Ford-Arbeiter proben Aufstand gegen
neue Management-Strategien

Modularfertigung verläuft nicht ohne "Reibungsverluste"

Aufgrund der schon seit geraumer Zeitanhaltenden weltweiten Überproduktion in der Automobilindustrie sah sich das Management von Ford genötigt, die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten mit dem Hinweis auf "Wettbewerbsfähigkeit" kontinuierlich zu verschlechtern. Dies führte zu einer Reihe von Protesten und Gegenmaßnahmen der Belegschaften in verschiedenen Ländern.

In Großbritannien mussten sich die Gewerkschaften als Auftakt der Tarifverhandlungen diktieren lassen, "dass die zu vereinbarenden Ergebnisse vor dem Hintergrund der frappierenden weltweiten Überproduktion von ca. 25 Millionen PKWs und LKWs interpretiert werden müssten". Dabei sind die Überkapazitäten zum Teil erst durch die permanente Verschlechterung der betrieblichen Bedingungen für die Beschäftigten entstanden, seien es sinkende Löhne, unbezahlte Überstunden oder die Verlagerung nicht-wertschöpfender Tätigkeiten in tariflich ungeschützte Bereiche bzw. Arbeitsverhältnisse. Hinzu kommt der Trend zur Monopolisierung, der sich in strategischen Allianzen mit anderen Unternehmen oder auch Akquisitionen (Beispiel: Volvo) manifestiert. Die gleichen Faktoren, die zu hohen Überkapazitäten geführt haben, schlagen nun wiederum als Druck auf die Belegschaften zurück, immer preiswerter und produktiver produzieren zu müssen.

Fords erst kürzlich für das Brasilien-Geschäft ausgegebene Strategie beinhaltet die Schließung unproduktiver Standorte (wie Sao Bernardo am Rande von Sao Paulo) und die Eröffnung neuer hoch produktiver Werke in Gebieten mit schwachem gewerkschaftlichen Organisationsgrad. Während in Bahia für eine Milliarde $ ein Werk hochgezogen wird, kämpfen die Beschäftigten von Sao Bernardo für den Erhalt ihrer Arbeit (und ihres Werkes). Der Vorteil für das Management liegt auf der Hand: Das sogenannte "Contracting-Out" erlaubt der Geschäftsführung die Umsiedlung von Beschäftigten in andere Werke zu tariflich schlechteren Bedingungen. Im schlimmsten Fall finden sie überhaupt keine Anstellung mehr bei Ford.

Ein weiteres Problem für die Beschäftigten ist die weltweit zu beobachtende Auslagerung vor- und nachgelagerter Tätigkeiten in neu gegründete Firmen, die sich in einem ökonomischen Abhängigkeitsverhältnis zu den Automobilunternehmen befinden, aber selbständig wirtschaften. Besonders beliebt ist die Zusammenfassung der Teile-Zulieferer (von elektrischen und mechanischen Komponenten, von Glasteilen, Bremssystemen oder anderen Steu erungsmechanismen) in ein "scheinselbständiges" Modular-Unternehmen. Parallel zur Etablierung von Delphi bei GM fand bei Ford die Gründung der Sub-Division Visteon statt, die – so sieht es das Management vor – vollständig von Ford abgekoppelt werden soll. Diesbezügliche Versuche hatten schon in der Vergangenheit zu Protesten geführt: Erst kürzlich streikten über 100.000 Ford-Beschäftigte, darunter vor allem die 23.500 Visteon-ArbeiterInnen, gegen den Verlust des arbeitsvertraglichen Status als Ford-Beschäftigte, mit dem eine Menge zusätzlicher Gratifikationen und Treueprämien verbunden sind. Im Gegenzug gelang es den Gewerkschaften, Neuanstellungen sowohl bei Ford als auch bei Visteon selbst durchzusetzen. Außerdem ist für eine Periode von 12 Jahren festgelegt, dass Visteon-MitarbeiterInnen bis zum Eintritt in die Rente als Ford-Beschäftigte zu betrachten sind. Die Kehrseite des Erfolges ist, dass das in den USA erzielte Ergebnis nicht für die in anderen Staaten tätigen insgesamt 54.000 Ford-ArbeiterInnen in 52 Visteon-Werken gilt – die Beschäftigten dort also für diesen Status noch kämpfen müssen.

In einem Treffen der europäischen Ford-Betriebsräte wurde eine koordinierte gewerkschaftliche Strategie vorgeschlagen, die die Anbindung von Visteon an Ford weiterhin sicherstellen soll.

In Großbritannien haben Mitte Oktober die neuen Tarifverhandlungen begonnen. Bisher hat das Unternehmen eine Lohnerhöhung von jährlich 2 Prozent vorgeschlagen, eine Marke, die 0,9 Prozent oberhalb der Inflationsrate liegt und einen gemäßigten Inflationsanstieg für die nächsten Jahre kalkuliert. In der Hauptsache aber wird es darum gehen, die Pläne des Managements zu verhindern, verstärkt Teilzeitarbeitsplätze mit geringem Kündigungsschutz anzubieten. Damit ist nun wieder die gleiche Forderung auf dem Tisch, die die Ford-Beschäftigten ein Jahr zuvor erfolgreich bestreikt hatten. Außerdem ist ein neues Schichtschema vorgesehen, das Wochenendarbeit zur Normalarbeitszeit werden läßt, sowie Arbeitszeitflexibilisierungen, die kapazitätsbedingte Überstunden ohne Zahlung von entsprechenden Zuschlägen ermöglichen. Die Integration von 6.000 überwiegend loyalen Angestellten und Ingenieuren in den für die Tarifverhandlungen vorgesehenen Pool ist insoweit ein geschickter Schachzug des Managements, als es nun erheblich schwieriger wird, Mehrheiten für Streiks und andere harte Kampfmaßnahmen zu erhalten. Wo es um Produktivität geht, ist das Drehen an der Krankenstandschraube nicht weit: Auch bei Ford ist eine Jahresprämie von 40 Pfund für jede halbprozentige Senkung der Krankenrate im Gespräch. Zugleich sollen darüber hinausgehende Bonusvereinbarungen für die Werkzeugmacher und die LKW-Hersteller in South hampton gestrichen werden, woraufhin letztere in einem inoffiziellen Streik ihren Unmut über diese Absicht kundtaten.

Nach wie vor ist die Stimmung gereizt (s. auch express 10/99: Streik gegen Rassismus bei Ford), sowohl innerhalb der Belegschaften als auch zwischen Belegschaften und Management. Insider glauben, dass schon im Gefolge der nächsten Lohn-Verhandlungsrunde neue Streiks auf der Tagesordnung stehen könnten.

Quelle: socappeal@easynet.co.uk
Übersetzung: U.W.

Erschienen in: express – Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit Nr. 11-12/1999