Der Generalsekretär der zur CGIL-Zentrale gehörenden größten und wichtigsten Metallarbeitergewerkschaft FIOM (Ende 1999 gut 360 000 Mitglieder; Ende 1991 noch 450 000 !), Claudio Sabattini, dokumentierte seine zwischen gefolgschaftstreuer Zustimmung und vorsichtiger Kritik schwankende Position zur FIAT-GM-Allianz in zwei Interviews mit jeweils unterschiedlicher Tendenz. Hintergrund dürfte zum einen die in den tagen nach bekanntgabe des Abkommens gewachsene Skepsis unter den gewerkschaftlich Aktiven gewesen sein, zum anderen aber auch das ständige Hin- und Herlavieren Sabattinis zwischen der Linie der CGIL-Führung um Cofferati und den Positionen der CGIL-Linken um Giorgio Cremaschi (nach Sabattini die Nr.2 in der FIOM !) Gianpaolo Patta, Danini und andere. Um ein vollständiges und realistisches Bild zu geben, dokumentieren wir im Folgenden beide Interviews des wichtigsten italienischen Metallgewerkschafters. Das erste erschien am 14.3.2000 in der unabhängigen linken Tageszeitung "il manifesto".

Interview

"FIAT allein wäre eingegangen."

Es spricht Sabattini (FIOM)

Paolo Andruccioli – Rom

"Wir werden auf der Grundlage der industriellen Planung urteilen, die die Holding uns jetzt veranschaulichen muß. Unterdessen sagen wir jedoch, daß der Verzicht FIAT’s auf die Behauptung selbst ausreichend zu sein, positiv ist. Sie haben endlich begriffen, daß sie es allein niemals geschafft hätten."

Der Sekretär der FIOM Claudio Sabattini verzieht bei der Nachricht vom historischen Abkommen zwischen FIAT und General Motors keine große Miene. Es war eine angekündigte Übereinkunft, auch wenn es durchaus nicht vorgezeichnet war, angesichts der wiederholten turiner Grundsatzerklärungen selbst ausreichend zu sein. Und auch das gestrige Endergebnis war nicht vorgezeichnet, da man am Vorabend weiterhin von möglichen Übereinkünften mit anderen Automobilgruppen – sogar europäischen, wie BMW oder Mercedes – gesprochen hatte.

Und nun wo es das Abkommen gibt, will der Führer der Metallarbeiter der CGIL als guter Gewerkschafter es sich "anschauen". In der Zwischenzeit will er zwei wichtige Botschaften aussenden – quasi vorab. Die erste Botschaft ist an die Regierung gerichtet, "damit sie die Position des ‚Zuschauers‘ aufgibt, die sie bisher eingenommen hat." "Der Industrieminister hat bis vor einigen Tagen erklärt, daß er abgewartet hätte, um die Züge der FIAT-Gruppe zu sehen. Man war noch in der Phase der Gefechte und der Vorgriffe. Jetzt muß die Regierung jedoch zu einer anderen Haltung übergehen."

Die zweite Botschaft Sabattinis ist an FIAT selbst adressiert, die jetzt über ihren Partner entschieden und die Pflicht hat, sich mit den Gewerkschaften zu treffen, um die neue industrielle und Beschäftigungsplanung zu veranschaulichen.

Sabattini, die heißen Reaktionen scheinen alle im Zeichen von Optimismus zu stehen. Fast alle, Politiker und Gewerkschafter, sprechen von der Unumgänglichkeit einer internationalen Übereinkunft für die Automobilgruppe in der Epoche der Globalisierung. Bist Du damit einverstanden ?

"Einerseits haben auch wir angesichts der Situation von FIAT die Notwendigkeit vertreten zu einem Abkommen von internationalem Ausmaß zu kommen. Das was wir als schlechteste Ergebnisse ausgeschlossen hatten, waren jedoch zwei Arten von Abkommen: die Fusion und der Verkauf, die die Einverleibung und damit das Ende von FIAT bedeutet hätten. Das gestern besiegelte Abkommen zeigt sich jedoch als ein Joint Venture-Abkommen. Es werden zwei neue FIAT- und General Motors-Unternehmen für mechanische Produktionen (Motoren und Ersatzteile) geschaffen. Dann gäbe es, so wie es angekündigt worden ist, eine wichtige Intervention im Verkaufs- und Internet-Bereich. Es handelt sich also, nach dem was man weiß, um ein Kollaborationsabkommen zwischen zwei Gruppen. Es gibt gemeinsame Projekte. Es geht jedoch darum zu sehen, wie sich das Abkommen mit unserem Land kombinieren wird, d.h. wieviele und welche Autos produziert werden und wo sie produziert werden. Wir werden sehr darauf achten müssen, wo die Produktionen angesiedelt werden."

Erklär‘ uns diesen Gedanken näher ! Willst Du sagen, daß wie auch immer eine Gefahr von Kürzungen und Redimensionierungen der FIAT-Produktionen in Italien existiert ? Und daß diese von der Entscheidung über die Ansiedlun der Produkltion abhängen wird ? Man eröffnet neue Fabriken im Ausland, um Abteilungen in Italien zu schließen ?

"Das können wir dem Abkommen noch nicht entnehmen. Gerade die Ansiedlung ist noch nicht sehr klar, aber das alles wird man den industriellen Plänen entnehmen können. Man muß darauf achten, wo die Produktionen in Europa oder in den USA angesiedelt werden. Vorläufig können wir unterstreichen, daß General Motors in Europa, was Opel anbelangt, etwas defizitär ist. In diesem Sinne könnte das Abkommen also FIAT Raum geben. Das werden sie jedoch bei dem Treffen auf der industriellen Ebene erklären müssen."

Aber hast Du nicht den Eindruck, daß das gestrige Abkommen mit dem amerikanischen Koloss auch als der wirkliche Anfang vom Ende gesehen werden kann ? Hat FIAT, indem sie eingeräumt hat es angesichts eines Weltmarktes nicht mehr allein schaffen zu können, nicht vielleicht den Weg des Untergangs eingeschlagen ?

"Es gibt keinen Zweifel, daß die Ausgangsituation für dieses Abkommen nicht eine der besten war. Die weltweite Konkurrenz ist äußerst schwierig geworden. Aber, ich wiederhole es, die vorherige Haltung von FIAT, der ständig wiederholte Standpunkt, allein seinen Weg machen zu wollen, war noch sehr viel schwerwiegender. Jetzt haben sie zumindest begriffen, daß ein Kollaborationsabkommen nötig ist. Und mit dieser Übereinkunft wird FIAT nicht beseitigt, wie es bei einer Fusion sicherlich geschehen wäre. Aber ich bestehe darauf: Jetzt müssen wir die industrielle Planung studieren und diskutieren. Auch weil es fast vorgezeichnet ist, daß sie den europäischen und den südamerikanischen Markt betreffen wird."

Übersetzung: Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover


Home
LabourNet Germany Archiv: Aktuelle Meldungen im neuen LabourNet: http://www.labournet.de/
LabourNet Germany: Treffpunkt für Ungehorsame, mit und ohne Job, basisnah, gesellschaftskritisch
The virtual meeting place of the left in the unions and in the workplace
Datei:
Datum: