Der folgende Bericht stammt aus der kleinen kommunistischen Tageszeitung "Liberazione", die von Rifondazione Comunista (PRC – vollständig: Partei der kommunistischen Neu/be/gründung) herausgegeben wird. Er erschien am 14.3.2000.

Besorgte Reaktionen seitens der Gewerkschafter und der Arbeiter: "Wir wollen die industriellen Pläne sehen." Cremaschi (FIOM): "Die Regierung muß ein Treffen einberufen."

Gespenster in Turin

Es gibt viel Besorgnis in der Gewerkschaftswelt über das GM-FIAT-Abkommen. Man wartet darauf die Einzelheiten der Übereinkunft zu sehen, gewiß. Aber unterdessen sind die Signale, die kommen, wenig tröstlich. Während für Sergio Cofferati, den Führer der CGIL das Abkommen "strategisch" sein muß, um FIAT zu begünstigen, "eine wirkliche Integration" beinhalten und so "wichtige Perspektiven" für die Beschäftigung garantieren muß, verlangt der Generalsekretär der CISL, Sergio D’Antoni, sofort zu erfahren, wer "kommandieren" wird und welches die strategischen Pläne sein werden. Gegen eine "fortschreitende Abtretung des Autosektors von FIAT an GM" tritt Pietro Larizza von der UIL mit Nachdruck auf.

Cofferati sieht rosarot

"Ich teile den Optimismus von Sergio Cofferati nicht", sagt Dino Greco, Sekretär der Kammer der Arbeit von Brescia(1), der Stadt wo das historische Iveco-Werk steht, "weil so die Gefahr besteht, daß sich die beiden Marktdomänen ‚überdecken‘ und daß FIAT Gefahr läuft zur Blumenvase zu werden." Für Dino Greco kehrt somit für FIAT das Beschäftigungsproblem auf die Tagesordnung zurück. Giorgio Cremaschi, Sekretär der FIOM Piemont (2), ist vorsichtiger, bringt aber gleichfalls viel Unschlüssigkeit zum Ausdruck: "Ich mag die Schmeicheleien nicht, die es in der Auseinandersetzung um diese Übereinkunft gegeben hat", sagt er. "Es ist offensichtlich, daß sich drei wichtige Fragen stellen: die Rolle der Regierung, die die Leitkriterien festlegen muß; der Grad der Autonomie, der vollständig zu überprüfen ist: und das industrielle Projekt, das es nicht gibt." Dieselbe Aufforderung an die Regierung "nicht neutral zu sein", kommt von der 5.Liga der FIOM-CGIL in Mirafiori, die seit langem "auf der Notwendigkeit neuer internationaler Allianzen für FIAT besteht". "Die italienische Automobilindustrie hat keine Alternative", behauptet sie. Dennoch: "Nicht alle Abkommen sind an sich gut." Das hängt vielmehr "von der Zukunft ab, die für die Arbeit und für die Beschäftigung und die industrielle Strategie, die verfolgt werden soll, entworfen wird."

Der Spielraum für "kreative Strategien" ist jedoch wirklich begrenzt. Marilde Provera, vom Sekretariat der FIOM Turin, ist überzeugt, daß dieses Abkommen vor allem den Aktionären gut tun wird und der Familie Agnelli insbesondere. "Ansonsten", sagt sie, "ist die Zukunft noch gänzlich unklar." "Sicher, ich sehe"; fügt sie hinzu, "in Italien keinen Unternehmer mehr, der in der Lage ist, sich an dem industriellen Abhang zu messen." Auch Dino Greco ist einverstanden. "Man geht einer Zukunft entgegen, in der Italien außerhalb aller strategischen Walzwerke steht. Die einzige ‚Rolle‘ für uns wird diejenige einer Industrie sein, die sich vollkommen umwandelt und zu den 50er Jahren zurückkehrt." In den Mechaniken von Mirafiori ist FIAT in einer Auseinandersetzung engagiert, in der sie von den Arbeitern den Samstag als Regelarbeitstag fordert. Natürlich ist sie dabei auf eine deutliche Opposition gestoßen. Den letzten Streik (einen einstündigen) hat es gerade gestern vormittag gegeben und zwar "gegen den diskriminierenden Gebrauch der cassa integrazione", steht in einer Mitteilung der FIOM geschrieben.

Wird es nach dem Abkommen mit GM direkte Konsequenzen geben ? "Ja", antwortet Cremaschi, "weil dieses Werk Teil des Joint Ventures mit GM ist." Für die Zukunft von Mirafiori schwarz sieht der Sin.Cobas(3). "Die Rationalisierung der Motoren- und Komponentenproduktion bei FIAT und vor allem bei Opel", heißt es in einer Mitteilung des Sekretariats, "beschleunigt vor allem den Abbau der Mechaniken von Mirafiori. Die einzige günstige Gelegenheit im Abkommen mit General Motors wird für die Arbeiter von FIAT der Preisnachlaß für den Kauf eines Cadillacs sein" Auch Cataldo Ballistreri, Arbeiter und gewerkschaftlicher Repräsentant der FIOM, ist pessimistisch. "Es gibt deutliche Risiken für die Arbeiter", sagt er, "weil FIAT und GM dieselben Wagen produzieren."

Zwei Prüfsteine

Für die "5.FIOM-Liga" sind es zwei Prüfsteine, die das Unternehmen erwarten: 1. Die Zukunft der Mechaniken von Mirafiori, "für die Investitionen und neue Produktionen zugesichert werden müssen". Der 2. Prüfstein ist das Auslaufen der Verträge für die 1200 Arbeiter mit Zeitverträgen in Mirafiori und Rivalta, "die, wenn sie bis zum 31. März nicht bestätigt werden, hinausgeworfen werden". Auch der Sekretär der FIM-CISL (4) von Turin, Antonio Marchina, ist der Auffassung, daß "man verhindern muß, daß das Ergebnis der Synergien darin besteht, die Produktionen und die Beschäftigungsniveaus zur Diskussion zu stellen". Die Entscheidung von FIAT, eine internationale Allianz zu bilden, gegenüber positiv eingestellt, ist die FIM-CISL der Auffassung, daß es jetzt nötig ist die Bedingungen zu schaffen, damit eine derartige Allianz im größtmöglichen Umfang die in Italien und insbesondere im turiner Raum vorhandenen Kapazitäten, Technologien und beruflichen Qualifikationen ausnutzt / ausbeutet."

Fabio Sebastiani

Übersetzung: Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover

Fußnoten der ÜbersetzerInnen:

1) und außerdem einer der bekanntesten Exponenten des linken CGIL-Flügels

2) und gleichzeitig der wohl bekannteste, intelligenteste und sprachgewandteste (wenn auch nicht der konsequenteste und glaubwürdigste) Vertreter des linken CGIL-Flügels.

3) Sin.Cobas steht für: Berufsgruppenübergreifende Gewerkschaft der Basiskomitees. Das ist eine ziemlich kleine Basisgewerkschaft, die vor gut 3 Jahren aus einer Abspaltung vom (größeren und radikaleren) SLAI Cobas hervorgegangen ist und der IV.Internationale bzw. der Gruppe um die Zeitschrift "Bandiera Rossa" innerhalb des linken Flügels von Rifondazione Comunista verbunden, aber in der Mechanik von FIAT Mirafiori infolge jahrzehntelanger Betriebsarbeit auch fest verankert ist.

4) Die dem (eher links-)christdemokratischen Gewerkschaftsbund CISL angeschlossene FIM ist die zweitgrößte Metallgewerkschaft Italiens.


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