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Frankfurt am Main, den 20.08.2000

Betrifft TAZ Artikel vom 5/6 August, 2000 von Martin Kempe

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

diese Erklärung wendet sich gegen die einseitige Darstellung des Konfliktes um die Entlassung der 1300 Südafrikanischen VW Arbeiter im Werk Uitenhage.

Die Protestaktionen dieser Arbeiter wurde so dargestellt, daß eine militante Minderheit der Mehrheit ihren Willen mit kriminellen Methoden aufdrückte. Damit rechtfertigte der TAZ Journalist das Vorgehen des VW Konzerns. Er zitierte nur eine Seite der Konfliktparteien und blendet den politischen Hintergrund des ganzen Konfliktes aus.

Im Zeitalter der Globalisierung sind die ArbeitnehmerInnen von Multinationalen Konzernen wie VW mit Standorterpressung konfrontiert. Sie werden unter Androhung der Standortverlagerung gezwungen Verschlechterungen hinzunehmen. Somit ermöglichte die Globalisierung eine weltweite Abwärtspirale in Bezug auf Löhne, Gehälter und Arbeitsbedingungen. Oftmals betreiben die Arbeitnehmervertretungen eine Co-Managementpolitik und setzten über Verträge die Vorgaben der Konzernspitze durch.

Die Notwendigkeit diesem etwas entgegenzusetzen war der Kern des Konfliktes innerhalb des Werkes Uitenhage. 13 der 1998 demokratisch gewählten Shopstewards organisierten Widerstand gegen die Umsetzung der von VW und der Gewerkschaft NUMSA ausgehandelten A4 – Exportvereinbarung, die Verschlechterung der Überstundenregelung, Kürzung der Pausenzeiten, Verschlechterung der Urlaubsregelung und Kürzung von sozialen Errungenschaften beinhaltete. Die Unzufriedenheit unter Teilen der Belegschaft wurde von den 13 Shopstewards. aufgegriffen. Deren Politik gegen die Umsetzung dieser Vereinbarung kam in Konflikt mit der bisherigen Co-Managementpolitik eines Teils der Shopstewards, welche durch die NUMSA Führung gedeckt wurde. Daraufhin drängte die NUMSA Führung diese 13 demokratisch gewählten Shopstewards abzusetzen. Auf einer innerbetrieblichen Gewerkschaftsversammlung, an der nur 60 Mitglieder teilnahmen, wurden die 13 Shopstewards ohne Anhörung des Amtes enthoben. Gegen diese unrechtmäßige Absetzung der 13 Shopstewards antworte die Belegschaft mit Widerstand.

Zudem gibt innerhalb der Basis der Südafrikanischen Gewerkschaften eine kämpferische und demokratische Tradition. Diese speist sich aus dem Kampf der Gewerkschaften gegen das Apartheidregime. Diese hatten einen maßgeblichen Anteil an dem Sturz dieses Regimes. Die in dieser kämpferischen Tradition verwurzelte Schicht von Gewerkschaftsmitgliedern steht im permanenten Konflikt mit der Gewerkschaftsführung und einen Teil der innerbetrieblichen Arbeitnehmervertretern. Durch Privilegien haben diese mit dem System der Ausbeutung Frieden geschlossen und sind nicht bereit mit Gegenwehr gegen die Angriffe der Unternehmer vorzugehen. Sie versuchen die Basis zu entpolitisieren und sie aus wichtigen Entscheidungen rauszuhalten. Das machen sie aus dem Grund, da eine kämpferische und aktive Basis auch schnell ihre privilegierte Position hinterfragen könnte. Durch die Politik dieser Schicht haben sich die Arbeitsbedingungen in vielen Südafrikanischen Werken seit dem Sturz der Apartheid verschlechtert. Viele Südafrikanische KollegInnen fragen sich, wie dies möglich ist und sind bereit in eine Konfrontation mit ihre eigenen Führung zu gehen. Der Konflikt im SAVW-Werk ist kein Einzelfall für einen innergewerkschaftlichen Konflikt. In allen südafrikanischen Gewerkschaften gibt es Auseinandersetzungen die bis zu Massenaustritten, Abspaltungen und Neugründungen führten.

Der Konflikt im Südafrikanischen Werk zeigte aber exemplarisch welche negative Folgen es haben kann, wenn solche Konflikte auf eine undemokratische Weise ausgetragen werden. Er zeigt aber auch, die Unfähigkeit und das Nichtwollen des VW-Weltbetriebsrates einen entschiedenen internationalen Widerstand zu organisieren. Nicht nur, daß den 1300 entlassenen KollegInnen die Solidarität verweigert wurde, er verurteilte die Streikaktionen als illegal und kriminell und bildete damit einen Block mit dem VW-Konzernvortstand. Im gleichen Sinne wurde der TAZ Artikel verfaßt.

Es nicht nur die Frage, daß der Weltbetriebsrat moralisch versagt, sondern sein Verhalten deckt sich mit der nationale Politik der einzelnen Vertreter, welche ebenfalls in die Standortlogik und dem Co-Management eingebunden sind. Eine aktive kämpferische Unterstützung der 1300 KollegInnen durch den Weltbetriebsrat hätte alle politischen Fragen auf die Tagesordnung gebracht.

Hätte es in Deutschland zum Beispiel eine solidarische Unterstützung gegeben, hätten die KollegInnen sehr schnell hinterfragt, warum auch die IG-Metallführung sich auf eine Standortpolitik einläßt und ein Teil der Betriebsräte sich als Co-Manager betätigen. Ein innergewerkschaftlicher Konflikt wäre auch hier unweigerlich die Folge gewesen. Um diesen zu verhindern, ist die Verschleierungstaktik und die Verleumdnungskampagne des Weltbetriebsrates zu erklären, aber sie ist nicht hinzunehmen.

Um eine objektive Einschätzung zu geben und um über den Konflikt aufzuklären, war eine Delegation von Beatrix Sassermann(IGBCE), Wielfried Dressler (IG-Metall Salzgitter) und Thorsten Wenderoth (IGM-VW-Kassel) im SAVW Uitenhage. Folgende Bild zeichnete sich Ort.

Die Belegschaft stand während des Konfliktes ohne betriebliche Interessensvertretung dar. Ein Teil der Shopstewards war zurückgetreten, der andere Teil wurde suspendiert. Demzufolge war Streik nicht illegal, sondern er richtete sich um die Wiedereinsetzung der innerbetrieblichen Interessensvertretung. Alle 1 300 wurden ohne Anhörung entlassen, was nicht dem südafrikanischen Arbeitsrecht entspricht.

Die den Streikenden unterstellten Brandanschlägen und die Gewalt innerhalb der Belegschaft, um diese zu Streikaktionen zu zwingen sind unbewiesene Behauptungen. Es ist eine neue Qualität mit welchen Verleumdungen der Weltbetriebs die vorhandene internationale Solidarität schwächen will.

Aus dem TAZ-Artikel geht hervor, das VW ein Schlichtungsergebnis zu Gunsten der Entlassenen nicht anerkennen will. Dies zeigt, wie der Konzern sich über Arbeitnehmerrechte hinwegsetzt. Wir stehen auf der Seite der 1300 Entlassenden einschließlich der 13 suspendierten Shopstewards. Ihr Kampf gegen die Verschlechterungen durch das A4-Exportabkommen und ihre Aktionen um die Widereinsetzung ihrer demokratisch gewählten Vertreter war ein berechtigter Kampf mit realistischen Forderungen. Aufgabe des Weltbetriebsrates wäre es, die Kolleginnen und ihre Forderungen zu unterstützen. Zu nichts anderes ist Weltbetriebsrat da. Durch das Vorgehen des Konzerns und des Generalsekretär des Weltbetriebsrates (Uhl) sind 1300 Südafrikanische KollegInnen und ihre Familien in existentielle Not geraten.

Wir Kollegen von VW Deutschland sind empört und erschrocken über das Vorgehen unseres Weltbetriebsrates.

Wir wollen die 1300 entlassenen KollegInnen mit allen uns zu Verfügung stehenden Mitteln unterstützen. Es geht es darum, eine möglichst breite Öffentlichkeit zur tatsächlichen Aufdeckung der Verhältnisse herzustellen. Daher bitten wir Sie diese Erklärung zu veröffentlichen. Es haben einige Aktionen und Spendensammlungen von deutschen VW-Arbeitern stattgefunden. Was zeigte, daß viele KollegInnen nicht bereit sind hinzunehmen, daß Arbeitnehmerrechte in Südafrika oder anderswo mit Füße getreten werden. In diesem Sinne fordern wir den Weltbetriebsrat auf, seine gegenwärtige Position zu überdenken und die 1300 Entlassenen im Kampf um die Wiedereinstellung zu unterstützen.

Mike Wivjora (IG-Metall VW Kassel), Karl Heinz Behr (IG-Metall VW Kassel) und Thorsten Wenderoth (IG-Metall VW Kassel).

P.S: Die Schlichtungsverhandlungen sind bis November vertagt.


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