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BelegschaftsZeitung GM/Opel - Bochum |
Nr.
36 |
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Warum streiken wir nicht?
"Keine Leute! - Ablösung am Band nicht möglich, Freistellung der Gruppensprecher nicht möglich, Urlaubssperre, kein Ersatz für Vorruheständler ...!" Wenn 90% der Belegschaft sich jeden Tag aufregen über Opels Profitjagd auf unseren Knochen, über das Jojo-Spiel mit den Befristeten, die Erpressungen wegen Weihnachtsgeldkürzung, Werkzeugbau- und andere Auslagerungsdrohungen, Versetzungszirkus, Personalabbau auf 7000 usw. müßte man sich doch eigentlich wundern, daß es nicht öfter zum Knall kommt. Warum lassen wir uns soviel gefallen?
Einige Punkte zur Diskussion:
1. Unter uns funktioniert die Spaltung. Innerhalb der Gruppe oder Kolonne geht es schon los. Oft hat der Meister seine Lieblinge, der Gruppensprecher seine Freunde. Da wird schon mal Arbeit oder Pausenablösung zugeteilt je nach Anpassung und Unterordnung. Verleihung ist ein oft benutztes Strafmittel. Mancher träumt noch von einer kleinen Karriere... Und immer wieder wird versucht, die Wut auf andere Kollegen zu lenken, die krank sind oder nicht mithalten können, statt die wahren Verursacher der Personalknappheit anzugreifen. Da müssen diejenigen Kolleginnen und Kollegen und Vertrauensleute, die wirklich zur Gegenwehr bereit sind, sich ihre Leute schon genau angucken: auf wen kann man sich verlassen? Bei den letzten Aktionen sind immer einzelne Gruppen oder Abteilungen vorangegangen, die sich gut untereinander abgesprochen hatten. Auch das tägliche Gemecker über "die andere Schicht" hindert uns eher an schichtübergreifenden Absprachen zu gemeinsamen Aktionen.
2. Einschüchterung durch die Propaganda "Die Rüsselsheimer oder Antwerpener freuen sich, wenn wir streiken, dann kriegen sie die Produktion bald rübergeschoben..." Opel-Vorgesetzte wie auch Leute in unseren eigenen Reihen schüren so Angst und Spaltung. "Wir müssen aufpassen, dürfen nicht zu hart gegen Opel vorgehen..., neue Investitionen oder den Absatz nicht gefährden..." Letztendlich alles Argumente, die uns vom Kampf um unsere Interessen abhalten sollen. Viele von uns glauben noch an die Illusion, wenn wir auf Opel Rücksicht nähmen, würde Opel auch uns nicht härter angreifen.
3. "Der Betriebsrat muss denen da oben mal richtig die Hölle heiß machen!"
Kritik am Betriebsrat ist sicher berechtigt. Auch die Sonderschichten-Vereinbarung wurde mehrheitlich im Sinne des Geschäftsleitungsvorschlags und gegen einen großen Teil der unmittelbar betroffenen Kolleginnen und Kollegen durchgesetzt.
Die Kritik am Betriebsrat ist aber oft auch nur eine faule Ausrede: weil man selber die Hosen gestrichen voll hat, Schiss hat, sich selber zu wehren, soll der Betriebsrat eben die Kohlen aus dem Feuer holen. Einerseits wird der Betriebsrat bei jedem Konflikt auch vom Management hinzugezogen, um möglichst schnell zu "schlichten". Andererseits erwarten viele Wunderdinge vom Betriebsrat, um nicht selbst aktiv werden zu müssen. Gerade die V-Leute müssen die Diskussion führen "Was könnte im bestimmten Konflikt der BR tun, wo sind ihm die Hände gebunden ("Friedenspflicht" laut Gesetz), was könnten wir selber tun!"
4. Angst vor Verlust des Arbeitsplatzes. Nicht nur bei den Befristeten. Die Macht der Unternehmer: 6 Millionen Arbeitslose. Entsprechend die Propaganda "Seid froh, dass Ihr noch Arbeit habt, und sei sie noch so beschissen." Vergleichsweise guten Lohn bei Opel will keiner gefährden... Also schimpfen wir viel, tun aber wenig (außer wie doof zu malochen).
Gegenwehr braucht Organisation, damit man nicht alleine ins Messer läuft...
"Die Gewerkschaft müßte mal richtig gegenhalten, bundesweit streiken!"
Kritik an der offiziellen Gewerkschaftspolitik ist berechtigt. Gerade unsere Gruppe ist dafür bekannt. Doch auch die Schimpferei auf die Gewerkschaft ist oft nur faule Ausrede, die eigene Angst zu verstecken. Wir sind die Gewerkschaftsmitglieder. Dass wir auch selbständig handeln können, hat das Management mehrfach zu spüren gekriegt. Und genau davor haben diese Leute Angst...
Im Juni schlug Opel zu: ein Kollege aus der Fertigmontage hatte zum 2. Mal (zumindest wurde das behauptet) das "Verbrechen" begangen, bei der Montage Sicherheitsgurt eine Schraube nicht ordnungsgemäß mit dem Drehmomentschlüssel anzuziehen. Fristlose Kündigung wegen wiederholtem Fehler bei einer Sicherheitsoperation! - Seit 8 Jahren ist der Familienvater bei Opel. An etwa 150 Autos pro Schicht zieht er 3oo Mal die Schrauben an und befestigt Verkleidungen. Stress ohne Ende am Band. Da braucht man nur mal von der Seite angequatscht werden, und schon kann es jedem mal passieren, daß man zwar die Schraube mit dem einfachen Schlüssel aufgesteckt , aber noch nicht mit dem Drehmomentschlüssel "abgeknackt" hat... Eine technische Kontrolle dieser Sicherheitsoperation wäre für die betroffenen Kollegen ebenso sinnvoll wie für die späteren Autofahrer... Für Opel scheint die fristlose Entlassung billiger zu sein. Gleichzeitig sollen wir alle damit wohl einen Denkzettel verpaßt kriegen. "Ihr fliegt raus bei wiederholt fehlerhafter Arbeit!" Lassen wir uns derartige Kündigungen gefallen?
Entscheidung des Arbeitsgerichts Bochum am Donnerstag, 9.9.99, 11.15 Uhr. Hoffen wir, daß die bundesdeutsche Rechtsprechung solche Manager-Methoden noch eindeutig zurückpfeift und das Arbeitsgericht den verantwortlichen Personalchefs Dr.Wruck und Langer einen vor den Koffer haut.
Sofortige Wiedereinstellung des betroffenen Kollegen!
Die 1.500 Arbeiter der 9 verschiedenen Firmen des Konsortiums Firmen von VW-Resende-Brasilien haben am 11. August 1999 einen Streik begonnen, nachdem sie in der Woche zuvor bereits einen zweistündigen Warnstreik durchgeführt hatten. Aufgrund der brasilianischen Gewerkschaftsstruktur gehören alle Arbeiter einer Branche einer Gewerkschaft an, die grundsätzlich auf regionaler Basis organisiert ist.
Trotz der zögerlichen Haltung der Gewerkschaftsführer haben die Arbeiter sie
gezwungen, zu dem Streik aufzurufen. Der wichtigste Punkt ist die Anhebung von Löhnen, um sie auf dasselbe Niveau der Löhne von VW-Arbeitern in anderen Niederlassungen zu bringen, die in traditionell gewerkschaftlich organisierten Gebieten liegen. Dieser Streik war damit auch der Vorbote der aktuellen landesweiten Streiks für höhere Löhne in Brasilien.
Dieser Streik richtet sich aber auch gegen die in Brasilien, besonders bei VW, weit fortgeschrittene Form, die als Modularproduktion bezeichnet wird. Diese
Organisationsform, auch bekannt als die "modulare Fabrik" bedeutet die weitgehende Beschränkung des Herstellers auf die Endmontage, während alle Zulieferfunktionen und Komponentenmontage an um das Endmontagewerk gruppierten und nicht zum Hersteller gehörenden Firmen vergeben werden. Diese radikale Form der Ausgliederung bedeutet für die Beschäftigten Löhne weit unter dem Niveau des Herstellers, ohne Tarif und unter Behinderung gewerkschaftlicher Vertretung. Dies zeigt aber auch, daß es wichtig ist, daß wir weiterhin uns bemühen, Opel in den vergleichsweise noch anfänglichen Ausgliederungen zu behindern.
"Kannst Du vergessen!" - "Ich trete sowieso bald aus!" - "Die organisieren ja nur noch ein Zugeständnis an die Unternehmer nach dem andern. Dafür brauche ich doch keine Gewerkschaft!" - Solche Töne hört man bei nahezu jeder Diskussion über die IG Metall...
Und doch wissen die meisten: unsereiner braucht den organisierten Zusammenschluß. Auch die notwendige Lohnerhöhung kann man alleine nicht erreichen. Also was ist zu tun außer Meckern, Austrittsdrohungen und Weiterbezahlen?
In vielen Betrieben und Gewerkschaften in der Bundesrepublik organisieren Kolleginnen und Kollegen, die nicht einfach resigniert den Co-Managern und Verzichtsstrategen in Betriebsräten und Gewerkschaftsgremien hinterhermeckern wollen, die Diskussion um die Zukunft der Gewerkschaftsbewegung. Das aber nicht bloß als theoretische Debatte, sondern immer im Zusammenhang mit dem Versuch praktischer Gegenwehr gegen die Kapitalangriffe.
Aktuell geht es um die Vorbereitung der nächsten Metall-Tarifrunde 99/2000. Harald Schartau, der IGM-Chef in NRW, hat kürzlich erklärt: "Der Produktivitätsfortschritt hat nicht zwangsläufig den Sinn, die Einkommen zu erhöhen. Er wird im globalen Wettbewerb auch gebraucht, um ein Unternehmen konkurrenzfähig zu halten." (laut Handelsblatt 2.8.99) Mit solcher Rücksichtnahme auf die Profitsituation der Unternehmer unseren Lohn sichern und verbessern? Da ist wieder viel Scheingetöse und wenig wirklich treffende Aktion zu befürchten. Wie können wir, die Mitglieder der Gewerkschaft, sich jetzt rechtzeitig in die Vorbereitung der Tarifrunde einmischen? Was können wir hier bei Opel tun? Wie können wir eine breitere Bewegung mitanleiern?
Wir von der "Standorte"-Gruppe finden die Debatte um solche Fragen nötiger denn je, will man nicht der dösigen Vorstellung aufsitzen, wir könnten allein bei Opel in Bochum den Erhalt und die Verbesserung unserer Lebens- und Arbeitsbedingungen voranbringen. Jeden Dienstag treffen wir uns regelmäßig zur Diskussion unserer betrieblichen und gewerkschaftlichen Auseinandersetzungen, sowie der notwendigen Ansätze und Vorschläge für betriebsübergreifende Alternativen. An jedem letzten Dienstag im Monat kommen wir dabei mit anderen Aktiven aus Betrieben und Initiativen im Ruhrgebiet (unter dem Namen "Ruhrkoordination") zusammen, zweimal im Jahr mit Kolleginnen und Kollegen aus vielen anderen Autofabriken ("Automobilkoordination"), und einzelne von uns fahren auch zu den neuerdings stattfindenden bundesweiten Treffs zu den Diskussionen einer linken Strömung in den Gewerkschaften.
. Wer der Entwicklung nur schimpfend hinterhermeckert, bleibt eben Spielball der Verzichtspolitiker. Wer was in Bewegung setzen will, muß sich schon selbst bewegen. Laßt uns jetzt mit der Vorbereitung der Tarifrunde beginnen!
Ende August Abstimmung im Werkzeugbau: Opel behauptet, 17 Mio DM dort nur dann zu investieren, wenn die Kollegen Verschlechterungen akzeptieren. Entweder gemäß Opel-Plan flexible Arbeitszeit mit Samstagfrüh- und Spät- sowie Sonntagnachschicht (ohne Prozente, Korridor von 48 Monaten, Abfeiern in 3-oder 4-Tage-Woche je nach Opel-Wunsch).
Oder gemäß Vorschlag 1 einer Betriebsratsarbeitsgruppe "Schichtmodell nach Plan mit regelm. SA-früh und -SpätSchicht (bis 20.00Uhr) und Sonntagnacht (mit tarifvertr. Zuschlägen). Freischichtenplan zum Abfeiern,
oder gemäß Vorschlag 2 der Betriebsräte: 12 Regel-Samstage bzw Sonntage (nachts) im Jahr mit Zeitausgleich.
Ergebnis der Abstimmung:
157 Stimmzettel, 140 haben abgestimmt, davon 84 NEIN zu ALLEN DREI Vorschlägen=60% (O für Opel-Plan, 9 für den1.BR-, 47 für 2.BR-Vorschlag)!
Einige Betriebsräte behaupten jetzt, die NEIN-Stimmen kämen von den älteren Kollegen, weil ihnen die Zukunft des Werkzeugbaus egal wäre. (Dabei waren 81,3 % der NEIN-Stimmen ohne Altersangabe.) Das ist eine üble Unterstellung, denn auch Älteren ist die Zukunft der Arbeitsplätze nicht egal! Die Kollegen sollten zwischen Cholera und Pest abstimmen und haben sich zurecht gewehrt, der Erpressung von Verschlechterungen auch noch selber zuzustimmen! Solidarität mit den Kollegen im Werkzeugbau Werk I !
Der Betriebsrat Klaus Specht, Mitglied der Vereinten Alternativen Liste, war am 16.4.99 fristlos gekündigt worden, weil er bei der Vorstellung eines neuen Lohnsystems in einer BR-Sitzung kurzzeitig ein Diktiergerät eingeschaltet hatte. Die BR-Mehrheit stimmte dieser Kündigung ausdrücklich zu.
Große Teile der Belegschaft sind darüber schockiert und empört. Viele äußern ihr totales Unverständnis dafür, daß eine Mehrheit des BR dem Entlassungsantrag des Arbeitgebers gegen den beliebten und kritischen Sprecher der Vereinten Alternativen zugestimmt hat. Klaus kommt mit seiner Familie nun in eine schlimme wirtschaftliche Situation. Und der BR trägt durch seine Zustimmung einen großen Teil der Verantwortung dafür.
In der Verhandlung des Gütetermins versuchte der Personalchef, das Verhalten von Klaus Specht als schwere Verfehlung hochzuspielen. Vor allem sei die Kündigung deshalb gerechtfertigt, weil Vertraulichkeiten immer wieder in der -von ihm als "Schmierblatt" bezeichneten- Zeitung der Vereinigten Alternativen der Belegschaft bekannt gemacht würden. Es ging aber nicht um Geschäftsgeheimnisse, sondern um das neue Vergütungssystem, das die Geschäftsleitung durchsetzen möchte.
Klaus Spechts Klage gegen seine fristlose Kündigung wurde am 13.Juli 99 vom Düsseldorfer Arbeitsgericht abgewiesen, nachdem das Gericht zuvor ohne Erfolg eine fristgerechte Kündigung nahegelegt hatte.
Der Richter wollte nicht den Umstand berücksichtigen, dass dem gekündigten BR die Strafbarkeit seiner Handlung nicht bewußt gewesen ist. Ebensowenig sei von Belang, dass es sich bei ihm um ein Mitglied einer Minderheitsfraktion des BR handle, der der Mehrheitsfraktion unter anderem bezüglich dieses neuen Vergütungssystems kritisch gegenüber stehe.
Das Urteil löste große Empörung aus und tiefe Enttäuschung. Allgemein war man der Auffassung, daß hier ein fortschrittlicher BR wegen seiner Kritik an der Geschäftsleitung unter einem Vorwand verfolgt werden und in Existenznot getrieben werden soll. Aller Voraussicht nach wird Klaus Specht in Berufung gehen. Inzwischen liegt die schriftliche Begründung des Urteils vor, in der Klaus Specht wie ein Verbrecher dargestellt wird. Offenkundig wollte man ein stets engagiert für seine KollegInnen eintretendes BR-Mitlied mit einer deratig überzogenen Darstellung loswerden.
Jetzt braucht Klaus Specht unsere Hilfe und Unterstützung. Wenn ein gewerkschaftlich orientierter Betriebsrat mehrheitlich die Mitbestimmungsrechte als Zustimmungspflicht sieht, wird sich die Belegschaft ihr eigenes Urteil bilden. Wenn aber diese BR-Haltung durch Ausgrenzung, Ausschlüsse und Schikanen gegen andere Meinungen durchgesetzt werden soll, dann haben Gewerkschaften ihre Aufgaben verfehlt. Wichtig ist aber auch der Protest gegenüber dem Arbeitgeber: Sendet Protestschreiben und -faxe an die Geschäftsleitung der Mercedes-Lenkungen GmbH (Rather Str.51, 40467 Düsseldorf, Fax 0211-9533500). Unterschriftenlisten sind bei den Kollegen der "Standorte"-Gruppe erhältlich. Klaus und seine Familie, aber auch die Solidaritätsarbeit der Unterstützungsgruppe brauchen Geld! Spenden könnt Ihr auf dies Konto:
BfG Düsseldorf , BLZ 300 101 11, Konto Nr .25 62 15 29 01, Helmut Born "Solidarität mit Klaus Specht".
Alle Hintergrundinformationen, auch die Urteilsbegründung sind im Internet verfübar: http:/www.labournet.de unter "Solidarität gefragt".
Wir schimpfen auf Regierung und Gesetze
auf alles, was das Leben schwerer macht.
Wir schimpfen über diese Arbeitshetze,
nur hat es uns noch nichts gebracht.
Wir schimpfen über diese Mehrarbeiten,
die uns die Freizeit nehmen, und auch Kraft.
Wir schimpfen über die Kontrolle der Fehlzeiten
und dabei schmoren wir nur im eigenen Saft.
Wir schimpfen auch, weil unsere Interessen
kaum etwas gelten hier im Land.
Wir schimpfen, doch wir sollten nicht vergessen,
Reichtum entsteht allein durch unsere Hand.
Darum nicht nur schimpfen, auch mal streiten
und unsere Stärken eingebracht.
Zeigen wir uns von ganz anderen Seiten,
wird über uns auch wieder nachgedacht.
Wir müssen lernen selber auch zu lenken.
Die nahmen immer mehr, als sie uns gaben,
doch sollten die da Oben bloß nicht denken,
dass wir das Kämpfen schon vergessen haben.
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Der virtuelle Treffpunkt der Gewerkschafts- und Betriebslinken The virtual meeting place of the left in the unions and in the workplace | ||
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