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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Apartheid unter gutem Stern - Deutsche Konzerne wegen Menschenrechtsverletzungen angeklagt Birgit Morgenrath vom Rheinischem JournalistInnenbüro, 20.11.2002, zuerst erschienen im epd November 2002 Vorspann: Das Büro der Betriebsräte liegt gleich hinter Fabriktor Zwei von Daimler-Chrysler in einem einstöckigen, farblosen Gebäude. Seit Mercedes sich bei einem südafrikanischen Automobilhersteller in East London Mitte der 60er Jahre einkaufte, ist das Werk der größte Arbeitgeber der südafrikanischen Industrie- und Hafenstadt. Im Betriebsratsbüro telefonieren Arbeiter in Blaumännern; sie diskutieren, scherzen und lachen. " Damals hätten Sie mich nicht hier auf dem Betriebsgelände sondern nur im Büro der Gewerkschaft in der Stadt interviewen können," erzählt Mtutuzeli Tom, seit bald 20 Jahren Betriebsrat bei Daimler Chrysler und heute Vorsitzender der mächtigen Metallarbeitergewerkschaft NUMSA. Tom erinnert sich gut an die alltägliche Diskriminierung . Alle Manager, auch die auf den unteren Ebenen, hatten damals das Recht, Arbeiter zu heuern und zu feuern, sagt er. Die Arbeitswoche war 45 Stunden lang, Überstunden wurden zwangsweise angeordnet und miese Löhne waren die Regel. "Weiße waren immer in den höheren Stufen, Schwarze waren immer unten. Wir wussten: Gewisse Dinge waren einfach nicht für uns gedacht." Zum Beispiel eine gute Ausbildung. Heute lacht der 42 Jährige darüber ein dunkles Lachen. Damals hat er in der Karosseriewerkstatt gearbeitet. Die Karosserien hingen nicht wie in deutschen Werken seitlich am Montageband, sondern über den Köpfen der Arbeiter. "Wir hatten immer Schnitte in Händen und Beinen und Brandwunden von den Schweißmaschinen", erinnert sich Mtutuzeli Tom, "die Funken sprangen von oben in die Overalls. Die waren einteilig und man brauchte total lange, um sie zu öffnen. Wenn man endlich die verbrannte Körperstelle erreichte, war da ein großes Loch." Mtutuzeli Tom war einer von 5000 meist schwarzen Arbeitern bei der Daimler Chrysler Niederlassung, die in jenen Tagen "Mercedes Benz South Africa" hieß. Die Tochterfirma der Stuttgarter Konzerns war aber nur eins von 300 deutschen Unternehmen und Banken, die bis Anfang der 90er Jahre mit dem Apartheidregime Geschäfte machten; mit ihm Handel trieben, Darlehen gewährten oder in südafrikanische Niederlassungen produzierten. Daraus haben sie rund 8,4 Milliarden Mark Gewinn gezogen. Deutsche Geschäftspartner der Machthaber in Pretoria waren Bayer und Hoechst, Siemens, Bosch und AEG, Mannesmann, Krupp, Rheinmetall, MAN, MTU und MBB, die Deutsche Bank, die Dresdner und die Commerzbank, BMW und VW. Deutsche Unternehmen ließen sich selbst dann noch bereitwillig in das Apartheid-System einbeziehen, als der südafrikanische Präsident Pieter Willem Botha 1980 seine "Totale Strategie" gegen die südafrikanischen Befreiungskämpfer entworfen hatte. Pretoria führte einen verdeckten Krieg gegen die schwarze Bevölkerungsmehrheit, auch in den Nachbarländern Zambia, Namibia und Mosambik. Der allmächtigen Sicherheitsrat führte die Schlacht an. Dieses exklusive Kabinett, dem einige Minister und vor allem die Vertreter der Sicherheitskräfte und Geheimdienste angehörten, entwickelte sich damals zur eigentlichen Regierungsinstanz, ohne jegliche Legitimierung durchs Parlament. Bis hinunter in die kleinste Stadt hatte der Sicherheitsrat sein Spitzel- und Informantennetz gesponnen. Ein Orwellsches System mit Tausenden von Zuträgern aus Militär, Geheimdiensten, Polizei - und auch aus der Wirtschaft. Das sogenannte "National Security Management System" hatte seine Augen und Ohren überall. In über 400 regionalen und lokalen "Joint Management Centres" hatte das Regime sein Frühwarnsystem gegen die schwarze Opposition installiert. Mtutuzeli Tom erinnert sich an Spitzel bei Mercedes Benz. Zum Beispiel auf Betriebsversammlungen in der schäbigen, dunklen Halle, wenn die Kollegen vor ihm auf den quietschenden Plastikstühlen aufmerksam zuhörten, was die Vertrauensleute zu berichten hatten. Etwa über die Verhandlungen mit der Geschäftsleitung oder über bessere Löhne für die schwarzen Arbeiter. Nebenbei konnte es auch um den nächsten Streik gehen, allerdings nur in einer Art Geheimsprache. "Wir haben unsere Worte genau gewählt", erzählt der Betriebsrat, "weil ausgebildete Spione unter den Arbeitern saßen, die zwischen den Zeilen lesen konnten. Leute, die für den Geheimdienst arbeiteten. Wir kannten die." Sie hätten ihn an seinem Jargon als Oppositionellen von ANC, Gewerkschaft oder Kommunistischer Partei identifiziert. Also benutzen die Betriebsräte entweder die einheimische afrikanische Sprache oder rätselhafte Bilder, die nicht leicht zu entschlüsseln waren. "Dann mussten die zwei Tage lang tüfteln, was wir geplant hatten!" freut sich Mtutuzeli Tom noch heute über den Trick. Schließlich saßen die Spitzel auch neben ihnen in der gleichen Kantine. "Diese Typen waren von der Polizei und der Armee dafür ausgebildet, uns auf die Spur zu kommen." Es wurde viel gestreikt in jenen Jahren: für Versammlungsfreiheit und Tarifautonomie, für bessere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen, für Sozialismus und gegen Ausbeutung, aber auch immer wieder für die politischen Rechte der Schwarzen und gegen ein Regime, das mit Ausnahmezustand, willkürlichen Massenverhaftungen und Verbannungen regierte. Oft waren "die Typen von der Armee und Polizei" auch erfolgreich. Dann schickten sie ihre Truppen in die Wohngebiete der Schwarzen, in die Townships. Zum Beispiel ins 50 Kilometer entfernte Mdantsane, wo damals 2000 Mercedes-Arbeiter in winzigen Häuschen lebten, zumeist mit der Großfamilie, in bitterer Armut. Auch in Mdantsane gab es, wie überall im Land, organisierte Proteste, zum Beispiel gegen hohe Mieten und Fahrpreise sowie Schulboykotte gegen die miserable Ausbildung für schwarze Kinder. Bei den Auseinandersetzungen mit der Polizei trafen die Gewerkschafter von Mercedes Benz auf bekannte Gesichter, wie Champ, ein anderer Benz-Betriebsrat berichtet: "Es gab Manager, die trugen tagsüber schöne Anzüge mit Krawatte und nachts zogen sie Tarnanzüge an und schossen auf unbewaffnete Jugendliche, auf alte Leute, ja sogar auf kleine Kinder und töteten sie. Sie machten Razzien von Tür zu Tür; es gab ja großen Widerstand damals. Und wir hörten, wie die Reservisten in der Firma am nächsten Tag jubelten: 'Wir haben viele Kaffern erschossen! Wir haben unseren Spaß gehabt.'" Champ schätzt, dass ungefähr 20 bis 30 Mercedes-Mitarbeiter, allesamt Weiße, in ihrer Freizeit als Polizisten zum Einsatz in die Townships fuhren. Champ war ausgebildeter Untergrundkämpfer. Er führte im Betrieb die Untergrundzellen von "Umkontho we Ziswe", dem bewaffneten Arm der Befreiungsbewegung, dem "Speer der Nation". Arbeiter wurden auch auf dem Firmengelände verhaftet, sagt er, und viele Informationen seien an die Polizei rausgegangen: "Achtet auf Mr. X, der ist ein Anführer, der trägt das Banner, der führt die Proteste in der Firma an. Die Unternehmensleitung wusste genau, wer wer war. Und wer zu den rechtsextremer Weißen, zu den Schlächtern nachts gehörte, das wussten die auch." Wenn sie dann verhaftet wurden, fragten die Folterer in der Polizeistation auch nach den Streikaktionen. Folter war ein Teil seines Lebens, erzählt Mtutuzeli Tom, "wir wurden extrem erniedrigt, entmenschlicht - man hat uns nackt ausgezogen, kaltes Wasser über den Kopf geschüttet, die Hände gefesselt auf dem Rücken, den Ventilator angeschaltet, so dass man anfing zu zittern. Und dann stellten sie die Fragen." Wieder lacht der Gewerkschafter sein dunkles Lachen. Es gab drei Ebenen des "security establishments" erklärt er weiter. Am Produktionsband hätten Tag für Tag die weißen Aufseher und Vorarbeiter gestanden ihre schwarzen Untergebenen ausgehorcht. Im mittleren Management seien die Polizeireservisten zu finden gewesen, einige von ihnen in der Personalabteilung. Den internen Sicherheitsdienst schließlich hätten auf höchster Ebene Männern mit dubioser Vergangenheit geleitet . Diese Mercedes-Angestellten waren, so Tom, in der ehemaligen britischen Kolonie Rhodesien als "Selous Scouts" im Einsatz gewesen, eine 420-Mann Truppe aus britischen und us-amerikanischen Söldnern und Überläufern aus der Befreiungsbewegung, überaus hart trainiert, überaus erfolgreich im Kampf gegen die Guerilla - und berühmt-berüchtigt wegen ihrer grausamen Kriegsführung. Sie sollen zahllose Befreiungskämpfer brutal ermordet haben. Auch wehrlose Flüchtlinge, Frauen und Kinder, die in Massengräbern verscharrt wurden. Viele Scouts hatten das Land verlassen, als Rhodesien 1980 frei wurde. Sie dienten zunächst in der südafrikanischen Armee, wurden aber als britische Soldaten von ihren burischen Kameraden schlecht gelitten und suchten sich andere Betätigungsfelder. "Diese Leute hatten mit der südafrikanischen Armee in Rhodesien kollaboriert," sagt Tom, " die gaben in ihrer neuen strategische Position im Unternehmen natürlich nicht ihre Beziehungen zum südafrikanischen Sicherheitsapparat auf, die waren schließlich ihre Kumpel im Busch gewesen." DaimlerChrysler meint auf Anfrage: "Soviel wir wissen, hat es keine Anwerbungen von Selous Scouts gegeben." Unstrittig ist dagegen, dass Mike Lindley, ein ehemaliger Top Mann bei Mercedes-Benz, ebenfalls aus dem ehemaligen Rhodesien kam, wo er als hoher Polizei-Offizier bei der "British South African Police", der rhodesischen Polizei, gedient hatte. Sein oberster Chef, Christoph Köpke bestätigt das. "Klar hatte der Kontakte zur südafrikanischen Polizei." Der Daimler-Chrysler-Chef ist deutschstämmiger Südafrikaner und hat Anfang der 70er Jahre als Sachbearbeiter im Unternehmen angefangen. Zwischenzeitlich war er Manager bei Porsche und Jaguar in Südafrika. Seit 1989 steht er an der Spitze der südafrikanischen Daimler-Niederlassung und gilt auch bei der Gewerkschaft als guter Sozialpartner. Er steht für den Ausgleich zwischen Schwarz und Weiß und sorgte für Wohungsbau- sowie Ausbildungsprogramme zugunsten der Mitarbeiter. Trotz seiner langjährigen Mitarbeit im Konzern will aber auch er nichts von einer Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Sicherheitskräften gewusst haben. "Ich bin sicher, dass die Geheimpolizei, wie sie damals gearbeitet hat, bei uns Spitzel hatte, das würde ich unterschreiben, aber dass das Unternehmen eine Zusammenarbeit hatte mit der Geheimpolizei oder innerhalb des Unternehmens, ich würde schwören, davon habe ich nie gehört." Mtutuzeli Tom dagegen ist überzeugt: "Die im Management wussten das sehr gut, dass diese Typen Teil der Sicherheitskräfte waren. Das können sie nicht leugnen. Wozu? Die Verbindungen zwischen Management und den Sicherheitskräften waren doch absichtlich nicht formell!" Widerspruchslos hat die Geschäftsleitung auch drei Jahre Gehalt bezahlt, wenn junge Weiße als Rekruten der Armee in Namibia "eingesetzt" waren. "Sie sagen, sie haben die Gesetze befolgt," meint Tom, "wir sagen, sie haben auf Frauen und Kinder geschossen, das waren Menschenrechtsverletzungen!" Übrigens geschah dies alles unter der Führung von Jürgen Schrempp, der Mercedes Benz Südafrika 12 Jahre, von 1974 bis 1986, leitete. Bereits 1978 hatte Daimler Benz eine Lizenz für Dieselmotoren an die halbstaatliche südafrikanische Firma Atlantis Diesel, ADE, vergeben. Außerdem war der Konzern mit rund 12 Prozent an der Firma beteiligt - an einem Unternehmen, das in Monopolstellung Daimler Motoren für schwere und schwerste Nutzfahrzeuge fertigte; an einem Unternehmen, das durch Schutzzölle von ausländischer Konkurrenz abgeschirmt war und das sich fast die Hälfte der Ausbildungs- und Lohnkosten von der südafrikanischen Regierung bezahlen ließ. Mit ADE eroberte Daimler Benz den südafrikanischen Markt. 1984 hatten Daimlers Dieselmotoren einen Marktanteil von 80 Prozent. Das Regime in Pretoria unterstützte das Monopol, weil es von Importen unabhängig werden wollte. Denn die Vereinten Nationen hatten bereits 1977 ein Rüstungsembargo gegen den Apartheidstaat beschlossen. Mercedes Benz fühlte sich offenbar nicht daran gebunden. Der deutsche Automobilkonzern verdiente aber nicht nur über die ADE Motorenlizenz mit am Unterdrückungsapparat. Armeefahrzeuge von Mercedes wurden zum Beispiel in den Werkstätten in Johannesburg im Norden repariert und in Pinetown im Südosten des Landes wurden Autoteile aus Deutschland angeliefert und weiter im ganzen Land verteilt. Henry van Wyk, ein altgedienter Vertrauensmann, hat in den 80er Jahren den Kampf der Gewerkschaft gegen das Rassisten-Regime und gegen das Mercedes-Management angeführt. Erst Mitte der 80er Jahre haben sie realisiert, dass Mercedes Autoteile an die Armee lieferte, erzählt er, "wir erkannten die Teile an den Armeefarben und den Computer-Codes für die Adressen der Empfänger. Einige wurden sogar mit der Hand geschrieben." Ein Kollege erinnert sich, dass ein Arbeiter die Teile zum Armeestützpunkt Jacobs fuhr und dort auspackte. "Mercedes bezahlte ihn dafür, dass er für das Militär arbeitete." Bis 1985 sollen zwischen 2500 und 6000 Unimogs nach Südafrika geliefert worden sein, einige davon in Bausätze zerlegt. Die Geschäftsleitung bleibt bis heute dabei, diese Unimogs seien aus dem normalen zivilen Programm gewesen. Auch bestreitet der Daimler-Chrysler Konzern dass Unimogs in mehrfacher Weise umgerüstet wurden, etwa zum gepanzerten Mannschaftstransporter "Buffel" oder als Unterbau für den Raketenwerfer "Valkiri". Mercedes-Chef Christoph Köpke leugnet heute nicht mehr, dass Daimler in Johannesburg unter anderem Motoren und Achsen der Armeefahrzeuge repariert und Unimogs an die südafrikanische Armee geliefert hat. "Wer hat ein' Vorteil aus dem Apartheidsystem gehabt und wer nicht?" fragt er, "wir haben Unimogs an alle Welt geliefert. Wir hatten keinen Sondervorteil daraus, dass wir Unimogs nach Südafrika lieferten. Auch ADE war ja ein öffentliches Ausschreiben. Es ist ja nicht so, als wenn Daimler da im Alleingang gegangen ist." Wohl wahr: Auch viele weitere deutsche Unternehmen haben ihre Geschäfte ungerührt fortgesetzt, während andere europäische und US-amerikanische Firmen den nationalen und internationalen Sanktionsbeschlüssen folgten. Mitte 1987 haben sich zum Beispiel über 100 amerikanische Firmen aus Südafrika zurückgezogen. Deutsche Unternehmen dagegen weiteten ihren Handel aus und erhöhten ihre Investitionen. Deutsche Unternehmen rüsteten das rassistische Regime in Südafrika weiter hauptsächlich mit Fabrikations- und Maschinenanlagen aus. AEG etwa lieferte Fördermaschinen für den Bergbau, die Deutsche Babcock Dampfkessel für SASOL, eine Anlage, mit deren Hilfe Öl aus verflüssigter Kohle gewonnen wird. Bosch schickte Einspritzpumpen an den Dieselmotoren-Hersteller ADE, Krupp lieferte an den Stahlkonzern ISCOR, Ferrostahl an den Stromkonzern ESKOM, Feldmühle an Zulieferer des Rüstungskonzerns ARMSCOR. Um nur einige der über 300 deutschen Unternehmen zu nennen. SASOL, ADE, ISCOR, ESKOM und ARMSCOR waren allesamt halbstaatliche, strategisch wichtige Monopolunternehmen, die das südafrikanische Regime am Leben hielten: mit Gold und Kohle, mit Energie und Stahl, mit Transportmitteln und Waffen. Der bundesdeutsche Staat hat die Lieferungen deutscher Unternehmen mit Hermes Bürgschaften abgesichert. Der Umfang solcher Bürgschaften stieg von 2.3 Milliarden Mark im Jahr 1976 auf sieben Milliarden Mark 1994. Auch deutsche Banken waren an solchen Außenhandelskrediten führend beteiligt. Nicht zu vergessen: Deutsche Firmen trugen auch dazu bei, dass Südafrika zur Atommacht heranwuchs. Siemens und andere sollen das in Deutschland entwickelte Trenndüsenverfahren zur Gewinnung hochangereicherten Urans für die Verwendung in Atombomben geliefert haben. Die ausländische Unterstützung für das Apartheidregime konnte den massenhaften Widerstand der schwarzen Bevölkerung nicht aufhalten. Das Regime blähte seinen Militär- und Repressionsapparat immer weiter auf - die Kosten finanzierte es mit Krediten. Südafrika lebte auf Pump - und musste 1985 ein Teilmoratorium bei der Rückzahlung seiner Auslandsschulden erklären. Damit war der Zugang zu den internationalen Kapital- und Kreditmärkten verschlossen. Deutsche Banken sprangen bereitwillig ein und organisierten die dann folgenden internationalen Umschuldungsverhandlungen an herausragender Stelle, so die Deutsche Bank, die Dresdner und die Commerzbank. 1993 betrug die Gesamtschuld Südafrikas gegenüber der Bundesrepublik 7,4 Milliarden Mark. "Die deutschen Banken haben ganz klar den Apartheidstaat finanziert," sagt Neville Gabriel, Theologe und Vertreter der Entschuldungskampagne Jubilee South Africa. Auch die Studie "Apartheidschulden. Der Anteil Deutschlands und der Schweiz" von 1999 belegt: "Deutsches Kapital ist mit seinem Anspruch auf 27,3 Prozent aller Auslandschulden des öffentlichen Sektors des Apartheidsystems der weltweit wichtigste Direkt-Finanzier der Apartheid gewesen. Im internationalen Vergleich hat deutsches Kapital in herausragender Weise den Apartheidstaat direkt, ebenso wie die strategisch wichtigen Staatskonzerne der Apartheid mit Finanzkapital bedient." So haben etwa die Deutsche Bank, die Dresdner und die Commerzbank, die Westdeutsche Landes- und die Bayerische Vereinsbank zwischen einem und zwei Dritteln ihres Kreditvolumens an den staatlichen südafrikanischen Stromkonzern ESKOM vergeben. Darum beruft sich die Entschuldungskampagne auf die Doktrin der sogenannten "odious debt", der sittenwidrigen oder verabscheuungswürdigen Schulden. Illegitim seien solche Schulden. "Wir sagen, Südafrika sollte nicht verpflichtet sein, die Schulden des Apartheidstaates, die in erster Linie gegen die südafrikanische Bevölkerung für Apartheid benutzt wurden und darum verabscheuungswürdig sind, zurückzuzahlen." Drei Jahre lang versuchten die Südafrikaner und ihre Unterstützer in den USA, in Deutschland und der Schweiz mit Unternehmen und Banken über Entschuldung und Entschädigung ins Gespräch zu kommen. Sie stießen nur auf taube Ohren. In Stellungnahmen betonte die Commerzbank, sie habe sich lediglich in der Export- und Importfinanzierung engagiert. Die Deutsche Bank vertritt den klassischen Standpunkt der Wirtschaft, sie habe sich an deutsches Recht und Gesetz gehalten. Die Dresdner Bank stellte im April eine interne Überprüfung ihrer Geschäftspolitik in Aussicht. "Wir müssen über eine neue Ethik und Wertebasis der Wirtschaft sprechen," fordert Neville Gabriel. Wirtschaft und Politik legitimierten sich gegenseitig, "Wir reden doch über Gerechtigkeit und über menschliche Beziehungen. Wirtschaft ist nichts anderes als menschliche Beziehungen, gemessen in ökonomischen Kategorien." Anfang November reichte nun der Washingtoner Anwalt Michael Hausfeld bei eine New Yorker Gericht Klage gegen Unternehmen ein, die das Apartheidsystem unterstützten oder ihm gar Vorschub leisteten. Unter den Beschuldigten sind nicht nur acht Banken, darunter fünf deutsche, sondern auch IBM, dessen Computer bei der Herstellung der verhassten Passbücher für Schwarze halfen. Auch die Ölkonzerne Shell, Fina, Caltex und Exxon stehen auf der Liste der Beklagten. Daimler-Chrysler werden unter anderem die Lieferungen von Unimogs vorgeworfen. Hausfeld will nachweisen, dass die Unimogs dem südafrikanischen Rüstungskonzern ARMSCOR als Ausgangsmodell für Truppentransporter, etwa dem "Buffel" oder als Unterbau für den Raketenwerfer "Valkiri" dienten. Außerdem, so die Kläger, seien seinerzeit in großem Maßstab Militärlastwagen in den Johannesburger Benz- Werkstätten repariert worden. Die Anzeige im Namen von über 80 Klägern der "Khulumani" Selbsthilgegruppe (Khulumani auf Zulu: "Sprich es aus") richtet sich auch gegen den Rüstungskonzern Rheinmetall. Über eine Briefkastenfirma in Paraguay lieferte der Konzern 1978 eine komplette Munitionsfüllanlage nach Südafrika - über den brasilianischen Freihafen Paranagua. Wegen dieser unerlaubten Waffengeschäfte wurden vier Rheinmetall Manager im ersten Prozess gegen einen Rüstungskonzern nach dem Zweiten Weltkrieg 1986 rechtskräftig verurteilt. Auch der Schweizer Waffenfabrikant Dieter Bührle wurde schon 1970 rechtskräftig verurteilt. Seine Firma hatte allein zwischen 1965 und 1968 Flugabwehrgeschütze im Wert von rund 89 Millionen Schweizer Franken nach Südafrika geliefert. Unter Umgehung des UN-Embargo wurden die "Endverbraucher-Erklärungen" gefälscht. Seit 1999 gehört Bührles Nachfolgefirma Oerlikon-Contraves zu Rheinmetall. Auch nach seiner Verurteilung meldete Bührle zahlreiche Patente zur Herstellung von Munition und Waffensystemen in Südafrika an, in Vorbereitung von Kooperationsabkommen mit dem südafrikanischen Waffenkonzern ARMSCOR und dessen Tochterfirmen und Zulieferern. Die Liste der Beklagten kann sich, so Hausfeld, noch auf 100 Unternehmen erhöhen. Bereits im Juni hatte der Hausfeld-Konkurrent Ed Fagan eine ähnliche Klage gegen US-Firmen und Banken sowie gegen die Deutsche, die Dresdner und die Commerzbank eingereicht. Bislang hat aber das Gericht in Manhattan diese Sammelklage nicht angenommen. Fagan und Hausfeld begehen auch im US-Recht Neuland, denn erst zum dritten Mal stehen Wirtschaftsunternehmen wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor Gericht. Hausfeld argumentiert, dass die ausländischen Unternehmen mit ihrer Unterstützung der wirtschaftlichen Schlüsselsektoren wie Bergbau, Transport, Rüstung, Technologie, Öl und Finanzen dem Regime nicht nur "behilflich" waren, sondern dass es ohne die integrierte Teilhabe der ausländischen Wirtschaft Apartheid nicht in gleicher Weise gegeben hätte. Nach US-Recht werde es möglich sein, die Firmenarchive einzusehen, erklärt Gottfried Wellmer, Journalist und Mitarbeiter von Jubilee South Africa, trotzdem seien die Erfolgsaussichten für die Klage der Südafrikaner recht ungewiss. Die ersten beiden Klagen gegen eine Unterstützung von Menschenrechtsverletzungen durch Konzerne (Shell in Nigeria und Unocal in Myanmar) seien noch nicht entschieden. Immerhin wurde die Berufungsklage gegen Unocal erst kürzlich zugelassen. Die Hausfeld-Anwälte halten dies für ein ersten gutes Zeichen. Khulumani fordert, dass die Banken und Konzerne sich zu dem von ihnen begangenen Unrecht bekennen. Außerdem verlangt die Gruppe individuelle Entschädigungen für die 80 Kläger, Reparationen für die Organisation und ihre rund 33 000 Mitglieder sowie eine internationalen Schuldenerlass. Die deutschen Unternehmen haben sich bisher nicht zu der Klage geäußert. Der Friedensnobelpreisträger und Vorsitzende der südafrikanischen Wahrheitskommission, Erzbischof Desmond Tutu kommentierte ersten Sammelklagen im Juli in der südafrikanischen Presse: "Sie sagten: Geschäft ist Geschäft. Redet mit uns nicht über Moral. Sie hätten wohl auch Geschäfte mit dem Teufel gemacht. Alle Unternehmen, die mit dem Apartheidregime Geschäfte gemacht haben, müssen wissen, dass sie in der Schusslinie stehen. Sie müssen zahlen, sie können das leisten. Und sie sollten es mit Würde tun." |