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Updated: 18.12.2012 15:51
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Ende des Co-Managements? Zugespitzter Konflikt bei Volkswagen

von Stephan Krull

Zuerst erschienen in: Sozialismus Heft 7-8/2006, S. 32-35

Die Automobilindustrie in Europa und den USA befindet sich in einer Krise - genauer: in einer Krise der Kapitalverwertung. Die Massenkaufkraft ist erschöpft. Alle Marktanteilsgewinne eines Konzerns gehen zu Lasten eines anderen Konzerns. Der Wettbewerb wird hauptsächlich über den Preis geführt und das drückt vor allem auf die Arbeitsbedingungen. Ein weiteres Kennzeichen der Krise sind die riesigen Überkapazitäten. Weltweit ist eine Produktionskapazität von 70 Millionen Fahrzeugen pro Jahr installiert, verkauft werden aber »nur« ca. 50 Millionen.

Auf Volkswagen bezogen liest sich die Entwicklung so: Der VW-Konzern hat eine Produktionskapazität von sieben Millionen Fahrzeugen pro Jahr, gebaut und verkauft werden aber »nur« etwas mehr als fünf Millionen. Unter diesen Bedingungen ist die angestrebte Verzinsung des Kapitals in Höhe von mindestens 13% nur sehr schwer zu erreichen - und wenn, dann zu Lasten von Beschäftigung und Beschäftigten. Das brachliegende konstante Kapital wirft keinen Profit ab, die Profitrate sinkt, [1] und die Anleger suchen sich profitablere Anlagemöglichkeiten.

Selten in den zurückliegenden Jahrzehnten konnten wir die Wirkungsweise des Gesetzes vom tendenziellen Fall der Profitrate genauer beobachten als in der gegenwärtigen Situation. »VW: Plus von 18,1 Prozent! Die Marke Volkswagen hat auch im Mai trotz eines weltweit harten Wettbewerbs deutlich mehr Autos verkauft als im Vorjahr.« [2] Nun wissen wir, dass Absatz und Umsatz nur in losem Zusammenhang mit Gewinn oder Profit stehen. Die Herren von Volkswagen behaupten, mit jedem - zumindest in Deutschland produzierten - Golf oder Passat Verluste zu machen. [3] Damit wird deutlich, dass die Krise bei VW eine Spezifik aufweist, die eine nähere Betrachtung lohnt; denn unter vergleichbaren äußeren Bedingungen weisen andere Automobilfirmen erkleckliche Gewinne aus.

Verstärkend zur Verwertungskrise in der Automobilindustrie kommen bei Volkswagen Managementfehler:

  • verfehlte Modell- und Preispolitik. Ein Auto für »das Volk« ist bei Volkswagen gegenwärtig nicht zu haben. Stattdessen ist viel Geld investiert worden in Phaeton, Touareg, Bentley und andere Luxuskarossen. Es gibt Anlass zu der Annahme, die Herren von Volkswagen haben die eigenen Beschäftigten, deren Familien und diese ganze soziale Gruppe der arbeitenden Menschen als Kunden abgeschrieben.
  • störanfällige, übermechanisierte und überkomplexe Produktionstechnologie. Durch die Gier der Manager, lebendige Arbeitkraft einzusparen, sind mit dieser Produktionstechnologie ungeheure Kapitalsummen investiert und gebunden worden. Tatsächlich führt der Technikfetischismus zu teuren Anlagenstillständen, zu Produktionsausfällen und zum notwendigen Einsatz hoch qualifizierten Personals. Nicht einmal der Personaleinspareffekt hat sich ergeben, es gab lediglich eine Umschichtung innerhalb des Personals. Aller Personalabbau, den es kontinuierlich bei VW in Wolfsburg gibt, ist den sinkenden Produktionszahlen geschuldet, was wiederum dazu führt, dass das konstante Kapital sich schlechter verzinst.

So wird deutlich, dass neben das Gesetz vom tendenziellen Fall der Profitrate Manager treten, die diesen Fall beschleunigen. Unter etwas anderen Vorzeichen gibt es solche Entwicklungen bei Daimler-Chrysler, General Motors und - früher oder später - bei Toyota und anderen Multis. Aber vorläufig wollen sie sich gegenseitig auffressen. Die krisenhafte Entwicklung umfasst neben den Autoherstellern gleichzeitig Zulieferer, Komponentenhersteller und »Dienstleister«, wie am Beispiel des GM-Zulieferers Delphi in den USA deutlich wird.

Opfer dieser Entwicklung sind in erster Linie die Beschäftigten, die für weniger Geld länger arbeiten sollen und in dieser längeren Arbeitszeit höherem Druck und höheren Leistungsanforderungen ausgesetzt sind. In großen und schnellen Schritten soll die VW-Belegschaft reduziert werden; von 30.000 Beschäftigten ist neuerdings die Rede.

Belegschaftsentwicklung bei VW

Beschäftigte
31.12.1987
31.12.1993
31.11.2004
31.12.2005
31.3.2006
VW-AG
131.176
108.467
102.936
101.028
100.034
Werk Wolfsburg
64.242
51.498
49.908
49.205
48.666
Beschäftigte im
Leistungslohn/ Wolfsburg
28.378
23.807
19.132
18.265
17.832

Rollback bei den Arbeitszeiten

Die IG Metall ist gegenwärtig in einer wenig komfortablen Situation. Insbesondere der verlorene Kampf um die Arbeitszeitverkürzung in Ostdeutschland hat die Gewerkschaft zunächst gelähmt, dann aber politisch und organisatorisch dauerhaft geschwächt. Ausdruck davon ist auch die Tatsache, dass es für die 30-Stunden- bzw. 4-Tage-Woche bei VW so gut wie keine Nachahmer gegeben hat. Obwohl mit diesem Modell viele tausend Arbeitsplätze gesichert und zeitweilig bei VW noch Einstellungen vorgenommen wurden, hat die Gewerkschaft seit 1993 nicht die Kraft gefunden, dieses Beispiel großflächig zu vervielfältigen. Stattdessen sind in den letzten Jahren, insbesondere nach »Pforzheim«, vielfach Tarifvereinbarungen zur Verlängerung von Arbeitszeiten abgeschlossen worden. Entgegen volkswirtschaftlicher Vernunft und besserem Wissen wurde, abgesehen von der untauglichen 32-Stunden-Idee von Zwickel, keine Initiative entwickelt, die Arbeitszeit weiter zu verkürzen. Gesetzliche Initiativen in Frankreich und vielfältige Modelle der Arbeitszeitverkürzung aus den skandinavischen Ländern sowie aus Belgien und den Niederlanden fanden in der deutschen Gewerkschaftsbewegung keine Entsprechung. So ist - im Sog der Arbeitszeitverlängerung in Deutschland - die Arbeitszeit in ganz Europa einer Tendenz der Verlängerung ausgesetzt. Dieses ist Ausdruck ungelöster Widersprüche in der IG Metall, die sich auch in personellen Auseinandersetzungen zeigen.

Für die IG Metall in Niedersachsen und bei VW kommt hinzu, dass mit dem Tarifvertrag zu Auto 5000 sowie mit dem Tarifvertrag vom November 2004 die Dämme zur Sicherung von Arbeitszeit und Lohn löchrig geworden sind. Bei Auto 5000 sind ca. 3.500 Beschäftigte tätig, die regelmäßig 38 Stunden arbeiten, davon aber nur 36,5 Stunden zu einem Entgelt vergütet bekommen, das ein Fünftel unter dem VW-Tarif liegt. Dieser Tarifvertrag ist mit dem erklärten Willen abgeschlossen worden, »industrielle Arbeitsplätze am Standort Deutschland zu halten«. Wenn diese Begründung als richtig unterstellt wird, bedeutet sie, dass Tarifpolitik bei VW sich an diesem Standard zu orientieren hat. So wurde im November 2004 ein Tarifvertrag abgeschlossen, der für alle neu Eingestellten - einschließlich der Ausgebildeten - ähnliche Konditionen vorsieht: 20% längere Arbeitszeit und 20% geringere Entlohnung. Abgesehen von der unerträglichen Spaltung der Belegschaft - für gleiche Arbeit gibt es höchst unterschiedliche Entlohnung - war die Begründung auch in diesem Fall, dass es um die Sicherung industrieller Arbeitsplätze in Deutschland ginge. Eine besondere Provokation für die Gewerkschaft besteht darin, dass Zusagen aus dem Tarifvertrag seitens des Unternehmens nicht eingehalten werden und erforderliche Regelungen aus diesem Tarifvertrag bis heute nicht verhandelt und unterschrieben sind. [4

Nun könnte man argumentieren, der vereinbarte Ausschluss betrieblich begründeter Kündigungen bis zum Jahr 2011 sei diesen Preis wert. Aber erstens gab es einen ungekündigten Vertrag, der Kündigungsschutz beinhaltete, und zum zweiten sieht sich das Unternehmen heute »nicht mehr in der Lage, diesen Vertrag zu den gegenwärtigen Konditionen einzuhalten«. Der Vorstand droht mit Vertragskündigung und betriebsbedingten Entlassungen, sollten die Beschäftigten nicht zu Arbeitszeitverlängerung und Lohnsenkung bereit sein.

Der bevorstehende Konflikt

Aus Aussagen und Veröffentlichungen des Vorstandes von Volkswagen muss der Schluss gezogen werden, dass das Tarifvertragssystem grundsätzlich in Frage gestellt wird, z.B., wenn von Entlassungen und Arbeitszeitverlängerung die Rede ist - letzteres ohne Lohnausgleich und unter Nichtbeachtung der entsprechenden Rückkehrklauseln, die in den Tarifverträgen seit 1993 vereinbart worden sind. [5]  »Kommt binnen einer Frist von 6 Monaten nach Ablauf der Vereinbarung« - gemeint ist die Vereinbarung zur Arbeitszeitverkürzung auf 28,8 Stunden mit proportionalen Entgeltreduzierungen - »keine Nachfolgeregelung zustande, so treten in diesem Zeitpunkt die normalen tariflichen Regelungen in ihrer dann gültigen Fassung in Kraft« (Tarifvertrag 28,8 Stunden-Woche von 1993). Dies bedeutet, dass der damals zurückgestellte »Schattentarifvertrag« inklusive aller seitdem durchgesetzten Lohnerhöhungen einschließlich Jahressonderzahlung, Urlaubs- und Weihnachtsgeld ab Einführung der 35-Stunden-Woche wieder zu zahlen wären. [6]  Insbesondere der (neue) Chef der Marke Volkswagen, Wolfgang Bernhard, zeichnet sich als Rammbock gegen die Gewerkschaft aus, den die Unterschriften von gestern überhaupt nicht zu kümmern scheinen.

Anfang Mai 2006, nach diversen Ankündigungen durch Personalvorstand Horst Neumann und Markenvorstand Bernhard, hat sich der Vorstand von Volkswagen an die IG Metall gewandt und diese zu Gesprächen aufgefordert. In dieser Gesprächsaufforderung bringen sie es fertig, den Widerspruch zu formulieren, dass sie einerseits zur Vereinbarung über Beschäftigungssicherung vom November 2004 stehen, dass diese aber zu den damals vereinbarten und nach wie vor gültigen Konditionen nicht haltbar sei - eine offene Kampfansage an die Beschäftigten und deren Interessenvertretung.

Die Tarifkommission der IG Metall hat in dieser Situation beschlossen, zunächst nicht - wie von VW gewünscht - Tarifverhandlungen zu führen. Dafür sind zwei Gründe ausschlaggebend:

  • Es gibt einen erst zum 31.1.2007 kündbaren gültigen Tarifvertrag.
  • Es muss erst sondiert werden, was die Unternehmensleitung aus welchen Gründen an den Tarifverträgen ändern will.

Deshalb sind Mitte Juni erste Gespräche geführt worden, in deren Mittelpunkt seitens der IG Metall folgende Fragen standen:

  • Wie ist die Ergebnissituation der sechs Werke der VW AG, konkret und nach Bereichen differenziert; wo liegen die Schwachstellen und worin sind sie begründet, wenn es sie denn gibt?
  • Was will die Unternehmensleitung konkret an den Tarifverträgen ändern?
  • Welches Konzept gibt es seitens der Unternehmensleitung zur dauerhaften Standort- und Beschäftigungssicherung?

Erst wenn diese Fragen nachvollziehbar beantwortet sind, wird in der Tarifkommission über (vorgezogene) Tarifverhandlungen beraten und entschieden.

Darüber hinaus erwartet die Gewerkschaft die Lösung einiger struktureller Probleme wie z.B. die Modellpolitik, die Produkttechnologie und die Arbeitsorganisation. Nach Meinung der Unternehmensleitung reicht das aber zur »Sanierung« von Volkswagen nicht aus. Deshalb die Forderung nach 20% Arbeitszeitverlängerung und 20% Lohnsenkung sowie Auflösung des gesamten Tarifvertragssystem bei Volkswagen und Abschluss eines einheitlichen neuen Haustarifvertrags unter Einschluss der neu gegründeten Unternehmen wie Auto 5000, Sitech, Autovision etc. Nach dem Sondierungsgespräch ist klar, dass es auf dieser Basis keine Tarifverhandlungen geben kann. Das Unternehmen hat inzwischen mit dem gezielten Personalabbau durch Aufhebungsverträge begonnen und diese als »faires Angebot« bezeichnet. Besondere Zielgruppen sind so genannte Doppelverdiener (Frauen) und Heimkehrer, ausländische KollegInnen, die in ihrer Heimat dann eine »Eisdiele aufmachen« können. Für die Abfindungen steht ein hoher dreistelliger Millionenbetrag zur Verfügung, der nach Auffassung vieler Beschäftigter besser in arbeitsplatzsichernde Maßnahmen investiert wäre als in Arbeitsplatzabbau.

Wie das Unternehmen sich die weitere Entwicklung vorstellt, wird in der laufenden Tarifverhandlung bei Auto 5000 deutlich, wo in den letzten Junitagen eindrucksvolle Warnstreikaktionen stattgefunden haben. Die Belegschaft bei Auto 5000 will sich nicht mehr zu Erpressungsaktionen missbrauchen lassen. So ist auch bei diesem Vorzeigeprojekt inzwi­schen der Lack ab.

Welche Optionen haben Betriebsrat und IG Metall?

Auf der Betriebsräteversammlung Ende April 2006 äußerte der Betriebsratsvorsitzende Bernd Osterloh, dass »Einvernehmen über die strategischen Konzernziele, nämlich Verbesserung von Qualität, Kosten und Vertriebsleistung besteht, aber über die Wege diskutiert werden muss.« Bei der jüngsten Sitzung des Weltkonzernbetriebsrats wurde einstimmig erklärt: »Der Welt-Konzernbetriebsrat erklärt sich solidarisch mit allen Beschäftigten, die sich für den Erhalt ihres Arbeitsplatzes, ihrer Rechte und sozialen Errungenschaften einsetzen.« Der Bezirksleiter der IG Metall sagte vor dem Sondierungsgespräch: »Wir wissen um die schwierige Lage im Unternehmen«, aber »für Verzichtsorgien zu Lasten der Beschäftigten steht die IG Metall auf jeden Fall nicht zur Verfügung.« Weiter äußerte Hartmut Meine die Erwartung der Beschäftigten, dass es »einen fairen Ausgleich von Wirtschaftlichkeit und Beschäftigungssicherung« geben muss. [7

Das Unternehmen hat eindeutig erklärt, dass es zu den bisherigen Bedingungen des Haustarifvertrags keine neue Fertigung in den VW-Werken geben wird. Alles läuft auf einen Konflikt hinaus, der ein Ende von »kooperativer Konfliktlösung« und »Co-Management« bedeuten kann, weil entweder die IG Metall in die Knie gezwungen oder Verträge seitens des Unternehmens nicht eingehalten und Produktion verlagert wird. Einen Ausweg aus diesem Dilemma gäbe es nur, wenn Betriebsrat und IG Metall bereit und in der Lage sind, über betriebswirtschaftliche Grenzen hinaus zu denken und mit den Beschäftigten gemeinsam zu handeln. Die nötige soziale und volkswirtschaftliche Kategorie in diesem Zusammenhang kann nur weitere Arbeitszeitverkürzung heißen. Aber auch hierbei bleibt das objektive Problem, dass der radikalen Arbeitszeitverkürzung von 1993 keine Betriebe oder Branchen gefolgt sind - und das ist nicht nur ein Problem des (fehlenden) Lohnausgleiches.

Es fehlen der IG Metall und den Betriebsräten Zeit, Kraft und vielleicht Mut, eine neue Kampagne zur Arbeitzeitpolitik zu starten. Die Forderung kann nicht radikal genug sein. Die 20-Stunden-Woche gut erklärt und volkswirtschaftlich begründet als Aktion zur besseren Verteilung des notwendigen Arbeitsvolumens auf all diejenigen, die arbeiten wollen - mit einer solchen Kampagne würden die Argumente der Neoliberalen zusammenbrechen und die Arbeitslosen sowie die von Arbeitslosigkeit bedrohten Menschen mobilisierbar. Dazu fehlt die Debatte in der Gewerkschaft, weil »Denken ohne Geländer« zu Konsequenzen führen würde, die undenkbar erscheinen.

Eine solche Kampagne gibt es auch deshalb nicht, weil es für Umsetzung und Formen von Arbeitszeitverkürzung oft nur statische Überlegungen gibt. Tägliche oder wöchentliche Arbeitszeitverkürzungen sind aber von vielen Beschäftigten aufgrund ihrer konkreten Lebens- und Arbeitssituation gar nicht erwünscht. Also ist es nötig, über Jahresarbeitszeiten, Projektarbeitszeiten, Sabbatjahre, Erziehungszeiten, Pflege-, Qualifizierungs- und Lebensarbeitszeiten nachzudenken. Geht das in einer Zeit, in der die neoliberalen Schwätzer die Debatte dominieren? Wollen Gewerkschaften diese Debatte über­haupt? Viele Beschäftigte bei VW trauern dem 6-Stunden-Tag nach, den es in einigen Bereichen gegeben hat, andere trauern der 4-Tage-Woche nach, die es längere Zeit gegeben hat und - mit Unterbrechungen - immer noch gibt.

Angesichts der Tatsache, dass gegenwärtig Arbeitszeitverlängerung mit Lohnkürzungen durchgesetzt werden, scheint die Frage nach Lohnausgleich bei Arbeitszeitverkürzung theoretisch zu sein - abgesehen davon, dass wir Arbeitszeitverkürzung immer mit geringeren Lohnzuwächsen selbst bezahlt haben. Das Argument, dass Arbeitszeitverkürzung Arbeitsplätze schafft, bleibt dabei auf unserer Seite.

Es gibt viele gute Gründe gegen Arbeitszeitverlängerung und Lohnabbau:

  • Arbeitszeitverlängerung vernichtet Arbeitsplätze, ist frauen- und familienfeindlich, bedeutet Gesundheitsverschleiß, vernichtet die Zukunftschancen der Jugend und bedeutet weniger Lebensqualität.
  • Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich senkt die Kaufkraft, drosselt die Konjunktur, bedeutet Lohnkürzung.

Warum sollten Gewerkschaften sich darauf einlassen? Einzig und allein das ungünstige Kräfteverhältnis könnte sie dazu zwingen. Aber das ist ja veränderbar, wie wir in den letzten Wochen in Frankreich sehen konnten.

IG Metall, Betriebsrat und der Belegschaft bei Volkswagen stehen harte Konflikte bevor. Es wäre gut, wenn diese nicht als isolierte Auseinandersetzungen einer bisher scheinbar privilegierten Belegschaft verstanden würden, sondern als Auftakt der notwendigen und unausweichlichen Auseinandersetzung um die Veränderung des Kräfteverhältnisses in unserem Land.


Anmerkungen:

Stephan Krull war bis Mai 2006 Mitglied im Betriebsrat bei VW in Wolfsburg und in der Tarifkommission der IG Metall für die VW AG.

(1) Tendenzieller Fall der Profitrate, Marx, Das Kapital, 3. Buch, 3. Abschnitt, 13. Kapitel.

(2) Wolfsburger Allgemeine, 9.6.2006.

(3) Das Gleiche wird auch von dem in Spanien gebauten Polo und dem von Brasilien nach Europa exportierten Fox behauptet. Mit Sicherheit ein Verlustbringer ist die Luxuslimousine Phaeton, deren Vertrieb in den USA bereits eingestellt wurde. Gewinn machen »die anderen Marken« (Audi, Skoda, Bentley, VW-Nutzfahrzeuge) und vor allem die Finanzdienstleistungen. Die werden allerdings weit überwiegend im Zusammenhang mit den von der Marke VW produzierten Fahrzeugen gemacht.

(4) Dieses betrifft eine Vereinbarung zur »innovativen Arbeitsorganisation« ebenso wie den Gemeinsamen Entgelttarifvertrag einschließlich einer Entlohnungstabelle für die neu eingestellten Beschäftigten, die seit November 2004 nur pauschal und einheitlich entlohnt werden. Ebenso sind Produktzusagen für die Standorte seitens des Unternehmens nicht eingehalten worden - eine der Ursachen für heutige Personalüberhänge.

(5) Tarifvertrag vom 12.9.1995: »Die Tarifvereinbarung zur 28,8-Stunden-Woche wird . mit dem Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen mit einer frühestmöglichen Kündigungsmöglichkeit zum 31.12.1997 wieder in Kraft gesetzt.« Von dieser Kündigungsmöglichkeit wurde bisher kein Gebrauch gemacht, u.a. auch wegen der o.g. vertraglichen Vereinbarung aus dem Jahr 1993.

(6) »Würden sich theoretisch die Beschäftigungsprobleme derart verschärfen und käme in Verhandlungen keine Nachfolgeregelung zustande, würden automatisch die normalen tariflichen Regelungen vom Herbst 1993 mit der 35-Stunden-Woche und dem damals geltenden Bezahlungsmodus wieder aufleben: Auch die Elemente, mit denen die 20prozentige Absenkung der Arbeitszeit »abgekauft« worden ist, würden wieder in Kraft treten. . (und) setzen Hürden, die für VW nicht leicht zu überspringen sein dürften und eine Rückkehr zur 35-Stunden-Woche kaum noch möglich erscheinen lassen.« Zitiert aus: »Die Zeit müssen wir uns nehmen«, Broschüre der IG Metall Bezirksleitung, Oktober 1995.

(7) IGM-Presseinfo vom 10.5.2006 .


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