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Fast 4 Jahre ist es her, daß wir im März 1997 mit unserem Kampf dem Konzern milliardenschwere Subventionen erstritten. Damals waren wir zuversichtlich, oder hofften zumindest, daß wir etwas davon haben würden. Heute aber überwiegt unter uns die Meinung, daß wir verarscht wurden. Vorgezogene Stillegungen, beschleunigter Personalabbau, zwang zur Samstagsarbeit, verschlechterte Klimaschichten-Regelung das sind nur einige Stichworte über den Umgang von DSK und RAG mit Jenen, die dem Konzern erst durch ihren Kampf ermöglichten, ihren weißen Tochterbereich auszubauen, zum größten Kohle-Importeur zu werden und Weltweit Kohlegruben aufzukaufen. Während munter überhöhte Preise im Konkurenzzwang für die Belegschaften. Bei Verbundmaßnahmen werden die zusammenzufahrenden Betriebsvereinbarungen verschlechtert. Durch Verlegung und Abkehr gibt es kaum noch eingearbeitete und geschlossen handelnde Belegschaften. Und so kann der Druck auf alle erhöht werden, die Zechen zu verlassen. Es ist unwürdig, was sich dabei abspielt. Die Älteren sehen- und das verständlich- keine Perspektive in Abkehr oder Umschulung. Sie drängen die Jungen, damit die Planzahlen für den Belegschaftsabbau erfüllt werden. Deutsche Belegschaftsteile machen bei ausländischen Kumpeln Unbeweglichkeit aus. Die durch Verlegung aufzunehmenden Kumpel werden als Konkurrenz angesehen. Wer abkehren will, den interessieren die Verschlechterungen im Betrieb nicht. Wer bleiben will, der traut sich nicht, aufzumucken. " Noch mal gehe ich nicht nach Bonn und laß mich vorführen und hinterher verarschen!" In der Tat ist diese Meinung verständlich, hatten wir doch andere Ziele im Auge, als wir den Kampf begannen. Aber laßt uns das Kind im Bad ausschütten. Laßt uns die Kämpfe ´97 nicht aus dieser verständlichen verbitterten Sicht sehen. Ohne unsere entschlossene Solidarität und unseren Kampf hätte sich doch gar nichts bewegt: nicht die Gewerkschaften, nicht die Politik. Ohne unsere Mahnwachen und lokalen Aktionen hätte auch die Kommunalpolitik nicht wahrgenommen. Und wieviel gelebte Solidarität erfuhren wir an unseren Mahnfeuern, wieviel Menschen aus den unterschiedlichsten Bereichen, Schüler, Belegschaften, Kirchengemeinden usw. solidarisierten sich mit uns in der Menschenkette und stärkten uns und damit das Zusammengehörigkeitsgefühl und die Solidarität in der Region. Diese gelebte Solidarität hat uns selbstbewußt gemacht und erst so waren wir ein ernstzunehmender Gegner der Region. Allein das wird, wer damals dabei war, nie vergessen.
Und, weil auch heute nur Solidarität und Selbstbewußtsein uns handlungsfähig machen wird alles getan, damit wir diese Lehre aus dem Kampf vergessen. Nur so kann der "Anpassungsprozeß" ohne Widerstand über die Bühne gebracht werden. Deshalb dürfen wir die Lehren aus unserem Kampf nicht vergessen. Denn, daß jeder dem Anderen sein Deibel ist, daß tarifliche und betriebliche Errungenschaften zurückgenommen werden, liegt nicht daran, daß 1997 der Kampf Verarschung war, sondern, daß wir entmutigt resignieren, daß wir die Voraussetzungen unserer damaligen Handlungsfähigkeit vergessen: Solidarität und Selbstbewußtsein.
Das ist es, was wir wieder ins Gedächtnis rufen müssen: Alles, was wir tun, muß in der erlebten Solidarität getan werden. Wir haben Würde und Selbstbewußtsein, ob wir auf der Zeche bleiben oder nicht. Wir müssen und dürfen uns nicht gefallen lassen, daß das betriebliche Umfeld, unsere Bezahlung und Arbeitsbedingungen verschlechtert werden ob im Bergbau persönlich eine Perspektive sehen oder nicht. Wir dürfen niemanden verdammen, ob er bleiben will oder gehen will. Jeder muß wissen, frei und selbstbewußt persönlich entscheiden kann, wie sein weiterer Weg sein soll. Niemand muß jede Arbeit annehmen müssen, die die Job-Center vermitteln. Wir dürfen uns nicht vom Pütt drängen lassen. Die überall propagierten "glücklichen" Existenzgründer sind Ringeltauben, die Zahl der gut bezahlten Arbeitsstellen mit Zukunft in dieser Region der höchsten Arbeitslosigkeit nach den neuen Bundesländern Mangelware. Und niemand zeigt die Pleiten und Konkurse, niemand die in Arbeitslosigkeit umgeschulten Bergleute, die aus ihrem neuen Betrieb in die Arbeitslosigkeit gehen. Nur eine solidarische Belegschaft kann sicherstellen, daß jeder in Würde seine persönliche Entscheidung fällen kann.
Nicht Ausländer, nicht Junge, nicht die Verlegten, nicht die Belegschaft sind Schuld an der Misere. Und nicht, daß die Solidarität 1997 falsch war. Wie wir, ob selbstbewußt und in Würde, ob ohne große Verschlechterungen in den Betrieben, diese Entwicklung für uns alle, aber auch jeder für sich und seine Familie, gestalten können, das hängt im Gegenteil davon ab, ob wir die Solidarität der Belegschaften 1997 als Lehre vergessen oder uns endlich wieder an sie erinnern!
Wiedereinmal waren die Zeitungen in den letzten zwei Monaten voll von Beerdigungsreden für den Bergbau. Die EU-Kommissarin, de Palacio, wollte die Beihilfen in Höhe von 8,5 Mrd DM für das Jahr 2000 nicht genehmigen und schon meldeten sich neue und alte Totengräber zu Wort. So forderte der eine - aus der uns schon lange bekannten "Mann-Riege" (Bangemann und Hausmann) nämlich Möllemann die Beendigung der Subventionen ab 2005. Da dachte dann der CDU-"Wirtschaftsexperte" Uldall, er dürfe zwar nicht ganz so radikal sein, aber ein Ende müsse her und er forderte die Stillegung des Bergbaus für 2010. Die offizielle FDP tat sich dann mit den Grünen zusammen und wollte dann endgültig im Jahre 2015 keinen Bergbau mehr sehen.
Den Gipfel erreichte dann Landeschef Clement, als er im vorauseilenden Gehorsam bei den Verhandlungen in Brüssel verkündete, nach 2005 müsse die Förderung von dann 26 Mio to auf 20 Mio to sinken (das wären nocheinmal 2 Zechen mit rund 10 000 Kumpel). Das würde von Brüssel akzeptiert eine weitere Stabilität für den Bergbau bedeuten. Als dann die "Freunde des Bergbaus" aus der CDU Clement "einen Totengräber des Bergbaus" bezeichneten, legte er zur Beruhigung nach, dass es mit dieser Landesregierung keine betriebsbedingten Kündigungen geben wird.
All das hat natürlich den Sinn, die Öffentlichkeit und besonders die Kumpel daran zu erinnern, dass sie sich weiter auf Stillegungen einstellen müssen und den Druck auf die derzeit vielleicht noch Zaudernden ob sie sich nun wirklich einen neuen Arbeitsplatz suchen sollen zu erhöhen.
So konnte Bundeswirtschaftsminister Müller auch schnell mit Brüssel eine Einigung erzielen.
1,2 Mrd. DM sollen nicht mehr für Absatzhilfen verwendet werden, sondern in den Stilllegungsprozess der ohnehin schon zur Schließung ausgeguckten Zechen. Also von der rechten in die linke Tasche der RAG. Jeder rechnet nun mit der Bewilligung der Beihilfen noch im Dezember. Aber es wurde wieder ein neuer Pflock Richtung Vorbereitung auf den weiteren Abbau eingeschlagen. So sprechen auch Insider auch davon, dass man mit diesem Kompromiss zwar das Gesicht gewahrt hat, er aber nicht zum Erhalt des Bergbaus beiträgt.
Der RAG-Vorstand meldete sich in diesem Zusammenhang beschwichtigend zu Wort. Zum einen sei die Produktivität seit 1994 um 18% gesteigert worden und außerdem sei man beim Belegschaftsabbau voll im Plan. Mitte November wären bereits 10 500 der 12 000 geplanten Arbeitsplätze vernichtet worden. Und 2001 sollen noch weitere 8 400 folgen. Trotz der riesigen Probleme auf den Zechen und Betrieben, die zunehmend mit weniger erfahrenen Kumpel die Förderung bringen sollen. Laut RAG-Chef Starzacher soll an dem 1997 verhandelten "Kompromiss" weiter festgehalten werden. Hier sollte ja die Belegschaft bis 2005 von 60 000 auf 36 000 reduziert und die Förderung auf ursprünglich 30 Mio to gedrückt werden. Hier hatte die RAG ja selbst die Marke auf 26 Mio to nach unten korrigiert.
Ansonsten stiehlt sich Starzacher aus der Verantwortung, wenn er betont: "Die Frage, wie viel Bergleute es geben kann, muss nicht die RAG, sondern die Politik beantworten."
Aber gerade die RAG stellt mit ihrer Geschäftspolitik entscheidend die Weichen mit für die Zukunft. Auf der Bilanzpressekonferenz wurde herausgestellt, dass nunmehr 2/3 des Umsatzes außerhalb der heimischen Zechen gemacht wird und rund ¼ des Umsatzes im Ausland erreicht wurde. Hier hat die RAG inzwischen bei den privaten Kohleproduzenten eine Spitzenplatz. In 31 Bergwerken fördert die RAG inzwischen weltweit 107 Millionen Tonnen Kohle. Sie ist daher außer dem Mitnahmeeffekt der Subventionen gar nicht mehr auf unsere Zechen angewiesen.
Das wird auch an einem weiteren Punkt deutlich. Hatte die RAG aus haushaltstechnischen Gründen bereits im letzten Jahr bereits dem Bund 500 Mio DM Subventionen gestundet, so verzichten sie in 2000 bis 2002 noch einmal auf insgesamt 600 Mio DM. Wirtschaftsminister Müller muss seinen Haushalt um 250 Mio DM abspecken. Der Verzicht auf Auszahlung durch die RAG hat ihn damit wieder einmal aus der Klemme geholfen. Diese Summe soll dann nach 2003 ausgezahlt werden. Die RAG muss diese fehlenden Mittel vorfinanzieren und auch die Zinslast tragen. Langsam auch im Zusammenhang mit der Nachfolgefinanzierung für die Kokerei Kaiserstuhl in Höhe von rund 500 Mio DM (Kapitaldienst siehe Artikel dazu) drängt sich die Frage auf, wieso die RAG das eigentlich so kann. Denn ab 2001 muss sie selbst ja auch jährlich 200 Mio DM für die Zechen aufbringen. Und da brauchen sie uns nicht kommen mit Lohnverzicht oder zusätzlichen Freischichten !
Das alles passiert mit Zustimmung der Landesregierung und auch der Gewerkschaft
IGBCE.
Diese greift beschwichtigend mit Schlagzeilen ein, "Es gibt keine Unruhe
auf den Zechen."
Anstatt auf den Respekt zu setzen, den wir durch unseren Kampf 1997 bei den Politikern hinterlassen haben, tragen sie alle "Sauereien" und helfen mit, die Tatsachen zu verschleiern.
Denn wiedereinmal steht die Frage, wie lange hält der "Kompromiss" von 1997 ? Bis zum Jahre 2002 wenn der EGKS-Vertrag ausläuft, der die Beihilfen absichert ? Einige sprechen von diesem Datum bereits als Beginn eines neuen Anpassungsprogrammes.
Kumpel, hör die Signale!
Es ist schon längst unerträglich geworden, was sich mit den auflaufenden und nach unterschiedlichen Anspruchsvoraussetzungen entstehenden Freizeitansprüchen abspielt. Kein Kumpel blickt durch, welche und wie bezahlte Ansprüche er abfeiert, wenn Freizeit ansteht. Sind es persönliche Freischichten, ist es abzufeiernde Mehrarbeit oder eine Wamnfreischicht? Aber der Wahnsinn beginnt ja schon, wenn der Kumpel in Freizeit gedrängt wird, obwohl laut Tarifvertrag sein Wunsch zu berücksichtigen ist; oder aber er bekommt kein frei, weil das betrieblich angeblich nicht geht. Viele Kumpel schieben 50-60 Schichten Freizeitanspruch vor sich her.
Nun hat die technische Kommission von der Seite der IG BCE einen Vorschlag auf den Tisch bekommen, der Abhilfe schaffen sollte. "Ampel-Freizeitkonto"- so der Vorschlag. Was heißt das?
Alle Freizeitansprüche werden auf einem Freizeitkonto gesammelt. Die tariflichen Urlaubstage und die mit dem Urlaub verplanten Freizeitansprüche tauchen dort nicht auf. Die Freischichten werde nicht an Anspruchsvoraussetzungen gebunden, sondern monatlich entsteht automatisch ein Freizeitanspruch von 1,75 Freischichten. Das wären dann die tariflich vereinbarten 21 PF-Schichten. Alles andere, wie Warmfreischichten und abzufeiernder Mehrarbeit kommt aufs Konto und wird finanziell gleichbehandelt und unbefristet nehmbar. Während der "grünen Phase" (Freizeitanspruch von bis zu 20 Schichten) kann frei genommen und erworben werden. Ab 21 Schichten Freizeitanspruch gibt es ein Gespräch mit dem Reviersteiger, wie das Konto wieder in den grünen Bereich kommt. Ab 36 Schichten Anspruch ist die "rote Phase": Sofort eine Woche zu Hause bleiben und Gespräch mit dem Reviersteiger über die Rückführung des Kontos in den grünen Bereich. Für uns wäre dieses Modell sicherlich eine Verbesserung, denn wir bräuchten nicht um Freizeit betteln, könnten selber planen und unsere Ansprüche auch besser umsetzen. Was sagt die Arbeitgeberseite dazu?:
Der neue Chef des DSK formuliert stellvertretend, daß bisher im Schnitt die Kumpel 18 Freischichten erworben hätten. Wenn aber 21 Freischichten ohne Anspruchsvoraussetzung gewährt würden, dann wären das tatsächlich 3 Freischichten mehr, als bisher. Das kostet die DSK zig-Millionen, und deshalb muß er ablehnen.
War es nicht so, daß wir bei Abschluß des Tarifvertrages auf 0,5 % Lohn pro Freischicht verzichtet haben, ob wir alle Freischichten haben erwerben können oder nicht !? Bezahlt haben wir also 21 Schichten und erreicht haben wir durchschnittlich nur 18. Da hat also die DSK jahrelang pro Mitarbeiter 3 Schichten weniger gewährt als wir bezahlt haben. Und nun möchten sie diese 3 Freischichten noch einmal bezahlt haben, wenn Sie sie uns gewähren!
Wir fordern sofortige Aufnahme der Gespräche zur Umsetzung des vorgelegten Konzeptes!
Verfolgt man die Presseberichte über die Schließungen und Verbünde bei der DSK, so ist fast ausnahmslos Positives über diese " Abwicklungen " zu lesen. Vor allem wird immer wieder hervorgehoben, daß alles ohne betriebsbedingte Kündigungen verlaufen sei. Betriebsversammlungen auf den verschiedensten Schachtanlagen sind austauschbar, was ihre Inhalte angeht, sofern man den Presseberichten glauben kann. Im Vordergrund steht immer wieder der Personalabbau und es wird der Eindruck erweckt, für Abkehrende entwickle sich alles zum Guten.
Wie sieht es nun konkret bei den Kumpels aus, die noch ein Jahr zuvor auf Ewald/Hugo für den "besten Auslauf aller Zeiten" sorgten?
Da sind erst einmal die Dauerkurzarbeiter und die Anpassungsgeldempfänger. Sicherlich sind diese relativ gut dran. Sozial gut abgefedert sind sie "Edelarbeitslose" im Vergleich zu anderen Arbeitslosen in unserem Land. Schwierig wird es allerdings auch schon für den, der finanziell keinen Spielraum mehr hat; denn Überschichtprozente, Anfahrtsprämie, lukrative Sonntagsschichten addiert mit den normalen Minderungen auf 93% des Nettolohns machen schnell je nach vorherigem Verdienst 500 bis 1000 DM weniger aus, ganz zu schweigen von den Verlusten bei der Rente für die Übertagebeschäftigten. Aber auch ein seelisches Problem ist nicht zu unterschätzen : Auf einmal gehört man nicht mehr dazu, beschleicht einen das Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden, zum alten Eisen zu gehören, schämt man sich gar ein wenig denen gegenüber, die weiterhin malochen. Oder man muß sich gar vor anderen rechtfertigen für die eigene nicht frei gewählte Situation. Mit dem Dichtmachen der Zeche ist auch die Möglichkeit vorbei, ab und zu mal einen Besuch in der Kaue zu machen oder mit früheren Kollegen in der Kantine gemeinsam einen Kaffee zu trinken. So wird die Vereinzelung und auch das Abwenden von den Problemen der noch Beschäftigten auf Seiten der Ausgeschiedenen immer größer. Die Entsolidarisierung hat hier einen guten Nährboden.
Wer heute als noch aktiver oder schon ausgeschiedener Bergmann durch Wohngegenden von früheren Arbeitskollegen geht, trifft ab und zu auf, zum Teil auch verhälnismäßig junge, Kumpel mit verschiedenen körperlichen Beschwerden. Nachgefragt, welcher Beschäftigung sie zur Zeit nachgehen, stellt sich immer wieder heraus, daß sie auf Grund längerer Krankengeschichten entweder eine Kündigung erhielten oder aber bedrängt wurden, von sich aus zu kündigen. Oftmals läuft gerade noch ein Rentenverfahren oder wurde eine solche inzwischen gewährt. Auch hier sind manche finanziellen Einbußen in Kauf zu nehmen. Es sind dies oft Kollegen, die vor vielleicht 10 Jahren noch eine Arbeit auf der Zeche als Kauenwärter, Pförtner, Mann in der Warenausgabe, in der Datenleitstelle oder im Büro gefunden hätten. Heute ist für sie kein Platz mehr im Arbeitsprozess und haben sie noch so sehr ihre Knochen hingehalten!
Immer wieder wird in der Presse berichtet, welch tolle Umschulungsmaßnahmen die DSK ausscheidenden Bergleuten biete. Sicher muß auch hier zugestanden werden , daß im Vergleich zu anderen Umschulungsmaßnahmen die finanzielle Absicherung bei der DSK eine bessere ist; doch das darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß auch hier finanzielle Einbußen in Kauf genommen werden müssen. Die entscheidende Frage , wie es mit einer Beschäftigung nach der Umschulung aussieht, beantwortet sogar die DSK mit der Zahl von 20%, die ein Jahr nach Abschluß der Umschulung keine Beschäftigung haben. Sowohl die Zahl derer, die eine Umschulung erst gar nicht beenden, wie auch derer, die zu einem späteren Zeitpunkt wieder ohne Arbeit dastehen, dürfte diese 20% noch nach oben treiben.
So berichtete mal ein zum Schreiner umgeschulter früherer Bergmann , ein Unternehmen habe ihn 2 Jahre, solange es Zuschüsse von der DSK gab, beschäftigt, dann aber sofort gekündigt.
Ähnliche Gefahren birgt auch das Einlassen auf die HWI (Handwerkerinitiative). Sicher ist hier von Vorteil, daß der Kumpel jederzeit zur DSK zurückkehren kann.; doch auch hier ist die Frage Frage : Wie sieht es nach 2 oder 3 Jahren aus , wenn die Unterstützung durch die DSK flachfällt? Sicher hier gibt es diejenigen, die mit ihrem neuen Job zufrieden sind , die es gar finanziell und arbeitsmäßig besser erwischt haben, den Busfahrer bei der Bogestra oder den Elektriker bei der Spezialfirma für Aufzüge. aber es gibt auch den , der aus der Zitterpartie im Bergbau geflohen ist, nachdem der ersten Verlegung von Gelsenkirchen nach Duisburg eine neue noch weiter entfernte folgen sollte. Nun muß er sich bei der Stadtreinigung von ganz unten langsam nach oben arbeiten mit sicher nicht geringen finanziellen Einbußen.
Auch Aufhebungsverträge bzw. die Inanspruchnahme der Übergangshilfe verbergen hinter anscheinend sehr hohen Geldbeträgen viel Verblendung und große Gefahren. Manche Frustsituation oder schwierige momentane Stimmung veranlassen Kumpel sich darauf einzulassen. Da ist der Kumpel, der auf Grund längerer rätselhafter Krankheit sich zu diesem Schritt verleiten läßt oder derjenige, dem zum Streß in der schwieriger familiärer Lage nun der Streß einer Verlegung mit all ihren negativen Folgen hinzukommt und entnervt nach diesem verlockenden Strohhalm greift. Oder derjenige der sich Illusionen hingibt bezüglich eines nun vorhandenen Startkapitals für eine Selbstständigenexistenz.
Früher wurde Kumpels in solchen Streßsituationen noch vom Betriebsrat oder der Personalabteilung zugeredet, einen Kurzschluß zu vermeiden, und ihnen andere Wege aufgezeigt, mit schwierigen Situationen fertig zu werden, heute aber wird ihnen eher zugeredet, einen solchen Schritt zu tun.
Was aber ist mit denjenigern, die noch zu den "Auserwählten "( oder Hartgesottenen oder Alternativlosen) gehören, die eine Verlegung erhielten?
Erst einmal fällt ins Auge und wird in der Öffentlichkeit auch nicht bestritten, daß mit neuen langen Wegezeiten eine zusätzliche Belastung zum schon vorhandenen Berufsstreß hinzukam. Bislang schon übliche Zeiten von Haustür zu Haustür an Arbeitstagen von mindestens 10 Stunden (Wegezeit 60 Min., Umkleide- undWaschzeit 60 Min.
Schichtzeit 8 St.) erhöhen sich auf mindestens 11, eher aber mehr Stunden (alles ohne Stau gerechnet!) Natürlich erhöht sich auch das Unfallrisiko gerade nach ermüdenden Schichten.
Mancher hat allein auf Grund dieser Tatsache schon sein Handtuch geschmissen. Ein Reviersteiger lehnte gar ab, auf Fahrgemeinschaften Rücksicht zu nehmen, da sich dadurch in Sonderfällen (z.b. Verschlafen oder defektes Auto) das Risiko von einem Ausfall auf mehrere erhöhe - wobei er natürlich den umgekehrten Fall, daß es auch möglich ist, daß der "Verursacher" in einem solchen Fall doch noch zur Schicht erscheint (er wurde geweckt, ein anderes Auto kann benutzt werden), nicht erwähnte. Sicher auch nicht eifach ist die Eingewöhnung an neue Verhaltensweisen, Regeln und Betriebsvereinbarungen. Wer Glück hat, erhält wieder eine vertraute Arbeit, doch nicht zu selten heißt es, erst mal ganz unten in der Hirarchie anzufangen. Manches Mal sind gar Arbeitsverhältnisse, Arbeitsorganisation, Technik und Leistung schlechter als auf dem alten Bergwerk und man fragt unwillkürlich : Warum hat unser Bergwerk dichtgemacht, steckt da System drin, sucht man nur Gründe für die nächste Schließung? Oder man ist gar auf einem Bergwerk gelandet, dessen Schließung bzw. Verbund schon bald wieder bevorsteht. zu all dem vermittelt dann das Jobcenter täglich den Eindruck, daß man eigentlich unerwünscht ist auf dem Bergwerk. Bei der Arbeit aber spiegelt sich der "Erfolg" des Jobcenters in der Form wieder, daß immer weniger Beschäftigte die Arbeit tun sollen, die mit ganz anderen Planzahlen vorgesehen ist. Für die Kumpels untereinander wird es immer schwerer, sich aufeinander einzustellen; es kommen neu Verlegte,altbekannte Kumpels scheiden aus, Kumpels gehen zu und kommen von HWI`s zurück. Daß in all diesem Durcheinander die Motivation zur Arbeit und auch die Kameradschaft den "Bach runter geht" ist nur zu verständlich. Diese Atmosphäre fördert nur Vereinzelung, Entsolidarisierung und das "Rette sich, wer kann".
Auf der Altanlage Ewald/Hugo aber sitzen die letzten Abwicklungskumpels im Stillstandsbereich, hoffen, daß für sie der Spuk mit ihrem Ausscheiden bald vorbei ist und zupfen an ihrem Blümchen fragend: Kommt das Besucherbergwerk oder kommt es nicht?
Wer ist der Meister in der Arbeitsplatzvernichtung? Der Wettbewerb auf den
Zechen geht weniger um Leistung und Förderung, als um Abbau der Kumpel,
Verringerung der Belegschaften auf Deubel komm raus.
Unterdeckung in den Revieren? Kein Thema wer geht, ist weg und wird nicht
ersetzt.
Nicht genügend Handwerker? Vielleicht kommen ja vorübergehend welche
von stillzulegenden Anlagen.
Die Schilder vor den Büros müssen noch schneller gewechselt werden. Der Direktor geht der PS-Direktor geht was willst Du dann noch auf der Zeche, Kollege?!
Leider ist das für die Betroffenen kein Spaß. Die Stimmung sinkt. Die Leistung steigt. Die Förderung erreicht Rekordwerte. Es soll schon wieder "der beste Auslauf" werden wie auf Ewald? Hauptsache, die Belegschaft ist am 1.7. zusammen mit AV nur noch 3800 Mann (und einige wenige Frauen) stark. Kumpel werden stillgelegt, stillgehalten.
Die Werksleitung von Blumenthal/Haard erzählt als Erfolg, daß achthundert Bergleute, Handwerker, Techniker und Angestellte die Zeche in diesem Jahr verlassen haben. In der Zeitung wird über die "Ringeltauben" groß und breit berichtet, etwa, wenn zwei sich selbständig gemacht haben, oder wenn einige Kumpel jetzt in Frankfurt auf dem Flughafen anfangen können.
Natürlich gibt es Kumpel, die sich auf die Art ihre Zukunft besser gestalten. Aber was ist mit den vielen über 38, 40 Jahre, die schon viele Jahre auf dem Pütt haben, aber im Arbeitsmarkt kaum eine Chance? Haben sie noch eine Möglichkeit in Zukunft bei der DSK?
Fragen machen die Runde, was ist mit drohenden Verlegungen nach Ibbenbüren?
Jeden Tag hundert Kilometer hin und hundert wieder zurück? Oder eine Bude
nehmen? Was ist mit der Familie? Und Lohberg ist ja auch vierzig Kilometer weg.
Und alle können nicht nach AV gehen...
Umschulungen laufen Kurse sind aber nur bis Ende des Jahres genehmigt.
Handwerker-Initiativen werden angepriesen. Den Kumpels kann das oft nicht genügen.
Wenn sie drei Monate einen Schnupperkurs machen, können sie das gleiche
Geld verdienen wie auf dem Pütt. Wenn es aber zum Vertrag über ein
dauerhaftes Arbeitsverhältnis kommen soll, gilt man auf einmal als "Ungelernter",
der einige Mark weniger pro Stunde verdient.
Da sind schon einige Kollegen empört zurück gekommen.
"Davon kann ich meine Familie nicht ernähren", sagen sie.
Wer abkehren kann, weil sie leichter Arbeit finden, sind die ausgebildeten Elektriker
oder Schlosser. Natürlich fehlen sie auch als erstes in der Grube.
Wer nicht abkehren kann, sind zum Beispiel viele türkische Kollegen, für
die der Arbeitsmarkt so gut wie zu ist.
Und wer auch unter dieser Wegschiebepolitik der RAG leidet, sind die Langzeitarbeitslosen, die schon länger im nördlichen Ruhrgebiet auf passende Arbeit warten. Sie müssen sich nun noch länger gedulden, denn ihre Aussichten sind durch die vielen freigesetzten Bergleute noch schlechter geworden.
Die "Erfolge" der RAG sind die Probleme der vielen Betroffenen. Lohnverluste und weite Wege drohen, und vor der Stillegung werden viele Fäuste in der Tasche geballt. Wo bleibt der Widerstand?
Am 1. Januar 2001 wird durch entsprechenden Leitungswechsel der Zusammenschluß zwischen Auguste Victoria und Blumenthal/Haard praktisch vollzogen, auch wenn der rechtliche Zechenverbund erst am 1.7. wirksam werden soll, wenn das Blumenthal-Altfeld stillgelegt worden ist. Der Name "Auguste Victoria/Blumenthal" ist die reinste Beschönigung einer Stillegung. Die Vernichtung von Tausenden von Arbeitsplätzen war schon immer mit Beschönigungen versehen worden nicht nur bei der RAG.
Das Altfeld mit den Schächten 2, 3, 4, 7 und 8 wird dann zur Verfüllung und zum Abriß freigegeben. Einige hundert Kumpel werden noch eine Weile Arbeit im Stillstandsbereich haben. Schon jetzt bemüht sich die Stadt und die Grundstücksverwertung der RAG um Nachfolgenutzung. Das wird nicht einfach sein: Gewerbegebiete gibt es reichlich, auch aus ehemaligen Zechengrundstücken. Kleinbetriebe halten sich nur, wenn Produkte und Dienstleistungen an den Kunden gebracht werden können. Einige frühere Vorzeigeunternehmer in Recklinghausen wie Dr. Pieper oder Herr Struck haben der Stadt gezeigt, wie man Sonderkonditionen herausholt, dann Millionen in die eigene Tasche wirtschaftet, und die Arbeitsplätze hinterher verloren gehen.
Die Zeche hat inzwischen über achthundert Leute abgebaut.
Der letzte Streb unter der Stadt wird ausgekohlt. Bergschäden gibt es zwar - im November stürzte ein Teil einer Decke in einem Klassenraum ein, wobei niemand zu Schaden kam aber die Unruhe in der Stadt hat sich vorübergehend gelegt. Eine Bürgerinitiative gegen den Abbau hat gerichtlich verloren.
Viele Millionen Investitionen auf Blumenthal sind praktisch in den Sand gesetzt worden. Die Aufschließung der 11. Sohle, das Ostfeld die Kohle bleibt in der Erde.
Bisher ist nicht klar, was von der Zeche übrig bleibt. Es wäre wichtig, daß nicht aus Profitgründen alles abgerissen würde. Sowohl der alte Förderturm "Erin" in Castrop-Rauxel als auch die Schachtanlage Zollverein XII in Essen zeigen, was man alles machen kann. Aber wichtig wäre, daß Belegschaft und Gewerkschaft in Aktion träten. Die Kumpel werden in alle Winde zerstreut, aber die meisten werden weiter dort wohnen. Die Bergmannsgeschichte und Kultur sollte nicht untergepflügt werden!
Ende Oktober tauchten über 100 Polizisten zusammen mit der Staatsanwaltschaft auf allen Zechen des Ruhrgebiets und in der Verwaltung in Herne auf. Aufgrund einer anonymen Anzeige vom Niederrhein (weil der vielleicht selbst nicht in den "Genuss" gekommen ist)
wurden die Akten der Personalabteilungen durchsucht und zum Teil beschlagnahmt. Die Bundesknappschaft ging zusammen mit der Staatsanwaltschaft 15 (!) Fälle nach, die sich über den Grubenwehrstatus das Ausscheiden mit 50 Jahren als Untertagearbeiter erschlichen haben sollen. Wer also regelmäßig an den Grubenwehrübungen teilgenommen hat, erhält automatisch den Untertagestatus. Nun soll es Leute (eben diese 15) gegeben haben, die zwar auf der Liste der Grubenwehr standen, aber nie an einer Übung teilgenommen hätten. Wie kommen sie denn überhaupt auf diese Liste? Ist dafür nicht der Bergwerkschef mit seiner Unterschrift verantwortlich ? Sollte hiermit einige "Günstlingen" ein Vorteil verschafft werden ? Wir verlangen hier besonders gegenüber den Kumpel eine klare Aufklärung !
Es kann doch nicht sein, dass hier die Grubenwehrkumpel, die nicht nur bei uns auf den Zechen unter extremen Bedingungen ihre Übungen und Einsätze machen, sondern auch in aller Welt (bei dem Unglück in Österreich oder in der Türkei) ihre Hilfe leisten und auch im Kampf in Bonn 1997 immer mit in der ersten Reihe standen, von einigen "schwarzen Schafen" in Verruf gebracht werden ! Und die Presse schlachtet das dann noch reißerisch aus.
Dieser Tage haben die Betriebsräte des Bergwerks Ost den NRW-Wirtschaftsminister Schwanhold zum Ehrenmitglied ihrer Grubenwehr gemacht. Nicht das der nun auch auf der Liste der Untertagebeschäftigten zu finden ist ?
Eigentlich hat sich hier der größte finanzpolitische Skandal der RAG-Geschichte zugetragen und ein Aufschrei müsste durch die Belegschaften und das Ruhrgebiet gehen. Aber nun wird in aller Stille das teuerste Finanzdebakel geschlossen. Erst vor 8 Jahren für rund 1,2 Mrd. DM (!) gebaut, wird die Kokerei jetzt wieder stillgelegt und die RAG muss weiterhin rund 500 Millionen DM Kapitaldienst leisten - für nichts!
Aber so geht es nun einmal zu im privatwirtschaftlichen Bereich. Damals noch als Gasverbund mit dem Stahlwerk Hoesch kostengünstig geplant, war Hoesch nicht vor Wirtschaftsdruck und Fusionen geschützt. Nach der Fusion erst mit Krupp und später dann mit Thyssen beschlossen die neuen Vorstände, die "warme Phase" in Dortmund auslaufen zu lassen. Der Standort Duisburg war nach der Bereinigung von Überkapazitäten auf dem Stahlmarkt der kostengünstigere. Schon plant Thyssen Krupp dort eine neue Großkokerei für rund 1,5 Mrd. DM.
In Dortmund hatte Kaiserstuhl noch einmal wegen der Stahlkonjunktur 3 Monate Schließungsaufschub bekommen. Von den zur Zeit noch 350 Kollegen und Kolleginnen werden 70 die über 50 Jahre alt sind mit Abbruch- und Aufräumarbeiten beschäftigt sein. Die anderen werden zur Kokerei Prosper in Bottrop und zu den Zechen Walsum, Lohberg und Prosper Haniel mit riesig weiten Fahrtwegen verlegt.
Und weiterhin tropfen täglich die Zinsen auf die Konten der Banken. Die RAG leistet hier den notwendigen Kapitaldienst für die Kredite zum Bau der Kokerei in der Größenordnung von rund 500 Mio. DM. Jeder Vorstand hätte in der Privatwirtschaft für eine solche Fehlinvestition den Hut nehmen müssen. Bei der RAG scheints keinen zu jucken. Die Subventionen fließen ja !
Kurz vor Weihnachten kam für die Belegschaften der Zentralwerkstätten in Lünen und Dortmund-Derne die Hiobsbotschaften. Der Vorstand verkündete die Stillegung zum Jahresende. "Ein brutales Weihnachtsgeschenk für die rund 500 Beschäftigten und ihre Familien," so ein IGBCE-Funktionär aus der Ortsgruppe.
Damit bleibt nur noch eine Zentralwerkstatt in Prosper auf. Die 350 Beschäftigten dort sollen auf 550 aufgestockt werden. Betroffen sind in Lünen 250 Arbeitsplätze, in Derne 180, 115 in der Montageabteilung, 21 Auszubildende und 57 Beschäftigte in der Verwaltung.
Die Handwerker sollen auf die Zechen verlegt werden, um damit die Löcher auszugleichen, die dort durch den massiven Belegschaftsabbau gerissen wurden. Ein großes Problem werden die Angestellten sein, denn für die später auf Prosper noch rund 500 Beschäftigten wird es nach Vorstellung des Vorstands keine eigene Werksdirektion mehr geben. Es war schon lange geplant, die Dienstleistungsbetriebe der technischen Dienste und der Werkstätten unter eine Leitung zu konzentrieren. Darüber soll dann wohl auch die letzte Kokerei Prosper abgewickelt werden.
An diesem Stilllegungsbeschluss der auf keinen nennenswerten Widerstand bei den Betriebsräten stieß wird deutlich, dass im östlichen Revier nimmt man das Bergwerk Ost einmal aus sauber ausgefegt wurde. Zu guter Letzt noch einmal mit dem Rasenmäher an die Werkstätten. Hier sind in den letzten Jahren ja schon die Werkstätten Fürst Hardenberg in Dortmund, König Ludwig in Recklinghausen und Mathias Stinnes in Gladbeck geschlossen worden. Neu ist nun allerdings das Tempo. In den früheren Jahren konnten sich die Belegschaften zum Teil bereits 2 Jahre vorher auf die Verlegung einstellen. Nun erfahren sie einen Monat vorher über die Schließung und wissen noch nicht einmal, wo sie hinverlegt werden. "Es ist eine Schande wie die DSK mit den Kumpel umgeht. Immer nur hinhalten und der Betriebsrat hilft schön mit." So ein Beschäftigter nach der Bekanntgabe des Beschlusses auf der Belegschaftsversammlung.
Ende August wurde hier das letzte Gefäß Zutage gefördert. Von den ehemals 4200 Beschäftigten werden bis Ende des Jahres noch rund 750 hier Arbeit haben. Die anderen wurden auf die restlichen 2 Zechen des Saarlandes verlegt. Göttelborn zählte zu den modernsten Zechen. 1995 erst mit rund 500 Mio DM nach der Schließung der Zeche Camphausen mit der Zeche Reden zum Verbundwerk Ost mit einem 3-Standorte-Konzept aufgemotzt wurde 1997 in der Kohlerunde mit auf die Stillegungsliste gesetzt. Widerstand gab es nicht. "Wir haben 1997 mit in Bonn gekämpft. Hier fällt keiner ins Bergfreie. Wenn das anders wäre, hätten wir hier eine andere Stimmung", sagte ein Kumpel.
Am 30. Juni gabs die letzte Schicht mit NRW-Minister Schwanhold und Abschied von einer langen Bergbautradition in Ahlen. Die Verlegung der Kumpel schreitet voran. Fahrtwege von 80 bis 100 km sind keine Seltenheit. Z.Zt. sind noch rund 400 Kumpel dort beschäftigt. "Wir gehen davon aus, alle Leute unterbringen zu können!" so Personaldirektor Wiedemann. Auch die Kumpel, die nun zu Umschulungsmaßnahmen gehen sollen, nimmt aus Sicht der Werksleitung nach anfänglicher Zurückhaltung erfreulich zu. Zur Zeche Ibbenbüren sind 90 Kumpel gewechselt. 80 Kumpel werden in den Stillstandsbereich ab 2001 übernommen.
Im November ist gab es einen Schaden an der Großbandanlage, die die Sohlen auf den Metern 885 und 550 verbindet. Die ausgefallenen Arbeitstage durch den kompletten Produktionsstillstand für rund 1000 Kumpel wurden Ende November und Anfang Dezember wieder rausgeholt. Probleme gab es aber bei der Benachrichtigung der Kumpel. Da viele von weither besonders von Gelsenkirchen anreisen, konnten sie nicht mehr benachrichtigt werden und standen plötzlich auf der Zeche dumm herum bzw. konnten gleich wieder nach Hause fahren. Die Zechenleitungen müssen dafür Sorge tragen, dass derartige Vorkommnisse zukünftig nicht auf der Tagesordnung stehen, damit sich die Kumpel im Revier dusselig fahren.
So ist es nun mal, wenn man in den "Schoß der Mutter" einverleibt wird: Anfang des Jahres in die RAG eingegliedert und wie die anderen Zechen auch mit Vorruhestand und Qualifikationsmaßnahmen konfrontiert, gibt es plötzlich einen Personalunterhang. 186 Kumpel haben sich einen neuen Arbeitsplatz gesucht. Nun mussten neue Arbeitskräfte her. Die Kumpel von Westfalen konnten allein die Lücke nicht schließen. Deshalb wurden erst 60 und dann noch einmal 50 Kumpel von Deilmann und Haniel ausgeliehen.
Bis Jahresende sollten laut Plan 857 Arbeitsplätze abgebaut worden sein, doch auf der Belegschaftsversammlung im November wurden von den Vorgaben der RAG in Herne mit 570 nur rund 75% des Solls erreicht. Da wird der Druck auf die Kumpel in den nächsten Wochen wohl erheblich zunehmen denn für das Jahr 2001 sollen weitere 700 Kumpel das Bergwerk verlassen.
Viel Mühe hatten die Betriebsräte des Bergwerk Ost im Rahmen der Zukunftsdebatte in Brüssel eine von Radio Antenne Unna gemeldete mögliche Stillegung zu dementieren. Angeblich war diese Nachricht von der Initiative "Kumpel für Auf" lanciert worden.
Betriebsrat, IGCBE-Bezirksleiter Römer und RAG-Sprecher, Kath, verkündeten im Chor, dass das Bergwerk Ost weiterhin bis mindestens 2005 Bestand hätte und das es nach dem jetzigen Stand auch bis 2005 überhaupt keine weiteren Stilllegungen geben wird. Wir würden uns darüber zusammen mit den Kumpel des Bergwerk Ost freuen, wissen aber auch, wie kurzfristig diese "zuversichtlichen" Aussagen vom RAG-Vorstand wieder über den Haufen geworfen wurden.
Erst rückte Bernd Tönjes (früher Bergwerkschef auf Heinrich Robert) zum stellvertretenden Vorsitzenden der DSK auf und dann wurde Jürgen Eickhoff (früher Produktionsdirektor auf Heinrich Robert) in den Vorstand berufen. Darüber hinaus wurden auch noch im Rahmen der "Prozeßoptimierung" die beiden Hauptabteilungen Soziales und Bildung der Verwaltung in Herne zusammengelegt und wer wurde der neue Hauptabteilungsleiter ? Der Herr Schrimpff! Und wo kam der her? Der war früher Ausbildungsleiter auf Heinrich Robert ! Weh dem, der Schlimmes dabei denkt !
In Unna streiken die Kumpel seit einer Woche aus Solidarität mit den britischen Kumpel ! Diese bangen um ihre Arbeitsplätze, denn durch den Import preiswerter deutscher Kohle sind ihre Jobs unter Druck geraten. Wirres Zeug ? Heute noch vorstellbar ? Diese Solidarität gab es 1912 auf der Zeche Königsborn in Unna und im gesamten Ruhrrevier ! Und wer nicht mitmachte, spürte den Zorn der Kumpel. So wurde laut Polizeibericht einem Streikbrecher in zwei Nächten insgesamt 2000 Grünkohlpflanzen gestohlen und vernichtet.
"Wir wollen den Leuten klar machen, welch großes Stück Geschichte hier steht. Deshalb sind wir stets im Einsatz, um so viel wie möglich auf die beine zu stellen." So der ehemalige Betriebsratsvorsitzende der 1997 stillgelegten Zeche, Franz-Josef Sonnen. Im Schacht 3 soll eine sogenannte Begegnungsstätte eingerichtet werden. "Es sollen Veranstaltungen stattfinden, die mit Sophia Jacoba zu tun haben. Damit die Leute die traditionsreiche Geschichte nicht vergessen." Deshalb benötigen sie auch viel Geld. Und das versuchen sie u.a. über eine Basar den achten in Folge bereits hereinzubekommen. Dazu wird altes Gezähe, Gesteins- und Kohlebrocken, Grubenlampen usw. verkauft. Außerdem soll auch eine Gedenkstätte für die über 300 tödlich verunglückten Kumpel eingerichtet werden. Sonnen "Wir sind ihnen das schuldig."
Man muß nicht nur auf die Rentenreform mit ihren Ungerechtigkeiten schauen. Schon heute gibt es genug Probleme, die zeigen, daß eine Reform der Rentenversicherung in eine ganz andere Richtung gehen müßte.
Die Kollegen, die über Tage gearbeitet haben, sind für die RAG und die DSK auch nur noch Kostenfaktoren. Auch sie sollen so schnell wie möglich abgebaut werden. Aber ihre Anpassungsregelung ist erheblich schlechter. Sie können mit 55 Jahre aufhören und bekommen dann die Anpassung nach den bekannten Richtlinien, also mit einem betrieblichen Zuschuß für fünf Jahre.
Aber während langjährig unter Tage beschäftigte Bergleute nach der Anpassung die KAL beziehen und mit 60 Jahren die volle Bergmannsrente bekommen, können die Übertageleute keine KAL beziehen, sie müssen dann mit 60 in die vorgezogene Rente gehen und bekommen den Blümschen Abschlag von 18 Prozent für die gesamte Rentenbezugszeit. Das wirkt sich mit niedrigen Renten bis zu ihrem Tod und noch für ihre Witwen aus! Und da über Tage schon sowieso weniger verdient wird, sind diese Kollegen sehr schlecht dran.
Wenn dann noch die Rentenreform dazu kommt, kann man nach einem lebenslangen Arbeitsleben bald noch Sozialhilfe beantragen.
Für unsere Kollegen im Osten kamen die Stillegungen der Zechen und Schachtanlagen viel plötzlicher und schneller, als im Ruhrgebiet. Salzbergwerke, Erzgruben alles wurde zugemacht.
Nach dem Auslaufen des Rentenüberleitungsgesetzes im Jahre 1996 sind nun viele Kumpel benachteiligt, die zwar 25 Grubenjahre haben, aber noch nicht 55 Jahre alt sind, wenn die Stillegungsarbeiten abgeschlossen werden. Dann erhalten sie kein Anpassungsgeld wie im Steinkohlenbergbau, sondern fallen ins "Bergfreie". Und wenn sie 55 Jahre alt sind, können sie auch keine Knappschaftsausgleichsleistung (KAL) beziehen, weil sie dann nicht in einem knappschaftlichen Betrieb aufhören, und keine APG-Bezieher sind. Das heißt für viele: sie können zwar die 0,8-Rente beziehen, aber die reicht nicht hinten und vorn, und neue Arbeit finden sie in den Stillegungsregionen auch kaum. So müssen sie zur Sozialhilfe gehen, wenn hier nicht rasch Änderung eintritt.
Es wäre kein Problem, für diese betroffenen Kumpel die gleiche Regelung wie im Ruhrgebiet anzuwenden, damit sie für die Jahre bis zur Bergmannsrente abgesichert sind. Schließlich sind auch sie nicht schuld an der Stillegungspolitik der Konzerne genauso wenig wie die Bergleute im Steinkohlenbergbau für die Stillegungen in den hiesigen Revieren etwas können. Genau dafür war bei uns das Anpassungsgeld eingeführt worden, und nun verlangen die ostdeutschen Bergleute diese Regelung zu Recht auch für sich.
Der Arbeitsminister Walter Riester, vorher zweiter Vorsitzender der IG Metall,
hat eine Rentenreform vorgelegt, bei der sich das alte Wort aus der Kohl-Ära
bewahrheitet:
"Wenn von 'Reform' die Rede ist, muß man das Portemonnaie festhalten,
die wollen dir immer was abknöpfen!"
Die Reform sieht vor, daß die Renten weniger steigen und später auf einem Stand von rund 61 Prozent des Durchschnittsverdienstes landen sollen gegenüber 70 Prozent heute. Weiterhin sollen die Arbeiter und Angestellten eine private Zusatzversorgung abschließen, in die sie alleine einzahlen müssen. Aus Steuergeldern wird diese Privatversicherung für niedrige Einkommen bezuschusst.
Den Unternehmen sollen die Lohnzusatzkosten gesenkt werden, damit sie noch mehr Profite machen. Das Märchen, daß mit geringeren Löhnen Arbeitsplätze geschaffen würden, glaubt keiner mehr. Aber daß eine Senkung der Arbeitslosigkeit die Lohnnebenkosten senken würde, weil ja Beiträge zur Arbeitslosenversicherung gespart würden davon spricht Riester nicht.
Den Vorteil haben allein die Unternehmer: die Beiträge zur Rentenversicherung werden für sie auf maximal 11 Prozent festgelegt, während sie für die Beschäftigten auf bis zu 15 Prozent steigen sollen. Die junge Generation zahlt doppelt: einmal durch zusätzliche Beiträge, und später durch niedrigere Renten.
Den Privatversicherungen wird mit staatlichen Geldern und aus unseren Löhnen ein profitables Zusatzgeschäft ermöglicht. Sie werden Rentenversicherungen auf privater Kalkulation anbieten, die kaum den Abschlag bei den gesetzlichen Renten ausgleichen können. Vorher muß nämlich ein riesiges Kapital aus unseren Beiträgen gebildet werden, von dessen Zinsen nachher gezahlt werden soll. "Riester bringt die Rente an die Börse" das hätte man von einem ehemaligen Gewerkschafter kaum erwartet oder etwa doch?
Besonders Frauen, aber auch alle Menschen, die prekär beschäftigt oder öfter arbeitslos sind, werden nur Renten am Sozialhilfesatz erwarten können. In Zeiten der Beschäftigungslosigkeit kann man auch nicht in die Zusatzversicherung einzahlen. Niedrigverdiener aus den unteren Lohngruppen sollen so ihre Rente aufbessern also noch weniger verdienen.
Frauen müssen in Privatversicherungen höhere Beiträge einzahlen, um die gleiche Rente zu bekommen, weil sie eine höhere Lebenserwartung haben. Als Witwen müssen sie aber Abzüge in Kauf nehmen: die gesetzliche Hinterbliebenenrente soll von 60 auf 55 Prozent gesenkt werden.
Gegen diese Rentenreform müßte sich ein breiter Widerstand erheben. Die Aushöhlung der Sozialversicherung, der Bruch mit dem Prinzip von gleichhohen Beiträgen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern, die massive Senkung des gesetzlichen Rentenniveaus zugunsten der Gewinne der Unternehmen sind genügend Gründe für einen Aufstand.
Aber der Widerstand entwickelt sich bisher nur langsam. Hauptgrund ist die zögerliche Haltung von vielen Gewerkschaftsvorständen, die ihre Mitglieder nicht richtig aufklären, und die lieber mit den Wölfen heulen. Der IGBCE-Vorsitzende Schmoldt erklärt diesen Systembruch in der Rentenversicherung sogar für einen Schritt in die richtige Richtung.
Die IG Metall hat einige Aktionstage gemacht. Es gibt viele Resolutionen aus den Betrieben und Verwaltungen gegen diese Reform. Bei VW wurde stundenlang gestreikt. Viele Experten lassen kein gutes Haar an den Plänen von Walter Riester.
Für die Bergleute heißt diese Reform nichts Gutes. Auch ihre Renten werden gekürzt. Auch ihre Beiträge werden erhöht. Auch ihre Frauen bekommen später weniger Geld. Auch ihre Kinder müssen dann nicht nur die Renten der Alten, sondern auch ihre eigenen Zusatzrenten finanzieren eine Generation wird gegen die andere ausgespielt.
Das alles wäre nicht nötig. Es gibt gute Gegenvorschläge, vor allem die Gewerkschaft BAU hat ein solches Konzept vorgelegt.
Das hieße: Einbeziehung aller Einkommen (auch aus Vermögen, Beamtengehältern, Diäten) in die Rentenversicherung. Dadurch allein könnten die Beiträge gesenkt werden. Beibehaltung der paritätischen Finanzierung durch Unternehmen und Beschäftigte. Aufbau einer eigenständigen Versicherung für alle ab 16 Jahren. Zahlung der Beiträge bei Arbeitslosigkeit, Ausbildung und Kindererziehung aus den Steuern.
Niemand hat sich beim Regierungswechsel sehr große Hoffnungen gemacht. Aber daß die rot-grüne Regierung so schnell in das Fahrwasser der Kohl-Zeit einschwenken würde, wunderte viele Kollegen. Die Gewerkschaftsvorsitzenden, die im "Bündnis für Arbeit" mit den Unternehmern und der Regierung stolz an einem Tisch sitzen, haben sich die Hände binden lassen und stellen das als Fortschritt hin. Die Europäische Union hat gerade wieder auf ihrem Gipfel in Nizza gezeigt, daß die Rechte der Beschäftigten, Arbeitslosen, sozial Schwachen nur schöne Worte, aber keine Taten wert sind.
Es geht um die Ausdehnung der Macht der großen Konzerne. Und die Versprechungen, wenn die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen erhöht wird, schaffen sie Arbeitsplätze, verfängt auch bei der Schröder-Regierung. Das Bündnis für Arbeit und Wettbewerbsfähigkeit ist einseitig zu Lasten der Arbeitslosen ausgegangen. Einige Gewerkschaften haben es schon aufgekündigt.
Die einzige Chance, gegen Riester was zu unternehmen, ist Protest und Widerstand von unten!
Lesen wir unsere Gewerkschaftszeitung, so drängt sich immer mehr der Eindruck auf, wir hätten eine Zeitung mit Werbeartikeln zur Regierungspolitik und zum Bündnis für Arbeit in den Händen! Da gibt es Artikel, die sich voller Verständnis für die von allen Fachleuten kritisierten Rentenpläne Riesters zeigen. Ja, die Regierung darf gar eine 2seitige Werbeanzeige für diese Reform in die Gewerkschaftszeitung setzen. Artikel, die die gute Zusammenarbeit zwischen Unternehmensleitungen, Betriebsräten und IGBCE betonen, gibt es zuhauf. Versteckt finden sich vereinzelte kritische Äußerungen zu beiden Themenfeldern; doch insgesamt ist nicht viel Kritisches zu gesellschaftlichen Entwicklungen zu vermelden. Stattdessen macht sich immer mehr der sogenannte Mitgliederservice bemerkbar, der das Gewerkschaftsmitglied als Konsumenten im Blick hat. Das tolle Konsumangebot ist gefragt. Da geht es dann um Geldkarten, Versicherungen, Handys, Eigenheim, Geldanlagen, Kredite, Altersversicherungen, Stromanbieter... Wohin soll das führen? Ist das eine neue Form politischer Arbeit?
Sollen wir nur noch konsumieren, ohne nachzufragen, wer aus diesem Spiel ausgeschlossen bleibt, ohne zu reflektieren, wer sich durch den Verkauf unnützen Zeugs eine goldene Nase verdient, ohne zu fragen, warum bestimmte Konsumangebote so preiswert sind (Arbeitsverhältnisse, Tarife, Niedriglöhne, Welthandelsfragen, Zuliefererpolitik......), werden Gewerkschaftsmitglieder gewünscht, die wegen solcher Konsumgeschichten eine Mitgliedschaft aufrecht erhalten? Oder gibt es in unserer Gewerkschaft vielleicht keine anderen Inhalte mehr?
Nach einem Bericht der Zeitung "Marl Aktuell" kurz vor Weihnachten wird das Verbundbergwerk Auguste Viktoria / Blumenthal noch im laufenden Jahr 2001 geschlossen! Dieser Bericht wurde zwar von allen Marler Tageszeitungen mit Aussagen vom DSK Vorstand aufs heftigste dementiert. Aber wie heisst es so schön in einem "alten" Sprichwort: "An jedem Gerücht hängt auch ein bisschen Wahrheit!"
Aber es ist schon starker Tobak, sollte - und das wollen wir hoffen - an dem Gerücht nichts dran sein, dass Teile der Presse eine "Bombe" legen, mit der Angst der Kumpel spielen und dann abwarten, was kommt. Das hat mit Journalismus nichts zu tun.
Nun aber in den Betrieb: Auch im vergangenen Jahr gab es viele personelle Veränderungen in allen Bereichen und auf allen Ebenen! Da nun viele Leute "gute" Ideen haben, hat dieses nun dazu geführt, dass auch jetzt auf AV ein geregelter stündlicher Personenzugverkehr stattfinden soll. Damit dieser auch reibungslos laufen kann, sollen jetzt Grubenfahrräder verboten werden. Nun stellt sich aber die Frage, wie es bei Betriebsstörungen aussieht? Gibt es Störungen jetzt nur noch zu Abfahrtszeiten der Züge? Oder dürfen Stillstände jetzt länger dauern, da Ersatzteile jetzt per Pedes ins Revier gebracht werden? Oder gibt es jetzt doch wieder eine Duldung oder Erlaubnis für Fahrräder bei Störungen und es wäre alles (fast) wieder beim alten?! Wir sollten abwarten und darauf hoffen, dass es vielleicht doch noch mal besser wird und sich unsere Arbeitsbedingungen vielleicht mal wieder verbessern.
Erst haben die Frauen und Angestellten der IGBCE in Herne, dann die Jugendvollkonferenz des Bezirks Recklinghausen und kürzlich erst der IGBCE-Vorstand zusammen mit dem Gesamtbetriebsrat und dem Vorstand der RAG gegen Rechte Gewalt aufgerufen.
Aber die Aufrufe allein reichen nicht aus, um der rechtsextremen Entwicklung entgegenzutreten. Liebknecht sagte einmal "Schaut sie auf die Finger und nicht aufs Maul !" - mit anderen Worten: seht genau hin was sie tatsächlich tun und nicht was sie reden ! Denn nur zu häufig liefern die Verantwortlichen die Argumente und leisten den Rechten durch ihr eigenes Verhalten Vorschub.
Das fängt bei der nur allzu zögerlichen Behandlung der Zwangsarbeiter an (auch wenn die RAG dem Stiftungsfond der Wirtschaft beigetreten ist), geht weiter über die Aushöhlung des Asylrechts (Landeschef Clement hilft mit einen im Wanderkirchenasyl engagierten Kurden abzuschieben, der gerade noch den Aachener Friedenspreis erhalten hatte!), der Unterscheidung durch die Wirtschaft in die für sie "notwendigen und unbrauchbaren Ausländer" und geht weiter über die Debatte zur "Leitkultur ("am Deutschen Wesen soll die Welt genesen!").
Die Gewerkschaftsvorstände und auch einige Betriebsräte haben durch ihre Haltung, den "Standort" zu retten, die "Wirtschaftlichkeit der Betriebe" durch Arbeitsplatz- und Lohnabbau zu unterstützen bis letztendlich hin zum "Bündnis für Arbeit" (hier sollen die Interessensgegensätze zwischen Unternehmer und Arbeiterschaft verkleistert werden) dazu beigetragen.
Die "Umstrukturierung" der Wirtschaft im Ruhrgebiet weg von Kohle und Stahl schafft große Probleme, die besonders auch die Kumpel auf den Zechen betrifft. Viele Beschäftigte finden in den "schlanken Betrieben" der anderen Branchen (besonders der Informationstechnologie) keinen Platz mehr. Viele Arbeiten auch für gesundheitlich angeschlagene Kumpel wie z.B. Botengänge, Gartenpflege - wurden ausgelagert bzw. gänzlich abgeschafft. So bleibt ein hohes Maß an Verunsicherung für die Zukunft und es gibt darüber hinaus immer mehr Menschen, die so gut wie keine Chance mehr haben, aus der Arbeitslosigkeit wieder einen Platz im Produktionsprozeß zu bekommen und damit ein gesichertes Einkommen.
Diese Menschen auch Jugendliche, die keinen Ausbildungsplatz mehr bekommen oder nach der Ausbildung nicht übernommen werden - sind sauer und verbittert über ihre Lage und damit haben die rechten Rattenfänger mit ihren einfachen Erklärungen und "Auswegen" ein leichtes Spiel.
Und was tun nun unsere Vertreter der Aufrufe ? Sie drehen mit an dem Rad der sogenannten Wirtschaftlichkeit und der "betrieblichen Notwendigkeiten" so wie auch der Vorstand der IGBCE, der weiterhin am "Bündnis für Arbeit" festhält und bereits vor geraumer Zeit einen Tarifvertrag abgeschlossen hat, der den Unternehmern erlaubt, unter Tarif zu bezahlen !
Im September hat die EU rund 7,8 Mrd.DM Subventionen für die Jahre 1997 bis 2000 für den französischen Steinkohlenbergbau genehmigt. Damit sollen die Verluste durch die Förderrücknahme ausgeglichen werden. Die Produktionskosten belaufen sich derzeit auf rund 300 DM. Die Zustimmung durch die EU-Kommission erfolgte, weil bereits 1994 zwischen der staatlichen Kohlegesellschaft Charbonnages de France und den Gewerkschaften ein sogenannter "Kohlepakt" geschlossen wurde, der eine Stillegung aller französischen Zechen bis zum Jahr 2005 vorsieht.
Rund 500 arbeitslose Kumpel sind in einen Hungerstreik getreten und verlangen von der Regierung Ersatzjobs. Im Schil-Tal das häufig durch Unruhen auf sich aufmerksam gemacht hat leben fast alle 40 000 Menschen vom Bergbau. 10 000 von ihnen sind 1997 mit hohen Abfindungen gekündigt worden, aber es sind keine Ersatzarbeitsplätze in Sicht. Die Regierung hatte gehofft, die Kumpel würden sich mit dem Geld selbständig machen. Doch nun ist das Geld aufgebraucht und Hunderte von Bergleuten mit ihren Familien stehen nun in Schlangen vor den Werkskantinen. Die Bergbau-Gewerkschaft verlangt nun, dass diese nun polizeilich geschützt werden. Manche Bergleute, die noch Arbeit haben, geben ihnen dann ihre Portionen oder ihre Essensgutscheine.
Der Abbau der Arbeitsplätze mit Mitteln der EU, um sich für den Beitritt schlank zu machen, erreicht nicht die gewünschten Formen. Erst kürzlich sind mehrere Bergwerksdirektoren und der Vize-Wirtschaftsminister wegen Steuerhinterziehung und Korruption zurückgetreten. Das 1998 bis 2002 beschlossene Zechenarbeitsplätze-Vernichtungsprogramm wird nicht eingehalten und die angenommene Produktivität bleibt aus. Zwar sind seitdem bereits 70 000 Kumpel ausgeschieden und 13 Zechen geschlossen worden, aber von den nunmehr 170 000 müssen noch weitere 40 000 bis zum Jahr 2002 abgebaut werden und das bei einer Arbeitslosenzahl von 14%. Derzeit besteht noch eine Jahresförderung von 130 Mio to sie soll bis 2002 auf 100 Mio to zurückgenommen werden. Zwar gibt es inzwischen auch private Interessen an der Übernahme des staatlichen Bergbaus aber die warten ab, bis die gröbste Drecksarbeit der Arbeitsplatzvernichtung abgeschlossen ist.
"So glaube ich, daß meine Bilder die Sehnsucht eines Proletariers nach einer anderen, besseren und freundlicheren Welt widerspiegelten,"
Mit dem Maler Otto Nagel rücken wir wieder einen Künstler in den Blickpunkt unserer Zeitung, der nicht nur durch seine Kunst und seine Themen sich in die Reihe der Unterdrückten und in die Reihe der im Widerstand um Selbstbewußtsein ringende Arbeiterschaft stellte, sondern auch durch seine politische und kulturpolitische Tätigkeit Verantwortung übernahm. Wie die in der Vergangenheit hier vorgestellten Künstlern ging es auch bei Otto Nagel nicht um die "schönen Künste im Sinne der Akademie, im Sinne der Darstellung des "schönen Scheines". Malend begriff er die Wirklichkeit und lehrte Kunst als Werkzeug des Begreifens und Veränderns gesellschaftlicher Verhältnisse.
Und die Wirklichkeit Otto Nagels war der Berliner Wedding, wo er als Sohn eines sozialdemokratischen Tischlers und einer Mutter, die eine stille Frau- stolz erzählte, daß sie in der Fabrik feinste Lackiererarbeiten beherrschte. Der Wedding war ein Arbeiterbezirk und die elenden Hütten und Mietquartiere stellten wir schon mit Zille und Balluschek in unserer Zeitung dar. Nagel begann zwar früh zu zeichnen, aber er durchlebte zunächst das Leben eines jungen Arbeiters, Hilfsarbeiters und Arbeitslosen. Was er mit seiner Malerei verarbeitete, daß hatte er selbst erfahren und erlebt. Er kannte die Hoffnungslosigkeit und den Kampf um das tägliche Brot in den Arbeiterwohnungen des Wedding vor dem 1. Weltkrieg- aber er kannte auch die Hoffnung, die der Widerstand und die Solidarität in die Arbeiterbezirke brachte. Und das sollte sein Thema werden. Er beteiligte sich 1918, nachdem er den 1. Weltkrieg zwangsrekurtiert erlebt hatte, an der Novemberrevolution, die die Weimarer Republik begründete, war Mitglied in Arbeitet- und Soldatenrat, Betriebsobmann- immer wieder geben ihm Arbeiter ihr Vertrauen, er ist bewußter Arbeiter unter seinesgleichen. Und auch das wird in seinem leben so bleiben. Er wird KPD Mitglied und beteiligt sich an den Auseinandersetzungen der Weimarer Zeit. Und in den Dienst dieser seiner Parteinahme und in den Auseinandersetzungen, Streiks, Aufständen stellt Nagel sein künstlerisches Schaffen. So ist selbstverständlich, daß er Kunst nicht im Dienste des nur Schönen sehen kann; die elenden Wohnquartiere bedürfen keiner verschönenden Tapeten, sondern die Arbeiterfamilien brauchen ein anderes Wohnquartier, ein freies und lichtdurchflutetes Leben. So malte Nagel seine Bilder in gedämpften Farben, meistens mit Pastellkreide, denn Pastellkreide konnte er einfachere in die Winkel und Ecken der sich wandelnden Stadt gehen und zeichnend die Menschenlandschaft beobachten.
Liebevoll stellte er nicht nur Elend dar, sondern die im Widerstand immer selbstbewußter werdenden Menschen, aber auch einen Waldarbeiter, wie er "am ersten Tag, an dem er nicht arbeiten mußte" an seinem 70. Geburtstag auf einem Korbstuhl ausruht. Von der Bestandsaufnahme ausgehend entwickelte er in seinen Bildern immer intensiver eine Sicht auf die "Elenden", die ihre Träume und Sehnsüchte angesichts ihres elenden Lebens als Lohnarbeiter auch in ihrem Alltag findet. Es sind auch als in Arbeitskämpfen geschichtlich Handelnde niemals Helden ,-sie bleiben Menschen. Und sie will er nicht nur malen, sondern sie auch mit Kunst erreichen, ihnen Kunst nahe bringen, und ihnen damit eine weitere Waffe in ihrem Kampf um ein menschenwürdiges leben in die Hände geben. Mit anderen Künstlern organisiert er Ausstellungen in großen Warenhäusern, denn in Museen erreicht er "seine" Menschen nicht. Er beteiligt sich an Filmprojekten, schreibt Romane und Artikel. Er ist es, der breiten Arbeiterschichten Heinrich Zille und Käthe Kollwitz nahe bringt. Er lehrt in Fragen von Kunst und Kultur an Arbeiterschulen. Der Faschismus bringt ihm Malverbote, Inhaftierung, KZ und Untertauchen. Immer aber arbeitet Nagel weiter, erfaßt in seinen Zeichnungen die Menschen und die Stadtlandschaft in ihrer Widersprüchlichkeit während der Nazi-Zeit. Am Ende des 2. Weltkrieges sind die meisten seiner Bilder zerstört oder verschollen. Otto Nagel nimmt seine Arbeit als Künstler und Kulturpolitiker in der DDR auf; er schreibt: "Wir wollen eine Welt schaffen, in der die jüngere Malergeneration mit gutem Gewissen helle, frohe Farben anwenden kann." Und trotz seiner hohen Stellung in der Kulturpolitik der DDR ließ er sich nie von dem heldichen Pathos anderer Maler verleiten. Auch jetzt noch waren es "seine" immer noch im alltäglichen sehnenden und ringenden Menschen. Seine "Bewaffneten Arbeiter" (um 1929 gemalt) maschierten durch die Nacht wie Versprengte, ohne jede Idealisierung. Seine Parteilichkeit reichte gerade zur Darstellung des Unerhörten, wenn es ordentliche Familienväter, die man kennt, in ihrem Wohnblock und ihrer Kneipe so weit treibt, daß sie die Gewehre herausholen aus dem Versteck unter den Stubendielen und zum Sammelpunkt maschierern.
In Erwägung, daß ihr uns dann eben
Mit Gewehren und Kanonen droht
Haben wir beschlossen, künftig schlechtes Leben
Mehr zu fürchten als den Tod
(Berthold Brecht).
So unpathetisch stellte sich für Otto Nagel die Triebfeder des Arbeiterwiderstandes dar. So hielt er sich von den durch die DDR- Kulturbürokratie geforderten "Arbeiter-Denkmal"- Darstellungen fern, denn auch in der DDR waren es "seine" Menschen, die so facettenreich handelten, dachten, träumten.
Seine, Otto Nagels Bilder sollen unsere heutige Ausgabe der Bergarbeiter-Info illustrieren. Denn sein Vermächtnis (er starb 1967) ist es, gerade Arbeiter werktätige Frauen und Männer, also wie selbst Kunst brauchen, wenn sie Menschen so vielschichtig darstellt, wie sie sind und sie und uns unsere Vielschichtigkeit parteinehmend bewußt werden läßt.
Er ist einer von uns!
Für uns sind viele Dinge zu Selbstverständlichkeiten geworden, für die unsere Vorfahren hart kämpfen mussten. Drei Beispiele von streikenden Bergarbeitern aus Gladbeck aus den Jahren 1883, 1884 und 1889 mögen das belegen.
Gladbeck war bis 1873 eine kleine ländliche Streusiedlung von gut 2.500 Einwohnern. Dann zog der Bergbau mit der Schachtanlage "Graf Moltke I/II" in die ländliche Streusiedlung ein. Damit stellten sich alle Verhältnisse der Agrargesellschaft auf den Kopf.
Arbeitskämpfe, wie sich jetzt entwickelten, kannte die alte Gesellschaft nicht. Und auch in der neuen mussten sich diese Formen erst entwickeln. Und das ging im wesentlichen nur über Konflikte.
Auf "Graf Moltke" wurde nach langjährigen Abteufarbeiten seit 1878 Kohle gefördert. Die Belegschaft der Zeche wuchs schnell. 1880 zählte man 211 Kumpel und 1883, im Jahr des ersten Streiks auf Graf Moltke, waren schon 528 Bergarbeiter angelegt.
Am 25. September 1883 war es zu einem ersten Ausstand, einer sponatnen Arbeitsniederlegung, gekommen. Der Grund: Die Zechenherren hatten die Schicht von acht auf neun Stunden verlängert. Dies war per Aushang bekannt gemacht worden. Einige "Hitzköpfe", so nannte sie der Preußische Amtmann in seinem Bericht über die Gladbecker Ereignisse, hätten dann die Arbeit verweigert und die anderen dazu aufgewiegelt.
Relativ schnelle einigte man sich unter Vermittlung des örtlichen katholischen Knappenvereinsvorstands, des katholischen Vicars Rüping: Die Zeche nahm die geplante Arbeitszeitverlängerung zurück und die Kumpel fuhren wieder ein.
Einen Tag nur dauerte dieser erste Arbeitskampf in Gladbeck. Doch schon ein halbes Jahr später kam es zu einem wesentlich längeren und erbittert geführtem Streik. Wieder ging es im Frühjahr 1884 um die Verlängerung der Schichtzeiten. Die Zechengesellschaft hatte angekündigt, die Schichtzeit betrage ab dem 1. März nunmehr neun Stunden. Die "Moltkeraner" antworteten ihrerseits von diesem Datum an mit Streik. Noch am 17. März, also zweieinhalb Wochen nach Streikbeginn teilte der Amtmann dem Recklinghäuser Landrat mit, dass sich immer noch 430 Bergleute im Ausstand befänden. Eine erstaunliche Situation, denn es gab keine Gewerkschaft, also keine eigenständige und unabhängige Selbstorganisation der Bergarbeiter, und damit natürlich auch keine Streikunterstützung, kein Streikgeld. Dies hatte die Konsequenz, dass die Arbeiter einfachste Dinge der materiellen Existenz wie Nahrungsmittel und Wohnung nicht mehr zur Verfügung hatten.
Geholfen wurde den Bergleuten damals von der alteingesessenen Bevölkerung, die sich aus Köttern und Bauern zusammensetzte.
Den Bergleuten ging es mittlerweile nicht mehr nur um die Schichtzeit, sondern auch um die allgemeinen Arbeitsbedingungen unter Tage. Bemängelt wurde die Bewetterung der Schachtanlage. Stickig sei die Luft und heiß. Hinzu komme, so drei Vertreter der Gladbecker Bergarbeiter, dass man im solehaltigen Wasser stehe, da auch die Entwässerung der Grube nicht funktioniere.
Schließlich konnte der Streik nur beendet werden durch eine Art Stillhalteabkommen unter Vermittlung der Aufsichtsbehörde. Das Oberbergamt Dortmund war zwischenzeitlich eingeschaltet worden. Es führte in der Grube eine Untersuchung über die Arbeitsbedingungen durch und bestätigte die Klagen der Kumpel als berechtigt. Vor Ort wurden Temperaturen von 29 bis 32 Grad Celsius gemessen, die Bewetterung sei schlecht und auch die Wasserhaltung müsse verbessert werden, so die Behörde. Gleichzeitig machte sie aber auch deutlich, dass die Kumpel auf jeden Fall wieder in das Bergwerk einfahren sollten und ansonsten den Anordnungen der Behörde "vertrauensvoll" entgegen sehen sollte.
So blieb nach fast einmonatigem Streik nicht viel übrig für die Bergarbeiter. Und dennoch: zieht man die gesellschaftliche Situation in Betracht, dann muß der Mut, die Risikobereitschaft und die Zähigkeit der Kumpel bewundert werden. Und es blieben auch ergebnisse zurück: man hatte Erfahrungen gesammelt, Solidarität praktiziert und auch von anderen gesellschaftlichen Gruppen bekommen. Man hatte auch zu Vorformen von Organisation gefunden, indem man Deputierte (Bernhard Wahlers, W. Meese und H. Allkemper) bestimmt hatte, die die gemeinsame Sache vertreten sollten. Der Anfang zur organisierten Interessenvertretung war also gefunden.
Fünf Jahre später, im Mai 1889, kam es schließlich zu dem großen ersten Generalstreik der Ruhrbergarbeiter. Auch auf der Zeche Graf Moltke I/II in Gladbeck streikten die Bergarbeiter. Und die Gründe für den Streik waren in Gladbeck dieselben wie an anderen Orten: mehr Lohn für die schwere und gefahrvolle Arbeit, die allgemeinen schlechten und gefährlichen Arbeitsbedingungen, im wesentlichen geprägt von großer Hitze, Wasser und schlechter Bewetterung, Strafe bis hin zur körperlichen Züchtigung und das berüchtigte "Wagen nullen". Unter "Wagen nullen" verstand man die Nichtanrechnung der geförderten Wagen auf das festgesetzte Gedinge, wenn nicht ausreichend viel verwertbare Kohle in den geförderten Wagen war. Über die Nichtanrechnung entschied jeweils der Steiger. Die dennoch abgebaute und geförderte Kohle eines genullten Wagens war dann sozusagen kostenlos gefördert worden. "Wagen nullen" war also, salopp gesprochen, eine verschärfte Variante von Ausbeutung.
Die Ereignisse selbst überschlugen sich in Gladbeck und im gesamten Revier. Kaiser Wilhelm II. hatte persönlich zur Niederschlagung der Streikbewegung befohlen, "Ruhe und Ordnung unter allen Umständen herzustellen", was das General-Kommando des 7. Armee-Corps zu Münster dazu veranlasste, dass es dort, "wo die Anwendung von Waffengewalt notwendig werden sollte, sofort in schärfster Weise vorgehen" werde.
In Gladbeck war die Belegschaft wahrscheinlich seit dem 5. Mai im Ausstand. Am Abend des 7. Mai rückte Militär in Gladbeck ein. Ein Zeitungsbericht schildert die weiteren Ereignisse so: "Als die Soldaten ankamen, wurden sie mit Steinwürfen empfangen und u.a. ein Offizier am Kopfe verletzt. Darauf wurde in die Menge scharf gefeuert und blieben drei Mann tot und wurden fünf andere mehr oder weniger schwer verwundet."
Spätere Berichte sprechen gar von fünf Toten. Wieviele Opfer es gab, kann letzten Endes gar nicht genau gesagt werden. Fakt ist aber, dass die Belegschaft von "Graf Moltke" sich nicht von dem brutalen Vorgehen des Preußischen Militärs beugen ließ. Sie streikte weiter, immerhin noch fast zwei Wochen. Und mit ihr die Kumpel der Ruhrgebietszechen. Schließlich mußte sogar der Kaiser eine Abordnung der Ruhrbergarbeiter empfangen und sich zumindest ihre Forderungen anhören.
Zunächst einmal die Tatsache, dass man nach einem spontanen, unorganisierten Streik die Erfahrung machte, dass für große Arbeitskämpfe, die positive Ergebnisse für die Arbeiter bringen sollten, eine Organisation nötig ist. Folgerichtig wurde nach dem Generalstreik der Bergarbeiter vom Mai 1889 auch die erste freie Bergarbeitergewerkschaft, der sog. "Alte Verband", gegründet.
Für einen Ort wie Gladbeck, der 1889, im Jahr des dritten Bergarbeiterstreiks am Ort gerade einmal 7.000 Einwohner zählte, von denen gut 1.300 auf der Zeche arbeiteten, war mit den drei Streiks die "Moderne" angebrochen. Es war für den Ort auch die Geburtsstunde der Demokratie, denn Arbeitskämpfe sind nicht mehr aber noch nicht weniger als gelebte Demokratie.
Doch bis zur Verwirklichung demokratischer Verhältnisse als Grundstruktur der gesamten Gesellschaft war es noch ein weiter Weg. Viele harte Arbeitskämpfe mit einer Menge persönlicher Entbehrungen und Mühen waren noch nötig, um dorthin zu kommen.
LabourNet Germany: http://www.labournet.de/
LabourNet Germany: Treffpunkt für Ungehorsame, mit und ohne Job, basisnah, gesellschaftskritisch The virtual meeting place of the left in the unions and in the workplace |
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