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"Der Konflikt bei Delphi - Mindesthalbarkeit abgelaufen"

Dies ist kein scherzhafte Titel. Es ist kein Witz, sondern (für einige) die grausame Realität. So wie wir bereits in "Der Fall Delphi - an die Tafel" sagten, war der Streikaufruf eine programmierte Angelegenheit: um mit übereilte Verhandlungen weiterzumachen, um den Streik abzusagen, um den Arbeitern ihren Protgonismus zu nehmen und ihn den Gewerkschaftsbürokraten zuzuschanzen und um den Konflikt hinter verschlossene Türen zu verlagern. Wir können von einem Konflikt mit Mindesthalbarkeitsdatum reden, denn wenn man einen Streik absagt und das gesamte Stimmenkonzert erleichtert aufatmet, ist der Konflikt nicht mehr Thema in den Medien, das heißt er findet nicht mehr im Scheinwerfelicht der öffentlichen Meinung statt, sondern im Schatten. Er ist abgelaufen, er existiert nicht, weil alles schon in Ordnung gebracht ist und Punkt. Suchen wir andere, aktuellere Themen. Und zum Hohn präsentiert die UGT die Arbeiter als diejenigen, die ihm den Todesstoß versetzt haben. In dem zitierten Schreiben sagten wir voraus:

"&#8230: in ein oder zwei Jahren werden sie alles «vergessen» haben (bezogen auf die negatven Folgen für die Arbeiter) und sie werden lediglich mit der Daten der Beteiligung am Referendum und der zustimmenden Stimmen spielen." Wir haben uns geirrt, was die Fristen angeht. In der April-Ausgabe der UGT-Zeitschrift "La voz sindical" rechtfertigt sich Tejedor mit den Worten, daß die Übereinkunft "&#8230" in drei Werken zur Abstimmung gestellt wurde und von 86 % der Arbeiter angenommen worden ist." Dafür akzeptierten sie die Abstimmung und dafür haben sie alles getan um sie zu gewinnen. Die Vorgehensweisen dazu haben wir bereits an anderer Stelle angeklagt.

Mindesthalbarkeit abgelaufen: &#8230 - aber nur für die Gewerkschaften, nicht für die Arbeiter. Wie zu erwarten war, ist das Unternehmen in der Dunkelzone wieder dreist geworden, und hat weiterhin die Dinge auf seine Art erledigt, auf die Art, die Delphi überall dort an den Tag legt, wo es seine Klauen ausstreckt (weiter unter werden wir im Detail über diese Vorgänge informieren). Die Unruhe und Unzufriedenheit unter den Arbeiter hat nicht abgenommen, sondern im Gegenteil noch zugenommen, so daß die Gewerkschaften gezwungen waren, Informationen zu veröffentlichen und so die Differenzen zwischen Ihnen aufzudecken, die sie in den "heißen" Tagen verborgen hielten, als sie gegen die Uhr "verhandelten", um den Streik abzuwenden.

Mindesthalbarkeit abgelaufen - die Ware verdirbt

Es ist eine mühselige Aufgabe, den Gang der Ereignisse seit dem Beginn der Verhandlungen über das Abkommen Anfang März nachzuzeichnen. Anhand der Verlautbarungen der Gewerkschaften und des Unternehmens wollen wir eine Zusammenfassung dazu liefern.

Einerseits zeigen diese Texte das Ringen zwischen dem Unternehmen und den Gewerkschaften, und andererseits - ab Mitte April - eine andere Auseinandersetzung der Gewerkschaften untereinander. Dennoch werden alle Klagen darüber, daß das Unternehmen die Fristen nicht einhält, keine Antworten gibt etc. immer begleitet von Aufrufen an die Arbeiter, Ruhe zu bewahren. Nehmen wir zum Beispiel ein Flugblatt von USO, vom 1. März: Man beklagt sich daß "sie keine Garantien unterzeichnet" und nicht einmal die Verhandlungen wiederaufgenommen" haben, aber man vergißt nicht zu betonen: "Wir wollen keine Besorgnis, Unbehagen oder Unruhe auslösen." Ein anderes Schreiben von CCOO vom 14. März besagt, daß "der Verhandlungsbeginn über die Entwicklung des Abkommens ohne jede Rechtfertigung übermäßig hinausgezögert wird", aber mit dem beruhigenden Zusatz: "wir glauben dennoch weiterhin, daß das Abkommen, wenn es durchgeführt wird, ein gutes Abkommen ist." Um die Geduld der Leser nicht zu strapazieren, werden wir keine weiteren Flugblätter zitieren, aber es ist offensichtlich, daß alle drei Gewerkschaften, trotz aller Unstimmigkeiten zwischen ihnen, sich darin völlig einig sind, die Belegschaft weiter arbeiten zu lassen. Zwei Faktoren kommen zusammen, um die Arbeiter zu demoralisieren und die Situation zu verderben: Die Machenschaften des Unternehmens in der Frage der Vertragsabschlüsse, die in keinster Weise von den Gewerkschaften beantwortet werden, und der offensichtliche Unwillen der Gewerkschaften, sich dem Unternehmen entgegenzustellen. Die Situation verdirbt.

Der gewerkschaftliche Hintergrund

Um genauere Kenntnis über die Realität zu bekommen, muß man den Ursprung der Differenzen untersuchen, die zwischen den Gewerkschaften entstanden sind, auch wenn diese mehr scheinbar als real sind.

Es gibt wenige in Tarazona, Belchite, Épila, Pedrola etc., die nicht wissen, daß die Ansiedlung von Autozulieferern in den Achtzigern zum großen Teil von einem Netz von Unternehmern betrieben wurde, die von Opel unterstützt wurden, und eng mit den lokalen Kadern der PSOE und der UGT verbunden waren: Mit dem PSOE, um die entsprechende Infrastruktur und Steuerbefreiungen zu bekommen, und mit der UGT, um den entsprechenden Arbeitsfrieden zu bekommen, indem man in das Unternehmen "Gewerkschafter", Freunde, Verwandte und Spitzel einschleuste, und indem man Kooperativen aufbauten, um Arbeit aus der Fabrik zu holen. CCOO geriet für einige Jahre ins Hintertreffen, obwohl sie sich bemühten, den Unternehmern zu zeigen, daß ihre Dienste denjenigen der UGT in keinster Weise nachstanden. Aber die schizophrene Doppelpersönlichkeit, die sich in den CCOO breit gemacht hat - einerseits eine kämpferische Vergangenheit, und andererseits eine Gegenwart im Stadium fortgeschrittener Bürokratisierung (die, wie in den Texten aktueller Kongresse zu lesen ist, die kämpferische Vergangenheit verleugnet), und die die Rolle der Betriebsobleute auf reine Botschaftenüberbringer beschränkt - imprägniert alle ihre Handlungen mit einer Doppeldeutigkeit und einem Zick-Zack-Kurs, was dazu führt, daß sie in allen Konflikten die Initiative der UGT überlassen, der solche Probleme fremd sind. Ein gutes Beispiel hierfür ist das Referendum in Belchite vim 12. April und die nachfolgende Demonstration vom 29. April in Zaragoza. CCOO durchschaute die Finessen der Methoden von Tejedor nicht, der sich angesichts des Drucks der Arbeiter an deren Spitze stellt, solidarisch mit dem Protest, den er gleichzeitig eingrenzt - eben als einfachen Protest, der dem Unternehmer keinen wirtschaftlichen Schaden zufügt hegt und ihm selbst eine Atempause gibt, um weiter außerhalb des Scheinwerferlichts seine Schiebereien zu betreiben. Seine Botschaft an die Arbeiter von Belchite im UGT-Flugblatt vom 12. April ist klar: "Die Verhandlungen über den Industrie-Plan sind eröffnet und wir kämpfen weiter, um für unser Werk eine größere Auslastung zu erhalten." Das erste, was ins Auge springt, ist: Das Wichtigste ist "unser Werk", das Zweite: die Mobiliesierungen sind punktuell, Anekdoten, vorübergehen, und was wirklich wichtig und bedeutsam ist, ist, daß die Verhandlungen eröffnet sind. Da macht es wenig, daß man sich Tag für Tag über den Mangel an gutem Willen auf Seiten des Unternehmens beklagen muß. Ein anderer Aspekt dieser Strategie ist, nur schriftlich Informationen zu geben und Versammlungen zu vermeiden, wo Fragen gestellt werden könnten, auf die man möglicherweise keine Antworten weiß. In Tarazona sammelten die Arbeiter vergeblich Unterschriften, damit eine Versammlung einberufen würde. Die Opel-Arbeiter kennen all diese Manöver schon zu Genüge, die er immer wieder ohne jede Scham durchgeführt hat, so oft es nötig war.

Die Tatsache, daß die Belegschaft sich für die Verhandlungen interessiert und daß man sie über die Streitpunkte informieren muß, ist das, war die UGT daran hindert, jenen Entwurf zu unterzeichnen, in dem es heißt: "Der Plan bleibt ohne Wirksamkeit, wenn keine flüssigen Mittel zur Verfügung stehen, um die Abfindungen zu bezahlen." Die Bedeutung dieser Verirrung, die jedes Abkommen in einen bloße Fetzen Papier verwandelt, zu herunterspielen, indem man die Bedeutung anderer "Triumphe" heraufsetzt, und durch Überdrüssigkeit gewinnen, ist die Taktik, die sie verfolgt. Und von CCOO ist nichts anderes zu erwarten als resignierte Zustimmung. Als der "Heraldo de Aragón" am 18. April die Differenzen zwischen UGT und CCOO über das Dokument von Delphi ans Tageslicht brachte, macht er bereits deutlich, daß Luis Tejedor betont, daß es kein Problem von UGT und CCOO mit dem Dokument gibt, sondern darüber, daß die Garantien für diejenigen, die im Unternehmen bleiben, oder für die die gehen, durch eine Anwalt unterstützt werden." Tejedor hat sein Dokument durchgesetzt, und jetzt befiehlt er den CCOO, den Mund zu halten, denn er weiß, daß auch diese Gewerkschaft den Konflikt für abgelaufen hält und keine Presse will.

Inzwischen: Delphi nach seiner Fasson

Mit der "Gewerkschaftsfront" in guter Verwahrung, auf dem Spielplatz, mit ihren Spielzeugen, ihren Zänkereien und Advokaten, hat Delphi alle Zeit der Welt, um absolut ungestört Pläne zu machen, zu ändern und zu verwerfen. Und vor allem, um den Arbeitern klar zu machen, daß es in seinem Haus tut, was immer es will. So hat es bis jetzt schon drei Monate geschenkt bekommen. Nichts von dem, was in den Fabriken, vor allem in Tarrazona, geschieht, hat auch nur die geringste Verbindung mit dem Tauziehen zwischen dem Unternehmen und den Gewerkschaften. Es ist deutlich sichtbar, daß seine Pläne in eine andere Richtung gehen. Die widersprüchlichen Fakten sind diese:

Einigen Arbeitern mit befristeten Verträgen mit einer Dauer von weniger als drei Jahren, werden diese verlängert, was das Unternehmen laut Abkommen nicht tun würde

Sie stellen weitere Arbeitskräfte ein ( 100 in den letzten zwei Monaten), während der Ausgangspunkt für die gesamte Mobilisierung die Ankündigung des Unternehmens ist, die Belegschaft zu reduzieren. Und man macht zahlreiche Überstunden. Es passiert, daß das Material fehlt, um entsprechend der Verträge zu arbeiten.

Sie reduzieren drastisch die Arbeit, die sie an die sogenannten "Außenzentren" geben, die in der Regel Hochburgen der UGT sind. (Dies könnte möglicherweise doch eine Verbindung haben, insofern man so Druck auf die UGT ausübt, endlich ins kalte Wasser zu springen.) Ein Verlust von Arbeitsplätzen, der nicht eine Zeile wert ist.

Die befristeten Arbeiter mit mehr als drei Jahren im Unternehmen, die nun Festangestellte werden, werden nicht direkt fest angestellt, indem man ihnen die Dauer der Betriebszugehörigkeit anerkennt. Statt dessen wird ihnen gekündigt, sie gehen nach Hause und kehren ein paar Tage später mit einem jener neuen unbefristeten Arbeitsverträge mit reduzierter Abfindungszahlung zurück. Vom legalen Standpunkt aus sind sie erst jetzt in das Unternehmen eingetreten. Wir haben keine Nachricht darüber, daß dies Thema in den berühmten Verhandlungen ist; die Verlautbarungen sowohl des Unternehmens wie der Gewerkschaften beschränken sich auf die Frage der Garantien für Entschädigungen für den Fall des Falles. Selbstverständlich gibt es eine Vereinbarung zwischen Unternehmen und dem Betriebsrat in Tarazona, daß diejenigen, deren Verträge verlängert werden, die Rechte aus der Dauer ihrer Betriebszugehörigkeit behalten - aber eben nur dafür.

Zusammengefaßt verspricht die Politik des Unternehmens nichts Gutes und es sieht so aus, als ob es jede Vereinbarung mit den Gewerkschaften unterminiert, die keine entsprechenden Mittel vorsieht, diesen Maßnahmen des Unternehmens etwas entgegenzusetzen. Das Entscheidende ist, daß es den Blankoscheck ausnutzt, den ihm die Gewerkschaften gegeben haben, indem sie den Streik absagten, ohne irgend etwas geklärt zu haben. Eines der Ziele könnte die Erneuerung des Personals sein, wobei man diejenigen loswerden will, die bereits an Verletzungen wegen der repetitiven Arbeit leiden, diejenigen, die, die widersprechen, diejenigen, die sich weigern Überstunden zu machen etc. Das Unternehmen kann dies tun, weil es niemanden gibt, der es kontrolliert oder diese Tatsachen anzeigt.

Man muss auf der Höhe der Zeit sein

Die Ablehnung dieser Gewerkschaftarbeit und die Suche nach neuen Wegen und Formen der Organisation steht auf der Tagesordnung, und nicht nur in Spanien, sondern in allen Ländern, die unter ihr leiden. Wir müssen Kontakt aufnehmen, mit den Kollegen der DELPHI in Barcelona, die sich im Arbeiterkollektiv organisiert haben und mit denen wir im Einklang stehen, die schon vor 20 Jahren mit der Gewerkschaftsbürokratie gebrochen haben. Es ist logisch, daß man in den Industrieregionen mit einem größeren Gewicht der Arbeiterklasse und viel mehr Erfahrung im gewerkschaftlichen Kampf als wir in Aragón früher gesehen hat, was wir erst in den vergangenen 20 Jahren lernen mußten. Wir verfügen nur über geringe Mittel, aber das ist kein Hindernis, um die Arbeiter zu vertreten. In Wirklichkeit ist es eine Illusion, daß die Gewerkschaften mit gut gefüllten Konten, guten Büros, Computern, Sekretärinnen, Hochglanz-Veröffentlichungen etc. "mächtig" sind und dem Arbeitgeber Angst einjagen. In Deutschland, kann der DGB, der viermal so viel Mitglieder hat wie die spanischen Gewerkschaften, keine Fuß in eine Fabrik setzen, um eine Kandidatur aufzustellen. Es müssen die Mitglieder in der Fabrik sein, die sich bewegen. In England hat Thatcher die mächtige Gewerkschaft mit einem Federstrich fertiggemacht, ohne daß die Arbeiter auf die Straße gegangen wären. Im allgemeinen ist der legale Status der Gewerkschaften sehr begrenzt. In Deutschland waren es die Stärke der Industrie und der beängstigende Mangel an Arbeitskräften nach der Schlachterei des Zweiten Weltkriegs, die es dem Arbeiter erlaubten, an Statur zu gewinnen ( entweder ihr gebt mir dieses und jenes oder ich gehe) und die Gewerkschaften taten nichts anderes als diese Stärke in organisierte Bahnen zu lenken. Das ist das Geheimnis der Errungenschaften der Arbeiter, und nicht die guten Dienste einer "mächtigen" Gewerkschaft die die Arbeitgeber erschreckt.

Die Basis zählt, die Verwurzelung bei den Arbeitern, nicht die Ausmaße des Gewerkschaftsapparates. Und an der Basis tut sich viel in aller Welt. Das Internet erlaubt es, das Wissen über Machenschaften und Mißbräuche jeder Art zu verbreiten, Erfahrungen auszutauschen und die scheinbare Respektabilität der Lächerlichkeit preiszugeben, mit der sich die Multinationalen der Zulieferindustrie, wie Thompson, Delphi, Lear und viele mehr, umgeben wollen. Schon im vergangenen Konflikt bei Lear haben wir uns an dem Informations-Netzwerk beteiligt, das im Internet entsteht. Delphi wird dem in nichts nachstehen, und wir garantieren, daß diese Analyse dessen, was bei Delphi geschieht schon den gleichen Platz im Netz einnimmt.

Federación de Trabajadores de Catalunya
Colectivo Obrero Popular
Intersindical de Aragón
Trabajadores de la Delphi de Tarazona y Belchite

Die Informationen werden zu finden sein unter: http://www.labournet.de/branchen/auto/

Übersetzung: Karin Nowak

 


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