Der folgende Beitrag stammt vom wohl bekanntesten Apparatlinken Italiens, dem Chef des FIOM-Regionalverbandes Piemont (und inoffiziell die Nr. 2 der FIOM auf Landesebene), Giorgio Cremaschi. Cremaschi ist auch einer der 3 führenden Köpfe beim seit September 1999 laufenden Versuch mit Blick auf den CGIL-Kongreß in 2001 - eine breite und vereinte (!) Linke innerhalb der CGIL aufzubauen, um "den Kurs" des mit Abstand größten italienischen Gewerkschaftsbundes "zu ändern !" (Wie die zentrale Losung der Linken lautet.) Cremaschis Anmerkungen zum FIAT-GM-Abkommen erschienen am 15.3.2000 in der unabhängigen linken italienischen Tageszeitung "il manifesto", für die er auch ansonsten häufig Beiträge verfaßt bzw. Interviews gibt.
Offen gesagt ist der Chor der Lobreden, die mit sehr wenigen Ausnahmen das Abkommen zwischen FIAT und Genaral Motors begleitet haben, obwohl es bei diesem Abkommen noch an der Kenntnis über viele entscheidende konkrete Aspekte fehlt, lästig. Übrigens scheint sich die Börse von der Medienoffensive der Überschwenglichkeit über die Große Allianz nicht besonders beeindrucken zu lassen. Und dies ist ein weiteres von den Unsicherheitselementen, die das ganze Geschehen begleiten. Es ist wahrscheinlich, daß wenn FIAT 10 000 Entlassungen oder die Schließung des Autobereiches angekündigt hätte die Aktie an der Börse in die Höhe gesprungen wäre, so wie die Märkte heute funktionieren. Aber gerade deshalb sind die Unsicherheiten der Börse gefährlich. Erst vor ein paar Jahren hat eine viel kleinere Unternehmensgruppe als FIAT, nämlich die Olivetti einen Kreuzweg der Abtreibung erleiden müssen, der sie dazu brachte sich in eine reine Finanzholding zu verwandeln. Wir sind heute bei FIAT nicht an diesem Punkt, dennoch können die Analysen über die Globalisierung nur aufgrund einiger Konvente nicht positiv sein. FIAT hat einen Weg begonnen, der sie in sehr unterschiedliche Richtungen führen kann. Die Aufgabe desjenigen, der erklärt, daß der Markt nicht alles ist und daß die Regeln notwendig sind, ist es heute zu sagen, welches die Punkte sind über die die Politik und die Regeln den Markt bestimmen sollen. Sonst endet alles damit, daß man auf die vom Senator Gianni Agnelli im Fernsehen verbreiteten Worte des Trostes vertrauen muß. Das erscheint offen gesagt auch für das heutige Italien übertrieben.
Beim gegenwärtigen Stand der Dinge, wo eine formelle Auseinandersetzung mit FIAT über das, was geschehen ist, fehlt (und es sonderbar ist, wie der Begriff konzertierte Aktion, der so häufig verwendet wird, wenn es darum geht die Löhne zu zügeln, verschwindet, wenn man sich in diesen Dimensionen befindet), kann man die folgenden kritischen Punkte in bezug auf das Abkommen auflisten:
Man spricht von Allianz, aber die Disproportion zwischen den beiden Alliierten ist derart, daß die Manager-Propaganda der letzten Stunden über "Das Schicksal liegt in unseren Händen" nicht ausreicht. In jedem Falle müssen die strategischen Bedingungen der Autonomie sowohl auf der finanziellen als auch auf der industriellen Ebene überprüft werden. In der Vergangenheit hat FIAT immer erklärt, daß sie allein ausreichend ist und Skeptizismus in bezug auf die Möglichkeit von Allianzen demonstriert. "Entweder man kauft oder man kauft", wurde gesagt. Was garantiert, daß es nicht so ist ?
Das Abkommen sieht eine Beteiligung von General Motors am Aktienpaket nur von FIAT-Auto vor. Es ist also nicht vergleichbar mit anderen Übereinkünften oder Allianzen der Vergangenheit. Gegenwärtig hat FIAT-Auto Bilanzen, die sich im Verlustbereich bewegen und die Aktivitäten der Gruppe kommen durch die Kompensation der Ergebnisse in den verschiedenen Sektoren in die Aktiva. Es ist offensichtlich, daß die Präsenz des amerikanischen Sozius nur im Autosektor die Leitung des Sektors in Kürze erstarren lassen wird. Wie alle Abkommen mit amerikanischen Multinationalen lehren, sind die US-Gesellschaften im Ausland wenig bereit auf die Zukunft zu warten oder in die Zukunft zu investieren. Sie bevorzugen bei weitem kurzfristige Ergebnisse. In diesem Sinne erleidet der Autobereich, verglichen mit dem Rest der Gruppe ein substantielles Outsourcing der Leitung, deren Auswirkungen auf der Produktions- und der industriellen Ebene sowohl für den Autosektor wie auch für alle anderen Gesellschaften der Gruppe diskutiert und bewertet werden müssen.
Die Klausel der möglichen Abtretung der gesamten FIAT-Auto an General Motors garantiert, wenn sie entworfen worden ist, um die FIAT-Aktionäre mit Garantien zu versehen die Arbeiter im gleichen Falle aber nicht. Es besteht die Gefahr, daß diese Klausel sich in den nächsten Jahren in eine Knebel-Klausel verwandelt, mit der man den Auto-Beschäftigten erklärt, daß sie entweder dafür sorgen, daß es der Gruppe gut geht oder diese am besten GM überlassen wird. Auch hier sind formelle Garantien nötig, auch von seiten der Arbeit und nicht nur von seiten des Unternehmens.
Wie alle bemerkt haben, produzieren FIAT und General Motors in Europa im wesentlichen dieselbe Art von Auto. Man kann auch behaupten, daß dies die Stärke von beiden erhöhen wird, aber die Erfahrung lehrt, daß wenn man Gruppen summiert, die dieselben Sachen produzieren die Beschäftigung sich schwerlich erhöht. Damit dies bei FIAT und General Motors in Europa geschieht, müßten sie die Summe der jeweiligen Marktanteile, die auf dem Kontinent die 20%-Marke übertrifft, insgesamt erhöhen. Das ist schwierig und in jedem Fall müssen die Strategien, die zu diesem Ziel führen, präzise diskutiert werden.
FIAT und GM haben Joint Ventures auf der Basis von 50%-Anteilen für jede Seite beim Einkauf, in der Motoren- und der Ersatzteilproduktion angekündigt. Das erste impliziert eine Rationalisierung der Beziehungen zur Komponentenproduktion, die schon heute einen Prozeß fortwährender Umstrukturierung durchmacht. Das zweite muß gleichfalls gut diskutiert werden, da FIAT bereits Personalabbau in den Mechaniken von Mirafiori ankündigt. Andererseits sieht das Programm des Abkommens jährliche Vorteile von 2,5 Billionen Lire <gut 2,5 Mrd.DM /d.Ü.> angefangen beim 3.Jahr vor, die sich beginnend mit dem 5.Jahr auf über 4 Billionen Lire erhöhen können. Vorteile, die vor allem über Synergieeffekte und Kostenrationalisierungen erreicht werden sollen. Es fragt sich: Wo, wie und wann ?
Dies sind nur einige der wichtigsten Fragen, die das Abkommen hervorruft und die ausschließlich den veröffentlichten Teil davon betreffen. Einige Kommentatoren haben allerdings unterstrichen, daß es wie in vielen Fällen dieser Art Klauseln geben könnte, die wir nicht kennen. In jedem Fall ist klar, daß der eingeschlagene Weg, der FIAT dazu gebracht hat auf verschiedenen Ebenen zu verhandeln und General Motors zu wählen, geklärt werden muß. Dies auch, weil wir wiedereinmal registrieren müssen, daß in Italien in allen der wichtigsten Sektoren der Industrie und der Dienstleistungen die internationalen Abkommen nicht mit Europa gemacht werden. Diese Tatsache ist sonderbar: Die einheitliche <europäische /d.Ü.> Währung hat uns so viel gekostet, aber Europa ist für die wichtigsten Unternehmen unseres Landes auf der Ebene der Industriepolitik keine Ressource. Im richtigen Moment überwiegt, wie Gianni Agnelli gesagt hat, der atlantische Geist.
An diesem Punkt ist es notwendig, daß das politische und soziale System unseres Landes die Kraft findet hinterher zu tun, was vorher zu tun nicht gelungen ist: Einen Ort zu schaffen, an dem FIAT und General Motors Programme und Strategien präsentieren und die Regierung (in institutioneller Funktion und nicht als PR-Aktion) industrielle Programme und Verpflichtungen für die Beschäftigung garantiert. Dies müßte in einem normalen Land geschehen, wo die Garantien für die Arbeiter zumindest den gleichen Stellenwert wie diejenigen für die Aktionäre hätten.
Daß dann die Gewerkschaft, die in den letzten Jahren bei FIAT ihr Image in die sog. Partizipation investiert hat, bei diesem Geschehen in eine absolut marginale Rolle verbannt worden ist, muß Teil einer Reflektion sein, die wir auch machen müssen. Wieviel zählen die Arbeiter in der Ära der Globalisierung ? Wie sorgen sie dafür, daß ihre Interessen Gewicht bekommen ? In einem Interview hat Oskar Lafontaine jüngst von der Notwendigkeit eines Vetorechtes gesprochen oder zumindest von vorheriger Konsultierung der Arbeiter im Falle von Fusionsabkommen und internationaler Zusammenarbeit. Wenn man nicht will, daß nur die Güte und die soziale Sensibilität des padrone die Beschäftigten der auf den globalen Markt geworfenen Betriebe schützen, muß man dazu irgendetwas linkes nennen, das getan werden sollte.
In jedem Fall muß die gewerkschaftliche Auseinandersetzung bei FIAT, bezüglich deren Einleitung keine Verzögerungen mehr zu rechtfertigen ist, dies alles gut berücksichtigen.
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