"Rover hätte BMW gefährdet"

 

So titelte am Montag (20.3.2000) die WELT das Interview mit dem Gesamtbetriebsratschef Manfred Schoch. Das Fazit der WELT im Untertitel: er trägt die Vorstandsentscheidung mit. Das tun wohl alle Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat von BMW, denn sie alle haben - nach einem Vorgespräch mit dem IG Metall-Vorstand - die Absichtserklärung für die Verkaufsverhandlungen unterzeichnet, denn sonst "hätte Rover BMW mit reingerissen", wie eingeweihte Kreise die Begründung kolportieren. Die Verteuerung der Produktion bei Rover durch die britische Zinspolitik hätte den gesamten Konzern gefährdet.

Was war gefährdet? Lauschen wir Schoch auf der außerordentlichen Belegschaftsversammlung am 17.3.2000: "In der Segmentberichterstattung werden wir für die Marke BMW einen neuen Rekordgewinn von 4,1 Milliarden Mark vor Steuer ausweisen können. Diese Rekorde konnten nur durch die hervorragenden Leistungen der gesamten BMW Belegschaft erreicht werden, die sich mit vielen Überstunden, Sonderschichten und Mehrarbeit für diesen Erfolg eingesetzt hat. Darauf können wir alle gemeinsam stolz sein."

Es geht scheinbar um BMW und nur um BMW - in Deutschland: " Oberstes Ziel war es, die Selbständigkeit unseres Unternehmens BMW zu erhalten. Diese Zielsetzung soll und darf sich auch in der Zukunft nicht ändern! Der Betriebsrat vertritt einstimmig die Meinung, dass wir auch weiterhin mit einem Vorstand verhandeln wollen, der im Vierzylinder in München sitzen muss! (...) Liebe Kolleginnen und Kollegen, die nun angedachten Lösungen bei Rover wären für uns alle ein wichtiger, ja sogar lebensnotwendiger Befreiungsschlag. BMW bleibt damit selbständig und die Arbeitsplätze bei BMW bleiben sicher! Der Vierzylinder wird nicht nach Detroit, Chicago, Paris oder Wolfsburg verlegt und auch ein Aktientausch wird nicht stattfinden." (ebenda)

Von den betroffenen britischen KollegInnen ist in der gesamten Rede keine Rede, denn die Bemühungsmotive scheinen - dieser Rede nach - für die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat andere zu sein: " und eines muss auch deutlich gesagt werden, wir arbeiten für Rover an einer anständigen Lösung, wir werden kein Werk schließen, sondern bemühen uns um einen neuen Eigentümer, der Rover weiterführen wird. Die Schließung von Rover Cars würde übrigens Mehrkosten in Höhe von 3 Milliarden Mark nach sich ziehen! Herr Prof. Milberg hat also selbst in dieser prekären Lage eine Lösung vorbereitet, die dem Unternehmen weitere Milliardenverluste ersparen würde."

Auch für die IG Metall verdient ein Akt der "Standortsicherung" bei BMW durch den Verkauf von Rover gewerkschaftliche Bewunderung - zumindest zitiert die WELT Bayerns IG-Metall-Chef Werner Neugebauer, er habe den neuen Kurs von Milberg demonstrativ unterstützt und bewundere den BMW-Chef "für seine Klarheit und Kompetenz, wie er die Dinge angeht". Noch 1999 hatte sich die IG Metall gerühmt, Rover gerettet zu haben - ist nun das Hemd näher als die Jacke? Andererseits kann es ein Unterstützungsversuch sein, denn laut STERN soll Milberg gehen, weil die Familie Quant in ihm den Verantwortlichen für die Rover-Verluste sieht.

Voraussetzung für die Zustimmung sei aber für alle Arbeitnehmervertreter gewesen, dass keine Schließung von Longbridge stattfindet. Um dies zu erreichen, werden offensichtlich zwei Wege gesehen:

  1. Hilfe der britischen Regierung

  2. Hilfe der britischen Bevölkerung

Die Hilfsmöglichkeiten der britischen Regierung beziehen sich für Schoch (gegenüber der WELT) in der Vermittlung eines Einstiegs von GM, Toyota oder Honda. Die britischen KollegInnen bei Rover forderten hingegen gestern auf Flugblättern, die vor den Werkstoren in Longbridge verteilt wurden, die Verstaatlichung.

Der Bezug auf die britische Bevölkerung stellt eher eine Ursachenzuschreibung dar. Auf die Frage nach den Überlebenschancen von Rover (Cars, denn Landrover wird von Ford fortgeführt) äußerte Schoch in dem Interview: "Wenn mehr Engländer Rover kaufen würden, dann hätte auch Rover Cars eine Zukunft." Das kann, nebenbei, nun durchaus passieren, denn der Vorsitzende der AEEU-Gewerkschaft rief gestern zum Boykott von BMW auf.

Der BMW-Chef Milberg sagte auf der Pressekonferenz am 17.3.2000: "Meine Damen und Herren, wir haben alles unternommen, um Rover im Sinne der Mitarbeiter wie auch der Shareholder zu sanieren. Aber angesichts der veränderten Rahmenbedingungen war die Grenze des für uns unternehmerisch Verantwortbaren erreicht. Wir mußten jetzt handeln und jetzt eine Entscheidung herbeiführen." Einige Sätze vorher war von 8000 Entlassungen im Zuge der Sanierungsbemühungen die Rede.

Hat sich auch der BMW-Betriebsrat nichts vorzuwerfen? Nach Informationen des LabourNet Germany wurden die BMW-Belegschaften von ihren Vertretern im Aussichtsrat nicht über die Entscheidung informiert und mussten sie aus der Presse erfahren. Erst am 17.3. wurde eine außerordentliche Betriebsversammlung einberufen, weil "die Belegschaft ein Anrecht darauf hat, zu erfahren, warum es zu den nun getroffenen Entscheidungen gekommen ist", so Schoch in seiner Rede.

Der im Raum schwebende Vorwurf, von diesen Plänen früher erfahren zu haben, ohne die T&G zu informieren (siehe den LabourNet-Bericht vom 20.3.2000), wird aus den Kreisen des GBR-Vorsitzenden mit dem üblichen, aber nicht alles erklärenden Verweis auf das im Aufsichtsrat vereinbarte Stillschweigen beantwortet.*

Noch sind keine Verträge in trockenen Tüchern und nach unseren Informationen Stocken die Verhandlungen mit dem Risikokapitalfonds Alchemy, man scheue wohl die Aufmerksamkeit der Presse. Schuld sein kann aber auch die breite Empörung sein, die eine Äußerung des Alchemy-Chefs Jon Moulton gegenüber der britischen Presse machte. Frei übersetzt meint er, es sei natürlich schlimm, wenn Menschen überflüssig werden, aber auch Hämmoroiden müßten herausgeschnitten werden.

Auch ist nicht sicher, in wie weit die BMW-Belegschaften in Deutschland glauben, ihre Arbeitsplätze gerettet zu haben, oder ob sie sich breit mit den Longbridge-KollegInnen solidarisieren werden. Um Schoch in der WELT nochmals zu zitieren: "Allein 12 000 BMW-Mitarbeiter haben Rover-Fahrzeuge gekauft. Auch das zeigt das Engagement der BMW-Belegschaft für Rover." Das kann doch nicht alles gewesen sein?!

Mag Wompel/LabourNet Germany
21.3.2000

* Aus diesem gegebenen Anlaß weisen wir auf eine baldige Neuerscheinung im LabourNet Germany hin: "Was bringt die Mitbestimmung? Die rechtliche Stellung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat." Verfasst 1977 von der Gruppe Oppositioneller Gewerkschafter in der IG Metall Opel Bochum und Opel-Solidaritätskomitee


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