Dem Werk Uitenhage von Volkswegen in Südafrike ist ein großer Schritt nach vorne gelungen: Der Standort sicherte sich nun langfristig den Auftrag zum Bau von jährlich 30.000 Golf für den Export. Diese gute Nachricht stieß nicht nur bei dem Beschäftigten und deren Familien auf Erleichterung, sondern landesweit auch bei Gewerkschaften und Politikern. Schließlich verzeichnet die Region Uitenhage/Port Elizabeth eine Arbeitslosenquote von über 50 Prozent.
Noch vor wenigen Wochen hatte es gar nicht so gut ausgesehen für dieses ehrgeizige Vorhaben von Volkswagen, das auch ein Signal setzen kann gegen die weit verbreitete Armut im Südafrika. Hintergrund für die Probleme war ein Konflikt innerhalb der Gewerkschaft NUMSA: Eine oppositionelle Minderheit war offenbar entschlossen, auch unter Umgehung demokratischer Regeln die bestehenden Tarifverträge und Gesetze zu brechen und bestimmenden Einfluß zu bekommen. Dr. Helmuth Schuster, Leiter des Zentralen Personalwesens des Konzerns, betont: Das ging Volkswagen eigentlich nichts an, denn es handelte sich um eine gewerkschaftsinterne Auseinandersetzung." Dennoch wurde das Werk im vergangenen Sommer in den Konflikt hineingezogen. 13 der 32 von der Belegschaft gewählten Vertreter der NUMSA gehörten der Oppositionsgruppe an. Diese Minderheit rief zu einem Streik auf - ohne Urabstimmung und ohne Rücksicht auf Verträge zum Arbeitskampf, wie sie Gewerkschaften und Unternehmen an allen Standorten des Konzerns umsetzen. "Die Opposition innerhalb der Gewerkschaft versuchte, Volkswagen als Sprungbrett für die Übernahme der gesamten NUMSA zu nutzen", analysiert Dr. Schuster. Ein Arbeitsgericht erklärte den Streik für illegal. Dennoch verzichtete Volkswagen nach Wiederaufnahme der Produktion weitgehend auf arbeitsrechtliche Konsequenzen.
Der Konflikt innerhalb der Gewerkschaft aber blieb ungelöst. Dr. Schuster berichtet, daß sich die Oppositionsgruppe von anderen Vertrauensleuten isolierte und Vereinbarungen zur Produktivitätssteigerung torpedierte, die im Konsens der Arbeitnehmer getroffen worden waren. "Eine geschlossene Vertretung der Arbeitnehmerinteressen war nicht mehr möglich", bestätigt Hans-Jürgen Uhl, Generalsekretär des Weltkonzernbetriebsrats von Volkswagen, der sich zusammen mit Dr. Schuster auch vor Ort für eine Lösung der Probleme einsetzte. Trotzdem: Die Situation eskalierte. Uhl: "Vom Seiten der Oppositionsgruppe wurden andere Vertraúensleute und deren Familien bedroht, bis diese ihr Mandat niederlegten. Bis heute gingen zwei Häuser von offiziellen Vertrauensleuten der NUMSA in Flammen auf, einer der Bedrohten wurde dabei schwer verletzt."
Damit hatten die 13 Oppositionellen die alleinige Arbeitnehmervertretung im Werk übernommen; andere Gewerkschaften als die NUMSA sind dort nicht gelistet. Dr. Schuster: "Die Gruppe ersetzte die zurückgetretenen Vertrauensleute ohne Beteiligung der Belegschaft durch Gefolgsleute und wollte allen anderen Gewerkschaftsvertretern verbieten, das Werk zu betreten." Uhl botont: "Das widersprach auch dem hoch entwickelten und sehr arbeitnehmerfreundlichem Arbeitsrecht in Südafrika." Die NUMSA habe daraufhin die 13 Oppositionellen ausgeschlossen und Volkswogen aufgefordert, sie nicht mehr zu beschäftigen.
Eine Lösung schien im Sicht, als ein von Arbeitnehmern angerufenes Gericht am 19. Januar einen Vermittlungsbeschluß fällte. Die NUMSA sollte den Ausschluß der Oppositionellen vorerst aufheben und sie ihre Arbeit bei Volkswagen wieder aufnehmen lassen. Die 13 versicherten im Gegenzug, nicht mehr als Gewerkschaftsvertreter zu arbeiten und keinen Konflikt mehr bei Volkswagen auszutragen. Doch am nächstem Morgen setzten sie das Gegenteil in die Tat um. Dr. Schuster: "Gemeinsam mit einigen hundert Beschäftigten, zum Teil bewaffnet mit Knüppeln und Messern, schüchterten sie Kollegen ein und legten die Produktion lahm." Der Ausstand sei ungesetzlich gewesen, da es sich nicht um einen Konflikt mit dem Arbeitgeber handelte, sondern um eine Auseinandersetzung innerhalb der Gewerkschaft. In zahlreichen Gesprächen mit den Kollegen der NUMSA auf regionaler und nationaler Ebene, mit dem VW-Management sowie Stadt- und Regierungsvertretern wurde versucht, den Konflikt zu entschärfen und den rechtswidrigen Streik zu beenden. Uhl: "Die Oppositionsgruppe lehnte Gespräche mit uns ab!"
Die Lage wurde unhaltbar. Um Lieferverpflichtungen zu erfüllen, hätte bei einer Fortführung des Ausstandes das komplette Exportvolumen aus dem Werk abgezogen worden müssen. Eine offenbar illegal agierende Gruppe hätte damit die Existenz von tausenden Beschäftigten und deren Großfamilien aufs Spiel gesetzt. Dem Unternehmen blieb keine andere Wahl, als eine erneute Frist zu setzen: Nur diejenigen Arbeitsverträge behielten ihre Gültigkeit, die von den Mitarbeitern mit Beginn der Frühschicht am 3. Februar erneut unterzeichnet würden.
Die überwältigende Mehrheit der rund 6000 Beschäftigten ergriff diese Chance. Daß dennoch knapp 1300 Mitarbeiter dieses Angebot nicht nutzten, bedrückt Hans-Jorgen Uhl sehr. Aber weder die IG Metall noch der Konzernbetriebsrat von Volkswagen sahen sich in der Lage, den VW-Vorstand aufzufordern, die Entlassungen zurückzunehmen. Diese Gruppe hat die Aufrufe der Gewerkschaft, der demokratischen Regierung und des VW-Managements sabotiert und trägt die Verantwortung für die Arbeitslosigkeit von 1300 Kollegen." Das unterstreicht Uhl nach Beratungen auch im Weltkonzernbetriebsrat, der IG Metall und dem Internationalen Metallgewerkschaftsbund, dem die südafrikanische NUMSA angehört. Die Verantwortung für die schlimme Entwicklung müsse die Oppositionsgruppe tragen.
Im ganzen Land war das Vorgehen dieser Gruppe kritisiert worden: zum Beispiel vom Regional- und vom Landesparlament, der Regierung Südafrikas, der Partei ANC - und vom südafrikanischen Präsidenten Thabo Mbeki, der den über zweiwöchigen, illegalen Ausstand öffentlich als unverantwortlich bezeichnete. Ebenso einhellig fiel die Zustimmung aus, als Volkswagen und Metallgewerkschaft dafür sorgten, daß wieder produziert wird. Aber nicht nur das: Inzwischen hat der Standort mehr als 1100 neue Arbeitskräfte, die bisher arbeitslos waren, eingestellt. Und weitere werden folgen, vor allem bei den Zulieferern, die sich rund um das Werk ansiedeln worden.
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