Home > Branchen > DaimlerChrysler > Bremen > Drieling2 | |
Updated: 18.12.2012 16:00 |
Jürgen Drieling: Rede auf der Betriebsversammlung von DaimlerChrysler AG, Werk Bremen, gehalten am 20.09.2005 Vorwort: Statt Prekarisierung: Kämpfen...! Immer breitere Teile der deutschen Industriefacharbeiter sehen sorgen voll in die Zukunft. Nicht wenige von ihnen arbeiten bereits seit Jahrzehnten in Mittel-und Großbetrieben und haben sich den ständig steigenden Anforderungen im Beruf gestellt. Jetzt droht jedoch die Retourkutsche: Die deutschen Arbeitgeber wollen ausgerechnet diesen Teil der Industriearbeiterschaft "degradieren" zum sogenannten Lohnempfänger zweiter Klasse. Die Enttäuschung und Verbitterung ist groß: Logistiker, Feuerwehrleute, Transportfahrer, Versandfacharbeiter und weitere Dienstleister wie Drucker, Medienfacharbeiter oder auch so wichtige Jobs wie das arbeiten auf Infrastrukturstellen, all denen droht das Großkapital mit der Fremdvergabe. Die Belegschaft im Bremer DaimlerChrysler - Werk hat sich daher zum Widerstand und zur Verteidigung ihrer tariflichen Grundrechte entschlossen. Am 7.7.2005 aber auch auf der jüngsten Betriebsversammlung am 20.9.2005 kämpfte diese selbstsichere Belegschaft beispielhaft gegen eine drohende Fremdvergabe an sogenannte Billigstlohnbetriebe. Aber auch der Dienstleistungstarifvertrag ( DLTV ) der IG Metall wurde erheblich kritisiert. In einer sehr lebendigen Diskussion auf drei Betriebsversammlungen über alle Schichten wurde das für und wider dieses Dienstleistungstarifvertrages abgewogen. Die Arbeitgebervertreter, die zeitweise sichtlich "unter Schock" standen, zeigten sich wie gelähmt. Letztendlich gab es nach Abschluß dieser Debatte keine Gewinner und keine Verlierer. Unverkennbar konnte aber festgestellt werden: Niemand will fremdvergeben werden, keiner möchte zukünftig in Firmen arbeiten, die ihre Arbeiter und Angestellten z.B. mit 1.700,00 Euro Monatslohn abspeisen. Schon gar nicht wollen die betroffenen Kolleginnen und Kollegen auf die gemeinsam erstrittenen Sozialleistungen von DaimlerChrysler verzichten. Nur da wo die Fremdvergabe nicht zu vermeiden ist, soll der Dienstleistungstarifvertrag in Bremen angewendet werden. Dieser Ergänzungstarifvertrag darf nicht zum Freibrief für verkommen. Die Werkleitung in Bremen muß sich auf weitere Protestaktionen gefasst machen. Die Bremer DaimlerChrysler Beschäftigten wird eine prekär beschäftigte Belegschaft innerhalb des eigenen Werkszaunes nicht dulden. Jürgen Drieling Kolleginnen und Kollegen ! Als Gewerkschafter sind wir gegenüber den Wahlen zu den bürgerlichen Parlamenten keinesfalls unabhängig, sondern sehr wohl daran interessiert, günstige Ergebnisse für die Bewegung der Arbeiter und Angestellten mit zu gestalten. Gerade wir als Mitglieder in der IG Metall waren daher gut beraten unseren Einfluß, auf den Ausgang dieser so wichtigen Bundestagswahl, nicht nur wahr zunehmen, sondern wenn die Möglichkeit bestand, auch kräftig uns mit ein zu mischen. Schwarz / gelb ist gescheitert, und das ist prima...! Als Gewerkschafter können wir aber nur kurz durchatmen! Allzu sehr drückt die Last der Arbeitgeber auf uns Vertrauensleute und Betriebsräte. Wir wissen das es so nicht weiter gehen kann. Wir brauchen das Gegenteil dessen was bisher statt gefunden hat. Deutschland mit seiner Tariflandschaft braucht starke Gewerkschaften und Deutschland braucht starke Tarifrunden mit hohen Tarifabschlüssen. Dies zu erwirken bleibt unsere Hauptaufgabe weit über die Bundestagswahl von vorgestern hinaus. Insofern ist es wichtig gewesen den Kritikern der Tarifautonomie eine klare Absage zu erteilen. Wir sagen : Wer die Tarifautonomie anfasst darf in diesem Land keine Wahlen mehr gewinnen. Allzu sehr wurden zu unseren Lasten Steuerliche Abgaben ungleichmäßig von oben nach unten verteilt. Von 1997 bis heute stieg der Steueranteil am gesamten Steueraufkommen der Arbeiter und Angestellten von 30% auf 34 %, während die Summe aller Gewinn und Vermögenssteuern der Unternehmen von 30% auf 14% gesunken ist. Versprochen wurde uns von allen bürgerlichen Regierungen, dass die Entlastung der Arbeitgeber, zur Schaffung von Arbeitsplätzen notwendig sei. Tatsächlich hat sich aber die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland verdoppelt. Während die Reichen immer reicher werden in dieser Republik, verarmen große Bevölkerungsteile immer schneller. Der Export boomt zwar, die Inlandsnachfrage hinkt aber diesem Boom hinterher. Deutschland hat denn auch nicht umsonst, die schlechteste Einkommensentwicklung in Europa. Während sich die Realeinkommen der letzten Jahre z.B. in Schweden auf + 25 %, in England auf + 24% , und den USA immerhin noch auf + 19% belief , stolperte die Einkommensentwicklung in Deutschland mit - 0,9% ins Nirwana. So lassen sich keine Arbeitsplätze herstellen, wer den arbeitenden Menschen das Geld so aus den Taschen zieht, muß sich nicht wundern wenn die Konjunktur nicht mehr anspringt, und diejenigen müssen vor chinesischen Importeuren gar nicht anfangen zu zittern, wenn sie uns anständig entlohnen würden. Der deutsche Kapitalismus sägt an dem Ast auf dem er selber sitzt. Schlimmer noch : Unsere Arbeitsplätze werden somit zum Spekulationsobjekt für windige Geschäftemacher während wir als Arbeiter und Angestellte Millionenfach in die Arbeitslosigkeit gedrängt werden! Immer deutlicher wird uns vor Augen geführt, Kapitalismus ist weder human, noch ist Kapitalismus sozial! Egal wer im Bundestag jetzt die Mehrheiten für sich einsammelt, die Herrschenden in den Vorstandsetagen und in Berlin müssen wissen, das wir als Gewerkschafter und Werktätige nicht wehrlos sind, und wir uns sehr wohl zu verteidigen wissen. Eine andere Politik ist nicht nur Möglich, nein sie ist auch dringend notwendig! Als Arbeiter und Angestellte wollen wir über soziale und demokratische Alternativen nicht nur reden, wir wollen sie auch mit entwickeln und mit bestimmen. Dafür treten wir auch hier als Vertrauensleute und Betriebsratsmitglieder an. Gerade die jüngste Entwicklung zeigt uns einmal mehr was wir als Belegschaft hier in der Fabrik zu erwarten haben. Das bestreben unserer Werkleitung indirekte Bereiche auszulagern und fremd zu vergeben, ist nicht nur unlogisch sonder im höchsten Maße auch kontraproduktiv. Weil so nicht Kaufkraft gefördert, sondern weiter vernichtet wird. Bei der radikalen Umstrukturierung dieser indirekten Bereiche sollen denn auch vor allem Personalkosten eingespart werden. Weltweit, landauf , landab, sind hochbezahlte Strategen unterwegs, die sich Kostenvergleiche darlegen lassen, um in diesem globalisierten Kapitalismus, weitere Gewinnmaximierungen durchzusetzen. Vermessen und falsch sind daher Bestrebungen, für diese Politik den Gewerkschaften, den "schwarzen Peter" zuzuschieben. Während draußen ein nie gekannter Preiskrieg um diese Dienstleistungen entbrannt ist, haben die IG Metall und auch die Betriebsräte in diesem Konzern die Reißleine gezogen. Wir wollen eben keinen Ausverkauf unserer indirekten Bereiche, wir wollen kein verscherbeln unserer Arbeitskraft an die unseeligen Dienstleistungsfirmen, die mit Billigstlöhnen in den Industriebetrieben sich als Türdrücker betätigen . Das werden wir nicht mitmachen! Der schleichenden und klammheimlichen Fremdvergabe dieser Bereiche muß endlich Einhalt geboten werden. Wir wollen hier in dieser Fabrik kein Lohndumping, und kein Abrutschen in diese Billigstlöhne anderer Anbieter. Unsere tariflichen Errungenschaften werden wir zu verteidigen wissen. Hier im Betrieb gehört daher unsere Solidarität den Dienstleistern und indirekt Beschäftigten, damit gerade ihnen dieses Abrutschen in drohende Billigstlöhne erspart bleibt. Zum Schutz davor, und weil diese verhängnisvolle neoliberale Globalisierungspolitik der Bundesregierung, nicht vor unseren Werkstoren halt macht, hat der Gesamtbetriebsrat und die IG Metall den Dienstleistungstarifvertrag als Auffanglinie installiert. Arbeitgeber, Politiker und auch die verschiedenen Interessenvertreter, welche anders argumentieren und uns weismachen wollen, das Auslagerungsbestrebungen und Fremdvergaben durch den Dienstleistungstarifvertrag erst möglich wurden, redet wider besseren Wissens unredlich, der versucht von den eigentlichen Verursachern, die in den Konzernetagen und in Berlin zu finden sind abzulenken, und läuft Gefahr unseren Gewerkschaften ernsthaften Schaden zuzufügen. Gut das wir hier in der Fabrik diese Debatte so gründlich und so exakt führen konnten. Gut war auch das wir diese Debatte solidarisch geführt haben. Und wir sind immer noch gut unterwegs ohne uns dabei Schaden zuzufügen. Wir werden unsere indirekt Beschäftigten und Dienstleister gerade jetzt nicht alleine lassen. Jeder relevante Bereich wird einzeln durch den Abschluß freiwilliger Betriebsvereinbarungen bewertet und geprüft. Dabei wird kein Bereich bevormundet, sondern nach Möglichkeit und Abwägung der Alternativen, offen im Gruppengespräch oder Dialog dazu befragt werden. Das Ziel wird es dabei sein, die Anwendung des Dienstleistungstarifvertrags, so klein wie möglich zu halten. Logisch das wir in diesem Zusammenhang auch weitere Forderungen nach Insourcing an die Werkleitung stellen werden. Hier sollten wir unsere Bescheidenheit ebenfalls aufgeben und uns Offensiv an der Gestaltung des Insourcings beteiligen. Noch sind wir eine Belegschaft, mit einer Gewerkschaft in einem Tarifgebiet. Diese tarifliche und gewerkschaftliche Errungenschaft gilt es zu verteidigen: Zum Schutz der gesamten Belegschaft in unserem Werk! Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit. Siehe dazu auch im LabourNet Germany: Dienstleistungstarifvertrag - Aufruf zur Debatte |