An die deutschen VW-Kollegen

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen bei Volkswagen in Deutschland,

mein Name ist Bonisile Mzeku, ich komme aus Uitenhagen, Südafrika, dem Standort von VWSA. Ich möchte Euch mitteilen, dass VWSA am 3. Februar 2000 1300 Arbeiter gekündigt hat. Ich bin einer von ihnen. Wir wurden gekündigt, weil wir unsere demokratisch gewählten Vertreter, Shopstewards, verteidigt haben. Sie waren dem Unternehmen und leider auch unseren eigenen Gewerkschaft (NUMSA) ein Dorn im Auge, weil sie unserem Protest gegen verschlechternde Vereinbarungen und andere Probleme zum Ausdruck brachten. Ihre Vorgänger, die diese Verschlechterungen mit Unterstützung der örtlichen Metallgewerkschaft vereinbart hatten, wurden von uns abgewählt. 1999 wählten wir Kollegen, die unsere Interessen konsequenter vertreten haben. Diese waren aber, wie Ihr Euch denken könnt, dem Unternehmen unbequem. Sie stellten die geschlossenen Vereinbarungen in unserem Auftrag in Frage. Diese Abkommen kamen zum Teil ohne unsere Zustimmung oder hinter verschlossenen Türen zu Stande.

Wie Ihr sicher wisst, haben wir jahrelang in einem rassistischen Unterdrückungssystem gelebt. Und mit dem Ende der Apartheid und der Neuwahl einer neuen, tatsächlich von uns gewählten Regierung haben wir viele Hoffnungen auf Verbesserungen für unsere Lebenssituation verbunden. Wir erwarteten gleiches Geld für gleiche Arbeit, ein Ende der Besetzung von führenden Stellen nur durch Weiße. Wir erhofften uns Sicherheit für unsere Arbeitsplätze und bessere Arbeitsbedingungen. Wir hatten eine starke Tradition von Basisdemokratie (workers’ control), entstanden in den Kämpfen gegen die Apartheid.

Stattdessen sahen wir uns bei VW, aber auch in ganz Südafrika verstärkt Angriffen der Unternehmer ausgesetzt. Errungenschaften, die wir selbst unter Apartheidsbedingungen erreichen konnten, sollen zurückgeschraubt werden. So haben wir z.B. im Rahmen des sogenannten A4-Exportabkommens zugestimmt, dass Pausen wegfallen und samstags gearbeitet wird, weil uns damit 1000 neue Arbeitsplätze versprochen wurden. Das Ergebnis war aber, dass 700 Leute zu wesentlich schlechteren Bedingungen ohne festen Vertrag zu arbeiten begannen.

Unsere ehemaligen gewerkschaftlichen Kämpfer sind massenhaft in die Regierung gegangen und haben oftmals vergessen, woher sie kommen. Sie sagen uns nun, dass wir die Gürtel enger schnallen sollen, um auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig zu sein. Mit diesem Konkurrenzdenken sollen wir gegeneinander ausgespielt werden.

Es ist vielleicht für Euch nicht leicht, unsere Situation und die Gründe zu verstehen, warum wir für unsere gewählten Vertreter in den Streik getreten sind. Wir denken, wir müssen die Kollegen unterstützen, die unsere Kritik zum Ausdruck bringen, die sich in unserem Auftrag mit dem Unternehmen anlegen und deshalb bei VW und der eigenen Gewerkschaft in Ungnade gefallen sind. Wir können sie nicht im Regen stehen lassen. Wir hatten VW Ende Januar nach drei Tagen Streik aufgefordert, mit uns Gespräche über unsere Rückkehr zur Arbeit aufzunehmen. Die Antwort der Geschäftsleitung war aber, dass sie erstens nicht mit uns spreche, sondern nur mit den Gewerkschaftssekretären. Zweitens würden sie auf keinem Fall die 13, von uns gewählten Kollegen wieder reinlassen. Sie haben uns somit ausgesperrt und die Aufnahme der Arbeit selbst verhindert. Der Rausschmiss der 13 Shopstewards war ihnen wichtiger als die Produktion.

Kollegen, wir können es nicht zulassen, dass die Geschäftsleitung von VWSA darüber entscheidet, wer unsere Vertreter sind. Sie sagt, sie hätte nichts mit unserem innergewerkschaftlichen Konflikt zu tun. Tatsächlich ist sie es, die den Vorteil von verschlechternden Vereinbarung hat. Sie ist es, die den NUMSA-Sekretären zu den Zugeständnissen veranlasst hat, die uns in den Konflikt mit unserer Gewerkschaft brachten. Sie hat mit vielen Einzelmassnahmen dafür gesorgt, dass wir in diese vertrackten Situation geraten sind.

Wir haben schon Solidarität von Kollegen aus Brasilien und Mexico, aber auch von deutschen Kolleginnen und Kollegen erfahren. Jetzt wenden wir uns an Euch, VW-Kollegen. Die Unterstützung durch Euch ist sehr wichtig, da uns in Südafrika gesagt wird, dass die harte Haltung vom Vorstand aus Deutschland kommt.

Heute sind wir es, die die Zugeständnisse an das Unternehmen satt haben und dafür büssen müssen. Morgen könnte es Euch genau so gehen.

United we win - devided we fall
Gemeinsam gewinnen wir, vereinzelt werden wir verlieren

Bonisile Mzeku

 

Solidaritätsadresse:

VWSA Crisis Committee
Fax/ Tel: 0027-41-9228691

Konto in Südafrika:

Kntonr: 620 149 77732
21-03-16
First National Bank, Uitenhage, South Africa

Konto in Deutschland:

Erhard Scholz
294147508
Postbank Köln [370 100 50]


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