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Updated: 18.12.2012 15:51
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Liebe Bochumer Opel-Werker, liebe solidarisch Engagierte, liebe (potentiell) Beschäftigte allerorten,

wir dürfen keine Zeit verlieren, eine solche Situation, auf der sich SOWOHL wirksamere Solidarität/Kooperation von Belegschaften(!) über Ländergrenzen hinweg (ich lese "... Toyota Philipinen und Japan, Honda und Toyota sowie APFUTU in Pakistan ...") ALS AUCH grundsätzliche Kritik oder zumindest breitere Skepsis gegenüber dem APPARAT ("Komanager von unten") und
dessen "intelligenten Verhandlungen" und somit ein Trend zu mehr Basisinitiative UND -eigenmacht entwickeln läßt, gibt es wahrscheinlich so schnell nicht wieder.

In der jW klang es schon an: Es braucht, u.a., einen Fonds, aus dem solche Art von Streiks, die vom Apparat der "demokratisch"-zentralistisch (und hauptamtlich) organisierten Gewerkschaften (und Betriebsräte) nicht unterstützt werden (oder die gegen derzeitige Gesetze verstoßen), finanziell abgesichert werden können. Denn sonst ist jede Belegschaft leicht erpreßbar. Ein solcher Fonds könnte bei der gerade immensen Solidarität heute eher als sonst gegründet werden. Aber bitte nicht als Projekt von Funktionären gleich welcher Gilde (was ATTAC-"KoKreis" und ähnlich Pseudodemokratisches einschließt). Denn wie wir sowohl bei Opel als auch z.B. in den Anti-Hartz-Bündnissen oder beim Europäischen Sozialforum wieder erleben können, haben (Langzeit-) Funk- tionäre einfach objektiv grundsätzlich andere Interessen als diejenigen, die sie zu "vertreten" meinen. Das hat nicht mit "bösen" Menschen zu tun, das ist einfach eine objektive
Interessenungleichheit.

Es braucht aber natürlich auch erlebbar konkrete Kooperation, und zwar DER BELEGSCHAFTEN (oder jedenfalls der aktiveren Teile derselben). Das kann von Opel-Bochum ausgehen:

Einerseits gibt es mehr als genug zwingende Gründe zu Diskussion, Absprachen, ja letztlich koordinierten Forderungen/Auftreten/Verhandlungen/Kampfstrategie/... INNERHALB GM, also etwa mit Schweden und Polen ebenso wie mit Pontiac, denn letztlich geht es GM ja um nichts anderes als Erpressung zum Lohnverzicht (in welcher Form auch immer, z.B. Arbeitszeitverlängerung, ...) unter Ausspielung der "Standortkonkurrenz" und Verweis auf jeweilige (tatsächliche oder
behauptete) (Lohn-)Kostenvorteile anderer "Standorte". Die "Strategie" von Gewerkschaften und Betriebsräten an dieser Stelle ist ja nur, mit möglichst wenig Entlassungen (eigener Mitglieder) die eigenen "Standorte" "konkurrenzfähig" zu machen, also "Kostensenkung" ja - nur "sozialverträglich". Aber die Grundlage für dieses "Kostensenkungs"-Spirale ist ja einzig und allein das Ausspielen der "Standorte" gegeneinander - und zwar konzernintern als auch branchenweit.

Und da wären wir auf der nächsten Ebene: bei "... Toyota Philipinen und Japan, Honda und ..."
Stell Dir vor, die Belegschaften aller Autokonzerne (später auch Zulieferer) würden sich auf gemeinsame bzw. aufeinander abgestimmte Forderungen in Bezug auf (Stunden-)Lohn, Arbeitszeit, Arbeitsbedingungen uvm. verständigen und diese dann gemeinsam, mit ebenso koordinierter (Streik-)Strategie, durchsetzen! Ein Traum? Ja, zumindest noch. Aber genau in diese Richtung muß es gehen, wenn es funktionieren soll. Dann kann man am Ende, und zwar weitgehend unabhängig von "konjunktureller Lage" und "Standortkonkurrenz", statt um "möglichst wenig Entlassungen bei der Kostensenkung" zu "verhandeln", tatsächlich (bei GM z.B. anfangend mit Polen und Schweden) LohnZUWACHS und Arbeitszeitverkürzung MIT LOHN- UND PERSONALAUSGLEICH fordern. Denn selbst wenn der Absatz in Stückzahlen gerechnet geringer wird: Preissenkung über Lohndumping macht ja nur Sinn (und funktioniert nur), weil die Belegschaften sich im Sinne der "intelligenten Kostensenkung" von Konzernvorständen UND GEWERKSCHAFTS-/BETRIEBSRATSBOSSEN gegeneinander ausspielen lassen. Banaler Verteilungskampf, nichts weiter.

Und weiter mit den "intelligenten Verhandlungen" der (langjährig hauptamtlichen) Funktionärskaste: Deren wesentliches Handeln in "Krisenzeiten" besteht darin, die Kapitulation (Lohnverzicht in verschiedensten Formen) "sozial verträglicher" zu gestalten, vielleicht etwas zu verlangsamen/verzögern. Wobei wohl niemand, der noch halbwegs alle Tassen im Schrank hat, glaubt, daß die zum Zweck der Erpressung lancierten Horrorszenarien der Konzernvorstände wirklich das sind, was diese tatsächlich durchzusetzen beabsichtigen. Insofern kann jeder "Kompromiß", den die Gewerkschaftsspitzen "intelligen verhandeln", auch genau dem entsprechen, was die Konzernbosse von Anfang an bezweckt haben - oder sogar über das, was diese ursprünglich für erpreßbar hielten, hinausgehen. Hier, also in "Krisenzeiten" bzw. allgemein bei wirklich grundsätzlichen Verteilungskämpfen (und später auch solchen um demokratische Bestimmung der Produktion, ich schreibe bewußt nicht von vornherein einschränkend "Mitbestimmung") braucht es, wie man in Bochum sieht (und noch sehen wird), keine "intelligent verhandelnde" Funktionärskaste sondern wirksam sich verabredende und solidarisierende Belegschaften, und das branchenweit. Alles andere ist Mumpitz.

Und was tun die "intelligent verhandelnden", im Falle der IG Metall immerhin mehr als 450 Mio. Euro jährlich kostenden "hauptamtlichen Funktionäre" (im Vergleich zu insgesamt nur ca. 12 Mio. Euro Streikkosten in 2003), wenn gerade nicht "Krise" gespielt wird? Dann "verhandeln" sie immer wieder neu, lange, teuer im Hilton darüber, daß die Löhne doch bitte wieder um die Inflation korrigiert werden und, bitte, bitte, auch ein Stück vom Kuchen "Produktivitätszuwachs" abbekommen mögen.

Nichts ist überflüssiger! Hunderte Millionen Euro für Leute, die das Selbstverständlichste immer wieder neu verhandeln müssen, anstatt es einmal als Formel festzuschreiben! Warum kommen die seit mehr als hundert Jahren nicht auf die Idee, per Streik dafür zu sorgen, daß die jährliche
Lohnanpassung als feste Formel in die Tarifverträge kommt? Und z.B. die Arbeitszeitverkürzung als feste, von der Arbeitslosigkeit abhängende Formel auch? Wir wissen warum: Weil das Kosten senken würde. Nämlich Beitragskosten der Gewerkschaftsmitglieder. Weniger, weil es weniger Streiks gäbe, denn deren Kosten fallen ja ohnehin kaum (noch) ins Gewicht. Aber weil es enorme
Summen an Personalkosten ersparen würde - Personalkosten beim APPARAT DER GEWERKSCHAFTEN. Und da sind wir wieder bei der objektiven Interessenungleichheit: Denn an solch einer Kostensenkung haben natürlich die MITGLIEDER ein großes Interesse, nicht aber freilich DER APPARAT SELBST, der "seine" Mitlgieder "vertritt".

Diese Diskussionen müssen in Gang kommen, jetzt und hier. Opel-Bochum bietet viel mehr die Chance dazu als jeder "Kongreß linker Gewerkschafter" das je tun wird.

Ich schrieb eingangs "wir", obwohl ich als selbständiger Unternehmensberater (also ein sich selbst Ausbeutender) eigentlich nicht zu "Euch", den Lohn- (und Gehalts-)Abhängigen, den engagierten Gewerkschaftern gehöre, und zudem mit "den Unternehmern" quasi Euren objektiven Gegner im Kampf um Verteilung und demokratische Produktionskontrolle zu meinen Beratungskunden zähle, wenn auch nicht unbedingt den GM-Vorstand. Allerdings gehörte "Gesundschrumpfen" und ähnliches noch nie zu dem von mir Empfohlenen, nicht nur, weil es — volkswirtschaftlich betrachtet — meinen vorwiegenden Kunden, z.B. mittelständischen Zulieferern, unterm Strich gar nichts nützt sondern schadet, weil es den (Binnen-)Markt ruiniert, abgesehen von sinkender Motivation und anderen Einflüssen auf die Produktivität. Auch nicht nur, weil ich mich zu allererst als Mensch empfinde, was mir verbietet, mich mit dem Tunnelblick des Kapitalverwerters — den ich von Berufs wegen freilich bestens kenne — abzufinden, auf Kosten der Menschlichkeit. Sondern auch deshalb, weil ich zu unterscheiden weiß zwischen den objektiven Interessen meiner Kunden oder, genauer, dem objektiven Gesamtinteresse der Kapitaleigner, zu denen meine Kunden, wenn auch als eher kleine, selbst benachteiligte (und von den Größeren gefressene) Fische, gehören, einerseits, und meinen eigenen Interessen (als Selbstausbeutendem) sowie denen meiner Verwandten, Freunde, ... andererseits. Und nicht zuletzt deshalb, weil ich aus recht genauer innerer Systemkenntnis weiß und immer wieder erfahre, daß das mörderische Spiel der Kapitalverwertung für uns alle, und damit schließe ich selbst die GM-Vorstände und -Aktionäre ein, letztlich nicht wirklich Wohlstand sondern hauptsächlich Streß und Angst bringt. Selbst die GM-Vorstände (und ihresgleichen) schuften sich ja zu Tode, anstatt es sich mit Muße gutgehen zu lassen, und das liegt schon lange nicht mehr daran, daß die Produktivität von Produktion und Dienstleistungen keinen echten, breiten Wohlstand ermöglichen würde.

Der "Standort Deutschland" ist "zu teuer" wegen der "Globalisierung" und der "internationalen Standortkonkurrenz"? Bei Opel/GM wie insgesamt gilt das nur solange und insoweit, wie die Beschäftigten (und potentiell Beschäftigten, d.h. Arbeitslose, Jugendliche) sich diese Mär gefallen und sich gegeneinander ausspielen lassen. Von Opel-Bochum kann ein Signal ausgehen, diesem "Standort"-Theater, an dem die Gewerkschaftsspitzen mit ihren "intelligenten Verhandlungen" wesentlich beteiligt sind, die Maske zu entreißen und ihm mit gelebter (nicht nur erklärter) Solidarität etwas entgegenzusetzen. Euch, nein uns, wünsche ich, daß das gelingt.

Packen wir es an! Jetzt!

Mit solidarischen Grüßen
Carl Lüderitz


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