleute geblutet. Seit Anfang der neunziger Jahre kaum mehr Lohn in der Tasche. Immer wieder Lohnverzicht für Freizeit. Und jetzt schon das zweite Mal ans Weihnachtsgeld. "Die wollen uns doch verarschen!" - "Wir werden schon seit 10 Jahren geknechtet. Es reicht!" - "Wir haben genug geblutet!" sprachen die Kumpel den Reportern ins Mikrofon. Dann tauchten auf der Zeche Westfalen Flugblätter von Kumpel auf. "Wir bedanken uns bei der Gewerkschaft und den Betriebsräten für die Freischichten, die wir von unserem Weihnachtsgeld kaufen dürfen, um diese unseren Kindern unter den Weihnachtsbaum zu legen", steht darauf sarkastisch ... und "Wir leisten noch nicht einmal Widerstand. Was haben wir zu verlieren?" Es gab erste Gewerkschaftsaustritte. Frauen von Kumpel faxten ihren Unmut an die Bezirksvorstände der IGBCE. Das zeigte dann Wirkung!

Gut 6 Wochen später war der Freischichtenkauf vom Weihnachtsgeld vom Tisch.

Die IGBCE verkaufte das jetzt in einer erneuten Flugblattaktion als Erfolg! Als wenn die Kumpel vergeßlich wären ... und ihre Propaganda-Kampagne kurz vorher nicht dagewesen wäre. Plötzlich der selbe IGBCE-Vorstand Bischoff im Originalton: "Der Kauf von Freischichten wäre für die in den letzten Tarifrunden ohnehin schon gebeutelten Bergleute ein zusätzliches Opfer." (!) Woher der plötzliche Sinneswandel ? Was hat sich an der Lage derart geändert, daß nun eine neue Politik gefahren wurde ? Dieselben Funktionäre, die noch kurz vorher den Kumpel die Notwendigkeit um die Ohren schlugen, erklärten nun seelenruhig das Ergebnis als Erfolg. Kumpel - wielange wollen wir uns von denen noch verarschen lassen ?

Aber dann kam doch der wahre Sinneswandel zum Vorschein. NRW-IGBCE-Chef Geissler meinte nun, man müsse über die Reduzierung der Lohnkosten nachdenken: "Diese Maßnahmen werden nicht weniger schmerzhaft, als der nun abgewendete Verzicht auf das Weihnachtsgeld." Was er damit meinte, wurde dann beim letzten Lohnabschluß deutlich: Nur einmalig 400,- Mark und wieder keine Erhöhung auf den Grundlohn / das Grundgehalt, das für die Berechnung des Anpassungsgeldes, des Arbeitslosengeldes usw. als Grundlage dient. Und wieder hat die IGBCE-Führung diesen Beschiss an den Kumpel mitgetragen!