Der folgende Beitrag stammt von zwei führenden Vertretern des (gemäßigten, zur IV.Internationale gehörenden, Teils des) linken Flügels von Rifondazione Comunista (vollständig: PRC Partei der Kommunistischen Neu/be/gründung), die zugleich auch Leitungsmitglieder der Turiner Föderation von Rifondazione sind. Rocco Papandrea ist darüberhinaus seit Ende der 60er Jahre einer der bekanntesten und wichtigsten kommunistischen Militanten im FIAT-Werk von Turin-Mirafiori und seit einigen Jahren auch ein führender Vertreter der kleinen linksradikalen Basisgewerkschaft Sin.Cobas (Berufsgruppenübergreifende Gewerkschaft der Basiskomitees), die im Mirafiori-Werk insbesondere in den Mechaniken fest verankert ist. Der Artikel erschien in der kleinen kommunistischen Tageszeitung "Liberazione" am 14.3.2000.
Rifondazione Comunista Turin: Es bedarf einer gemeinsamen Strategie von Italienern und Amerikanern zur Verteidigung der Beschäftigung und der Rechte
Turin-Lingotto hat also das Abkommen mit General Motors gewählt und damit auf die Perspektive eines stärkeren industriellen Projektes der Integration mit der Daimler-Chrysler-Gruppe verzichtet. Es scheint so eine Zwischenlösung zwischen denen der Fusionen und Integrationen Gestalt anzunehmen, die die Ergebnisse bei den großen internationalen Automobilgruppen im Laufe der letzten zwei Jahre dominiert haben. Die Inhalte des Abkommens (Bildung einer gemischten Gesellschaft, der Austausch von Aktienpaketen, gemeinsame Entwicklungsbereiche auf dem Gebiet der Forschung, der Komponentenproduktion und der Mechanik bei Erhaltung separater Marken, separater Montage und separaten Vertriebssystemen) bezeichnen, wenn sie bestätigt werden, eine Übergangslösung, die drastischere Entscheidungen vor sich herschiebt und vorläufig darauf abzielt, die Rolle und die Interessen der FIAT-Aktionäre und vornehmlich der Familie Agnelli zu schützen und nicht so sehr auf ein organisches industrielles Projekt setzt. Von diesem letzten Gesichtspunkt aus hätte die deutsche Lösung mit Daimler-Chrysler größere industrielle und kapitalistische Glaubwürdigkeit und Geschlossenheit gehabt.
Es ist kein Zufall, daß die "Financial Times" unterstrichen hat, daß das Abkommen "nicht notwendigerweise eine gute Nachricht für die Investoren ist ... und das wird davon abhängen, wie tiefgehend die Allianz sein wird. Denn das wird das Potential für die Synergien bestimmen." Es ist jedoch sicher, daß die Beziehung zwischen den beiden Gruppen (einerseits der größte Koloss des Automobilsektors, andererseits eine FIAT-Gruppe, die im Rahmen der Globalisierung keine Möglichkeit hat allein zu bestehen) die unvermeidbare Vorherrschaft der ersteren vorsieht. Wenn wir von Zwischenlösung sprechen, wollen wir damit sagen, daß die Zukunft entweder die Reduzierung des gemeinsamen Projektes oder was wahrscheinlicher ist weitere Schritte voran in der Integration des FIAT-Auto-Sektors in GM vorsieht. Die vorangegangenen Erfahrungen zeigen, daß die Unsicherheit darüber, welches die Kommandobrücke sein wird, bei Strafe des Scheiterns des Projektes nicht <allzu /d.Ü.> lange dauern kann. Die optimistischen Erklärungen und positiven Einschätzungen von sehr vielen politischen und Gewerkschaftsführern über das Geschehene scheinen uns mehr von einer beharrlichen Unterordnung unter die Entscheidungen der FIAT-Hauptverwaltung in Turin-Lingotto geprägt zu sein als von einer realistischen Analyse der Wirklichkeit.
Die Abwesenheit der italienischen Regierung in dieser ganzen Angelegenheit, die die wichtigste Industriegruppe des Landes und damit die Ordnung des italienischen Kapitalismus selbst betrifft (wir sprechen vorläufig nicht vom Schicksal der Arbeiter, um das sich die Exponenten dieser Regierung sicher keine Sorgen machen), hat etwas Unglaubliches. Es ist uns nicht bekannt, daß andere große kapitalistische Länder existieren, in denen die Exekutive die Kaufs- und Fusionsprozesse nicht in anderer Weise verfolgt hätte nämlich indem sie schwer interveniert hätte um Lösungen sicherzustellen, die den Interessen des Kapitalismus in seiner Gesamtheit (von diesem nationalen Standpunkt aus), jenseits der spezifischen Interessen dieses oder jenes bürgerlichen Sektors entsprechen. Natürlich macht uns das Verhalten der Regierung wegen des zukünftigen Schicksals der Arbeiter und Arbeiterinnen von FIAT und seinen Folgen Sorgen. Für uns beurteilt sich die Politk einer Regierung nach ihrer Fähigkeit die für die Entwicklung eines Landes und einer territorialen Gemeinschaft, für die Verteidigung der Beschäftigung, der Rechte und der beruflichen Qualitäten der Arbeiter grundlegenden Produktionsstätten zu erhalten. Eine Frage stellt sich spontan: Welche Initiativen sind von der Regierung und den örtlichen Institutionen ergriffen worden, um dem Vorstand von FIAT diesbezügliche Garantien zu entreißen ?
Das erzielte Abkommen zieht gefährliche Wolken über der Zukunft der FIAT- und der GM-Arbeiter (siehe Opel) in ganz Europa zusammen. Die Gewerkschaftsbewegung ist insgesamt in bezug auf die Dynamik der Globalisierung bei der Schaffung neuer Formen von Solidarität und gewerkschaftlicher Organisation, um der Unternehmeroffensive standzuhalten, um den neuen Formen der Spaltung der Arbeiter (darunter das In-Konkurrenz-Setzen von einer Fabrik zur anderen) entgegenzutreten, schwer im Rückstand. Der Integrationsprozeß zwischen zwei großen Gruppen drängt dazu das verlorene Terrain zurückzugewinnen, indem sofort die notwendige und unentbehrliche Verbindung zwischen den bei FIAT und in den GM-Werken vorhandenen gewerkschaftlichen Strukturen hergestellt wird, um eine gemeinsame Verteidigungsstrategie in bezug auf die Beschäftigung und die Rechte der Arbeiter auszuarbeiten.
Wenn man sich vergegenwärtigt, daß man bei Opel unter einer Arbeitszeitregelung arbeitet, die die 35 Stunden-Woche vorsieht, ist es vielleicht Zeit, daß man in Italien das Thema der Reduzierung der Arbeitszeit wieder aufgreift zum Zwecke einer Angleichung an die deutschen Metallarbeiter. Eine letzte Überlegung: Seit langem ist die Tarifauseinandersetzung bei FIAT formal eröffnet, aber es sind Monate vergangen, ohne daß eine Kampfplattform vorbereitet worden wäre eine angemessene Plattform und eine mit Qualität, die auf die Bedürfnisse den Lohn, die Kontrolle der Arbeitszeit und die Umwandlung von prekärer Arbeit in gute Arbeit betreffend, geantwortet hätte. Eine Plattform, die angesichts einer Situation, in der FIAT dauerhafte Gewinne und eine gute Lage auf den Märkten aufweist, um so nötiger und möglicher ist. Bis jetzt ist, angesichts der Anmaßung der Geschäftsleitung, eine Logik der Verschleppung verfolgt worden, weil diese die Gewerkschaften offen dazu aufgerufen hat die Erneuerung des Tarifvertrages zu vertagen und dabei sowohl die Verhandlungen von Fresco und Cantarella als auch die Provokationen und Erpressungen (cassa integrazione und Drohungen die Mechaniken von Mirafiori zu redimensionieren) benutzt, um es durch die Fakten aufzudrängen. Das Abkommen mit GM verlangt, daß von seiten der gewerkschaftlichen Organisationen endlich gehandelt wird. Die Auseinandersetzung kann nicht in der Schwebe bleiben und sie verlangt eine den Bedürfnissen der Arbeiter in Sachen Beschäftigung und Lohn entsprechende Plattform, die ihr Urteil aufgreift.
Die Zeiten der konzertierten Aktion sind zuende und das um so mehr, weil sie nur dazu gedient hat die Positionen der Confindustria zu stärken, die durch den Mund ihres neuen Präsidenten DAmato verkündet, daß die konzertierte Aktion nur dann okay ist, wenn sie dienlich ist - für sie selbst ! Die bedrohlichen Prozesse der kapitalistischen Globalisierung, von denen das FIAT-GM-Abkommen ein Teil ist, verlangen stattdessen eine neue Phase des Kampfes und der Initiative der Arbeiterbewegung. Wir sehen keinen anderen Weg und müssen es versuchen. Wir haben seit langem ein nationales Treffen der im PRC organisierten Arbeiter des Autosektors für den 18.März vorgesehen. Wir werden diesen Termin nutzen, um zur Schaffung eines neuen Protagonismus der Arbeiterinnen und der Arbeiter von FIAT beizutragen.
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