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Warum Solidarität?

Interview mit Dirceu Travesso, Mitglied des Bundesvorstandes des brasilianischen Gewerkschaftsdachverbands CUT in Sao Paulo.

 

? Didi, wir befinden uns z.Z. auf dem Weltsozialforum in Porto Alegre. Du hast hier im Süden von Brasilien die Nachricht erhalten, dass die 1300 entlassenen Kollegen von VW in Südafrika gemäß eines Schlichterspruches wieder eingestellt werden müssen. Wie bewertest du diese Entscheidung?

DT: Aus meiner Sicht ist die juristische Entscheidung ein großer Erfolg für die Arbeiter. Sie zeigt, dass das Vorgehen von Volkswagen und leider auch das der Metallgewerkschaft NUMSA nicht in Ordnung und ein Verstoß gegen Arbeitnehmerrechte war. Nun müssen wir sicherstellen, dass das Unternehmen die rechtliche Entscheidung umsetzt und alle Entlassenen wieder einstellt.

? Könnt und wollt ihr Brasilianer dazu beitragen?

DT: Wir sind gerade dabei, Initiativen und Solidaritätsaktionen zu planen, die die Forderung nach Wiedereinstellung zum Inhalt haben. Wir hatten schon im März letzten Jahres zwei südafrikanische Kollegen eingeladen, damit sie ihre Situation hier in Brasilien bekannt machen können. Nun wollen wir den Besuch zweier südafrikanische Repräsentanten in Deutschland nutzen, und zum gleichen Zeitpunkt auch hier etwas zu unternehmen. Mit Sicherheit werden wir Flugblätter verteilen, Gespräche mit Beschäftigten bei den brasilianischen VW-Werken führen; und wir prüfen gerade, ob wir nicht auch eine Aktion vor dem deutschen Konsulat durchführen können.

? Waren die Entlassungen und der positive Gerichtsbeschluss auch Thema hier auf dem Forum, wo immerhin über 10.000 Menschen teilnehmen?

DT: Wir hatten Gelegenheit, beides hier bekannt zu machen. Es war Thema in verschiedenen Workshops des Forums. Und wir werden am letzten Tag Flugblätter verteilen, in denen das Verhalten von Volkswagen dargestellt und zur Solidarität mit den Entlassenen aufgerufen wird.

? Warum macht ihr das alles?

DT: Das hat auch damit zu tun, dass wir hier in Brasilien ähnliche Erfahrungen mit VW oder anderen multinationalen Konzernen gemacht haben. An der Oberfläche führen diese Firmen einen Diskurs der Modernität, des Dialogs und der Beteiligung. Wenn die Beschäftigten allerdings eine vom Unternehmen abweichende Position vertreten, Forderungen erheben oder Errungenschaften verteidigen, dann reagieren diese mit aller Härte, wie in Südafrika mit Unterdrückung, Entlassungen und Erpressung.

Hier haben wir z.B. Erfahrungen mit Volkswagen in Sao Carlos. Die Situation war ganz ähnlich. Die Arbeiter waren unzufrieden mit einem Vertrag, den die Gewerkschaft mit dem Unternehmen abgeschlossen hatte und traten in einen "Dienst nach Vorschrift". VW reagierte sofort mit Entlassungen. Schlimmer noch. Gegen VW liefen zwei Verfahren wegen der unrechtmäßigen Schenkung eines Grundstückes und dem Verstoß gegen brasilianische Umweltrechte. Die Antwort von VW war die Drohung, das gesamte Werk zu schließen. Daher ist der Kampf der südafrikanischen Kollegen auch unser Kampf in Brasilien. Deshalb beteiligen wir uns an der Solidaritätskampagne für die südafrikanischen Kollegen mit der Forderung, dass der Konzern die juristische Entscheidung akzeptieren und alle Entlassenen wieder einstellen muss.

? Habt ihr auch Erfahrungen mit anderen deutschen Unternehmen?

DT: Auch andere große deutsche Konzerne agieren in der gleichen Art und Weise. Im Moment gibt es Probleme bei Bayer in Rio, die einen gewählten Gewerkschaftsvertreter, Eugenio Lima, entlassen haben. Er hat natürlich Kündigungsschutz und dürfte nicht ohne besonderen Grund entlassen werden. Aber auch in diesem Fall werden die Arbeitnehmerrechte nicht akzeptiert.

Das andere Beispiel ist die BASF, die in Jacareí ein ganzes Werk schließt und damit nicht nur einen, sondern gleich alle 270 auf die Strasse setzt. Die Begründung ist, die Kosten seien zu hoch, die Globalisierung sei schuld. Mit dieser Konkurrenz wird dann weltweit versucht, die Arbeiter gegeneinander auszuspielen, damit sie auf Geld, Rechte und andere soziale Errungenschaften verzichten. Das ist unsere Erfahrung. Das ist die Realität. Der Diskurs der Modernität und Demokratie bleibt immer dann auf der Strecke, wenn die Gewinne und die Produktivität betroffen sind. Da ist dann nichts mehr mit Demokratie, selbst dann, wenn die Unternehmerentscheidung eine Katastrophe für die Menschen und ihre Familien bedeutet, wie es bei den 1300 in Südafrika, bei den 22 Entlassenen bei VW Sao Carlos, dem Kollegen Eugenio von Bayer, oder den 270 BASF-Kollegen in Jacareí der Fall ist.

Das Interview führte Beatrix Sassermann


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