Lieber Kollege Volkert, lieber Kollege Uhl, liebe Kolleginnen und Kollegen,
am 28. 03. 2000 hatten wir hier in Hamburg eine Informationsveranstaltung zum Streik bei VW Südafrika, auf der der Kollege Bonisile James Mzeku im Rahmen seiner Rundreise durch einige Städte der Bundesrepublik über die Hintergründe der Auseinandersetzungen und die aktuelle Lage im Werk Uitenhage berichtet hat. Weitere Informationen haben wir durch ein Mitglied unseres Ortsvereins, das vorige Woche vor Ort war und Gelegenheit hatte, mit Belegschaftsvertretern zu sprechen.
Wie Ihr wisst, sind 1300 der 6000 Beschäftigten von der Werksleitung wegen ihrer Beteiligung am Streik im Januar dieses Jahres fristlos entlassen worden. Tatsache ist, dass ein afrikanischer Arbeiter in der Regel zehn und mehr Menschen ernährt: an die 15 000 Menschen haben durch die Entscheidung der Werks- und Konzernleitung von VW ihre Existenzgrundlagen eingebüßt. Sie werden nicht einmal mehr ihre ärmlichen Wohnungen in den Townships halten können, ihre Kinder verlieren den Rest an Perspektive, die in dem durch die Apartheid-Politik ausgebluteten Land ohnehin nur auf das Überleben ausgerichtet ist. Eine weitere Tatsache ist, dass die VW-Werksleitung in Südafrika und die VW-Konzernleitung durch ihr Vorgehen die gewerkschaftlichen Rechte der Belegschaft mißachten und vorhandene solidarische Strukturen zersetzen.
Wir gehen davon aus, dass auch Ihr Euch fragt, wann es den Unternehmern gelingt, die reduzierten Rechte von Arbeitervertretungen und die Bedingungen der Ausbeutung in Ländern wie Südafrika zum Maßstab für die Arbeitsverhältnisse in hochentwickelten Industrieländern wie Deutschland zu machen. Wenn wir wider-standslos hinnehmen, was jetzt bei VW Südafrika geschieht, beschleunigen wir eine solche Entwicklung, statt sie zu bekämpfen.
Wir bedauern und können nur schwer nachvollziehen, dass Ihr, soweit uns bekannt, bisher nichts unternommen habt, um Eure entlassenen Kolleginnen und Kollegen in Südafrika wirksam zu unterstützen und ihre bedingungslose Wiedereinstellung zu fordern. Sie haben sich nichts zu schulden kommen lassen, als ihre Rechte zu verteidigen. Wir bitten Euch dringend, Eure Zurückhaltung, von der nicht Ihr profitiert, sondern allenfalls der Vorstand und die Aktionäre von VW, zu überwinden. Wir erwarten von Euch, dass Ihr die Informationen, die Ihr habt - und die wir gern bereit sind zu ergänzen - an Eure Kolleginnen und Kollegen in allen VW-Betrieben weitergebt und mit ihnen diskutiert. Wir fordern Euch auf, in direkten Kontakt mit Euren entlassenen Kolleginnen und Kollegen in Südafrika zu treten und sie zu unterstützen. Statt Standortdenken: Solidarität!
Hamburg, Anfang April 2000
Im Auftrag der Kolleginnen und Kollegen unserer Informationsversammlung
IG Medien Hamburg, OVV
(Rolf Becker) (Luis Carvalho) (Lothar Degen) (Thomas Deutzmann)
Diesen Offenen Brief unterstützen: IG Medien Bremen, IG Medien Freiburg, Sprecherrat IG Medien Dortmund; Horst Gobrecht, Bezirksvorsitzender IG Medien Wiesbaden
Anlage:
Die Einladung zu unserer Informationsveranstaltung
Bericht aus Uitenhage zur Auseinandersetzung bei VW Südafrika
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