letzte Änderung am 12. Sept. 2002

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"So, wie es auch bei Mercedes Benz geschah, hat die Firmenleitung mit dem Militär zusammengearbeitet, um Arbeiter aus dem Werk heraus zu entführen" - Wahrheitstribunal in La Plata befragt Zeugen zu Ford Argentinien

Bericht der Pressestelle der Ständigen Vertretung der Menschrenrechte in Argentinien

 

Am 4. September sagte ein ehemaliger Gewerkschaftsfunktionär von FORD, Argentinien im Wahrheitstribunal in La Plata aus. Der Zeuge sagte: "So, wie es auch bei Mercedes Benz geschah, hat die Firmenleitung mit dem Militär zusammengearbeitet, um Arbeiter aus dem Werk heraus zu entführen".

Pedro Norberto Troiani war Gewerkschaftsfunktionär bei Ford Argentinien. Er hatte nicht für eine oppositionelle Liste kandidiert sondern für SMATA, die Gewerkschaft der Automobilarbeiter unter der Führung von José Rodriguez. Nach dem 24.März 1976 (Tag des Staatsstreiches) hat sich die Firma in eine Kaserne verwandelt", sagte Troiani. 25 Arbeiter wurden in der Fabrik von uniformierten Gruppen entführt, die sich in der Fabrik in General Pacheco völlig frei bewegen konnten. Troiani wurde im April 76 verschleppt.

"Das Unternehmen hat von dem Staatsstreich profitiert" sagte vor Gericht der frühere Häftling und versicherte, dass das Verschwinden von Fordarbeitern "mit Zustimmung der Leitung der Firma und der Gewerkschaft" geschah.

Troiani erzählte, dass der Gewerkschaftsboss Rodriguez wenige Wochen vor dem Putsch eine Versammlung mit seinen Vertrauensleuten bei Ford einberief. "Er sagte uns, dass schwierige Zeiten kommen würden, dass der Putsch kommen würde, daß er eigentlich schon hätte stattfinden sollen aber verschoben worden sei, und dass die mittleren Gewerkschafts-Kader festgenommen werden würden. Wir verstanden nicht, wen er mit den mittleren Kadern meinte.

Hinterher wurde uns klar, dass diese mittleren Kader wir waren" - erinnerte er sich.

"Die Firmenleitung rief uns einen Tag nach dem Putsch, am 25.März, in ihr Büro. Sie sagte, dass es nunmehr im Betrieb keine Gewerkschaft oder Vertrauensleute mehr gäbe, und daß sie alle Konflikte mit der Belegschaft lösen würden, " sagte Troiani und erinnerte sich, dass im Laufe der Versammlung jemand aus der Firmenleitung zu einem der Gewerkschafter sagte: "Ihr werdet einem Freund von mir General Camps - Grüsse bestellen können". Zu diesem Zeitpunkt wußten die Vertrauensleute nicht, wer dieser Camps war. Später erfuhren sie es: ein besonders sadistischer Folterer.

"Schon von diesem Tag an, begannen Kollegen zu verschwinden, sie griffen sie am Eingangstor" unterstrich der Zeuge und fügte hinzu, dass es "einen Leutnant gab, mit Spitzname Molinari (Antonio), der mit allen Massnahmen beauftragt war, 24 Stunden am Tag, die Firma liess ihm jeglich Freiheit, überall hinzugehen und zu tun, was er wollte."

Troiani zufolge hat die Gewerkschaft SMATA nichts unternommen, die verschwundenen Arbeiter zu suchen. "José Rodriguez (Generalsekretär der Gewerkschaft und Vizepräsident des Internationalen MEtallerverbandes bis heute) wusste sehr genau, dass Leute verschwunden waren", bekräftigte Troiani. Auf eine Frage bezüglich der Gründe für das Nichtstun des Gewerkschaftsführers - antwortet er: "Ich glaube, das ist sonnenklar. Die Gewerkschaft war unter Zwangsverwaltung gestellt, die Funktionäre gingen aber nicht in die Betriebe zurück um die arbeiten. Aber sie kassierten weiterhin Geld".

Rodriguez hatte im August 2001 vor der Kammer ausgesagt, er habe "!984, über die Regierungskommission CONADEP" erfahren, dass es in seinem Bereich verschwundene Arbeiter gegeben habe". Und er hatte ausgesagt, daß er sich an der Unterstützung für die 26 Fordarbeiter und SMATA-Mitglieder beteiligt habe, die während der Diktatur widerrechtlich gefangen gehalten worden waren. Heute hat Troiani bekräftigt, "er hat sich nicht im Mindesten beteiligt" an der Suche nach entführten Arbeitern dieser oder anderer Firmen.Rodriguez hatte 1975 einen Brief an das Justizministerium geschrieben, in der er das Ministerium aufforderte, das Unternehmen zu intervenieren, "um die Institutionen des Landes zu schützen." In diesem Brief bezeichnete er den gewählten Betriebsrat von Mercedes deren Mitglieder er aus der Gewerkschaft ausgeschlossen hatte, als "gewerkschaftsfreindlich" und "von der Subversion unterwandert", als "eine Gruppe von Provokateuren, die Verbündete des Aufstands sind und aus Mercedes Benz Argentina AG ihren Schlupfwinkel gemacht haben".

Troiani, der Mitglied des Vertrauenskörpers bei Ford gewesen war, wurde am 11.April 1976 von seinem Arbeitsplatz weg entführt. "Es kam eine Gruppe von uniformierten Leuten in Fahrzeugen der Firma. Sie nahmen mich fest und brachten mich zum Sportplatz der Fabrik, wo noch vier oder fünf andere Arbeiter waren, mit Handschellen oder Draht gefesselt". beschrieb der Zeuge. Der frühere Ford-Arbeiter sagte aus, dass in jener selben Nacht die Festgenommen zum geheimen Zentrum für Gefangene gebracht worden seien, das es im 1.Kommisariat von Tigre gab. "Dort waren ungefähr 25 Arbeiter von Ford, und viele Vertrauensleute und Gewerkschaftsaktivisten anderer Betriebe der Region Pacheco und Tigre" erinnerte er sich.

Dem früheren Gefangenen zufolge stand das Geheimzentrum unter dem Kommando des Leutnants Molinari - derselbe, der die Entführungen von Belegschaftsmitgliedern leitete. An diesem Ort wurde Troiani etwa 50 Tage illegal festgehalten. "Dann haben sie mich legalisiert, (das heißt, offiziell als "gefangen" erklärt, und ins Gefängnis Devoto gebracht, wo ich fünf Monate blieb. Von dort aus kam ich zur Einheit 9 von La Plata, für weitere sechs Monate.

"Am Tag meiner Entführung schickte mir die Firma ein Telegramm nach Hause, ich solle zur Arbeit erscheinen oder mich als entlassen betrachten" erzählte der frühere Gefangene und fügte hinzu: "Meine Frau widersprach ihnen in einem anderen Telegramm, in dem sie schrieb, sie gesehen hatten, dass ich in der Fabrik festgenommen worden sei, aber sie wiesen das zurück.. Den anderen 25 entführten Arbeitern passierte exakt daselbe". Troiani kommentierte, dass er später, zusammen mit anderen freigelassenen Arbeitern, zu Rodriguez gegangen sei, damit er ihnen Arbeit verschaffe. "Er schickte uns mit einer persönlichen Note zu einem Personalchef von Mercedes-Benz. Aber dort behandelten sie uns wie Verbrecher. Ich verließ dann sehr schnell die Firma, weil ich Angst hatte, dass sie mich sonst wieder festnehmen".

Nach dem Ende der Diktatur strengten verschiedene Ford-Arbeiter Arbeitsprozesse an und klagten auf eine Abfindung und die entgangenen Löhne. "Meinem Kollegen Conti war genau dasselbe passiert wie mir" - erinnerte sich Troiani. "Er hat den Prozess gewonnen und ich verloren. Derselbe Richter, der für ihn entschied, entscheid einige Tage später gegen mich". Und fügte hinzu: "José Rodriguez wollte uns keine Anwälte für das Verfahren zur Verfügung stellen. Die Gewerkschaft zeigte uns den Rücken, wollte nichts damit zu tun haben. Seitdem ist viel Zeit vergangen."

Der Staatsstreich, so bestätigte Troiani, hat sich als ausgezeichnetes Geschäft für die Firma Ford herausgestellt. Kurz vor dem Putsch, Ende 1975, war ein Abkommen mit allen Automobilunternehmen unterzeichnet worden, wonach ein Prozent des Autoverkaufs in die Kasse von SMATA fließen sollte, um mit diesem Geld einmal ein gewerkschaftseigenes Krankenhaus zu finanzieren. Zweimal zumindest überwies Ford auch diesen Betrag. Dann kam der Putsch und von dem Abkommen war keine Rede mehr. Was mit dem bereits überwiesenen Geld geschah, wußte Troiani nicht. Anderthalb Jahrzehnte später kam das Abkommen doch wieder zustande, und das Krankenhaus wurde gebaut. Die Leiterin ist die Tochter von Rodriguez, viele Bereiche teuer an Drittfirmen vergeben. Das gewerkschaftseigene Sozialwerk ist zahlungsunfähig, gegen Rodriguez ist eine Anzeige wegen "betrügerischen Verwaltens des Sozialwerkes" anhängig.

Übrigens: Der IMB-Präsident Klaus Zwickel hält immer noch seine schützende Hand über seinen Vizepräsidenten, das Rodriguez-belastende Material will er nicht entgegen nehmen. Jetzt hat aber der österreichische Metallerverband offiziell beim IMB-Generalsekretariat eine Untersuchung beantragt. Es geht um Menschenrechte und es geht um viel Geld. Vor sechs Wochen - siehe taz vom 30.7.02 - hatte der frühere Einkaufsdirektor von Mercedes Benz Argentina vor Gericht ausgesagt, daß Rodriguez Schmiergelder für Rüstungsgeschäfte mit der argentinischen Armee erhalten haben soll.

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