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Seit Anfang der 80er Jahre treffen sich unter dem Namen Mercedes- bzw. DaimlerChrysler-Koordination regelmäßig kritische Vertrauensleute der IG-Metall, VertreterInnen von Betriebsgruppen und Betriebsräten und andere interessierte KollegInnen aus dem DaimlerChrysler-Konzern in Deutschland. Aus den verschiedenen Standorten in Deutschland werden Informationen ausgetauscht, Management-Strategien kritisch beleuchtet und eigene Positionen erarbeitet. Der Kontakt zwischen Belegschaften auf nationaler Ebene ist für den gegenseitigen Erfahrungsaustausch und das Suchen nach gemeinsamer und solidarischer Gegenwehr unentbehrlich. Die Teilnehmer der Koordination beteiligen sich zumeist aktiv in unterschiedlichen IG-Metall-Gremien und geben in einzelnen Standorten regelmäßige Betriebszeitungen und Flugblätter heraus.
Entgegen der mehrheitlichen Politik der Gewerkschaften und der Betriebsräte vertritt die Koordination eine Position gegen Konzessions- und Standortpolitik, da diese keine Standorte sicherer macht, sondern nur den Erpressungsdruck auf die einzelnen Belegschaften erhöht. Weitere Schwerpunkte der jüngeren Diskussion sind eine gemeinsame Positionsbestimmung zu neuen (flexiblen) Lohnsystemen, zur Einführung von standardisierter Gruppenarbeit und des Mercedes-Produktionssystems (MPS). Insbesondere letzteres bedeutet einen weiteren Schritt hin zur Schlanken Produktion mit international standardisierten Abläufen, das es DaimlerChrysler in Zukunft noch leichter machen wird, seine Produktion an "kostengünstigere" Standorte zu verschieben.
Da die Konzern-Strategien weltweit angelegt sind, bemüht sich die Koordination angesichts der Bedeutung des Gesamtkonzerns DaimlerChrysler darüber hinaus um einen wirklichen Internationalismus von Seiten der Beschäftigten mit dem Ziel einer internationalen Zusammenarbeit von betrieblichen GewerkschaftsaktivistInnen in Europa, Nord- und Südamerika. Ebenfalls seit den 80er Jahren wurden deshalb auf Konzern-Ebene im Rahmen von Besuchs- und Austauschprogrammen sowie durch Seminare mit internationaler Beteiligung persönliche Kontakte zu aktiven GewerkschaftskollegInnen von DaimlerChrysler im Ausland geknüpft, die bis heute existieren. Es bestehen Kontakte zu den Niederlanden, Spanien, Türkei sowie nach Brasilien und den USA, wobei mehrfach weltweit grenzüberschreitende Solidaritätsaktionen stattfanden. Ab Mitte der 90er Jahre wurde mit Hilfe und Unterstützung des internationalen Netzwerks von GewerkschaftsaktivistInnen TIE (Transnationals Information Exchange) versucht, die nationalen und internationalen Kontakte zu koordinieren und Handlungsstrategien zu entwickeln. TIE unterstützt die Arbeit durch seine Erfahrungen mit internationaler Gewerkschaftsarbeit und durch wissenschaftliche Zuarbeit.
International bemühten sich insbesondere einzelne Personen der Mercedes-Koordination um einen Informationsaustausch mit KollegInnen aus den damaligen Mercedes-Werken in Brasilien. Bereits seit den 80er Jahren wurden gemeinsame Besuchsprogramme von und nach Brasilien bzw. Deutschland organisiert, wodurch eine feste und langjährige Beziehung von Deutschland nach Brasilien aufgebaut werden konnte. Sporadischer gab es darüber hinaus Kontakte zu KollegInnen in der Türkei und Spanien.
Als im Frühjahr 1998 die Mega-Hochzeit von Daimler-Benz und Chrysler bekannt gegeben wurde, bemühte sich die Mercedes-Koordination mit Hilfe von TIE, die Kontakte in die USA und Kanada auszuweiten. Im November 1998 nahmen GewerkschafterInnen aus Chrysler-Betrieben in Detroit/USA und Mitglieder der Fabrikkommission aus Sao Bernardo von Mercedes-Benz do Brasil an einem gemeinsamen Seminar der Koordination teil. Im Anschluss daran konnten die Delegationen aus USA und Brasilien verschiedene Mercedes-Benz Werke in Deutschland besuchen und mit den entsprechenden Arbeitnehmervertretern einen ersten Austausch über die jeweiligen lokalen Probleme beginnen. Seit dem Jahr 2000 nehmen nun auch Vertreter des holländischen Werkes Nedcar teil, die bisher unter der Leitung von Mitsubishi- 2004 Tochter von DaimlerChrysler werden sollen.
Weitere Schritte folgten. Eine Gruppe von etwa 20 deutschen DaimlerChrysler-ArbeiterInnen und ein Vertreter der brasilianischen Kollegen machte im Frühjahr 1999 einen Austauschbesuch zu Chrysler-Werken in den USA und Kanada. Im Herbst desselben Jahres reiste eine etwas kleinere Gruppe deutscher KollegInnen nach Atlanta, um die gewerkschaftlichen Organisierungsbemühungen im neuen DaimlerChrysler Werk in Tuscaloosa/Alabama zu diskutieren. Im November 2000 unternahmen 12 KollegInnen von der Mercedes-Koordination eine 14tägige Reise nach Brasilien. Sie besuchten mehrere neue Modular-Fabriken, die auf der "Grünen Wiese" entstanden sind, und diskutierten in einem abschließenden Seminar die Probleme neuer Produktionsorganisationen wie Modularproduktion sowie konkrete Möglichkeiten internationaler Kooperation. Im April 2001 folgte schließlich ein weiterer Besuch von VertreterInnen aus Deutschland und Brasilien in die USA und Kanada und im November 2001 ein Gegenbesuch von brasilianischen und US-amerikanischen Gewerkschaftskollegen nach Deutschland.
National und international gelang es damit der Mercedes-Koordination mit Hilfe von TIE, das die Aktivitäten auch durch seine Büros in den USA und Brasilien unterstützt, regelmäßige Belegschaftskontakte durchzuführen und einen Internationalismus von der Basis aufzubauen. Die Gruppe entwickelte sich im Laufe der Jahre von einem einfachen Informationsaustausch zu einem tatsächlich international handelnden Arbeitsforum. Ziel dieses Forums ist es:
In den letzten 10 Jahren haben sich in Deutschland innerhalb des Konzern gravierende Veränderungen ergeben, die wahrscheinlich vergleichbare Entsprechungen in anderen Automobilwerken und in anderen Ländern haben.
In der Geschichte der Gewerkschaftsbewegung in Deutschland stand Mercedes lange Zeit als einer der größten Kampfbetriebe an der Spitze der Bewegung, wenn es um die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Metallindustrie ging. Viele tarifliche Erfolge wie
wurden aktiv mit von Mercedes-Belegschaften durch Streiks erkämpft. Auch bei den vielen Auseinandersetzungen um die Erhöhung der Löhne und Gehälter wurden die Ergebnisse im Bewusstsein des Interessengegensatzes mit massiven Arbeitsniederlegungen erstritten.
Der Stolz bei Mercedes-Benz oder DaimlerChrysler zu arbeiten ist zwischenzeitlich jedoch einer schrecklichen Ernüchterung gewichen. Im Gegensatz zu früher steht das Unternehmen heute eher in den Schlagzeilen, wenn es um die Verschlechterung von tariflichen und betrieblichen Leistungen wie z.B. die Fortzahlung des Entgelts im Krankheitsfall geht.
Bis in die zweite Hälfte der achtziger Jahre galt die Absicherung der Beschäftigung an den einzelnen Standorten im Unternehmensvorstand als wichtiges Kriterium bei den Langfristplanungen. Dies wurde zum ersten Mal durch das Programm "Optimierung der Gemeinkosten" OGK erschüttert, das 40% der gemeinkostenverursachenden Tätigkeiten abschaffen sollte. Ab 1990 hat sich die Unternehmenspolitik schließlich dramatisch verändert. Die neue Vorstandsstrategie stellte die damals für die Automobilindustrie sicherlich hohe Fertigungstiefe von über 50 Prozent in Frage. An allen Standorten sollte die Fertigungstiefe um ein Viertel gesenkt werden. Es wurden "Kerngeschäfte" definiert und alles was nicht dazuzählte, wurde, sofern es nicht die vorgegebenen Umsätze und Kapitalrenditen erzielte, zur Fremdvergabe oder Ausgliederung freigegeben: Mercedes-Benz Lenkungen GmbH Düsseldorf, die Ventilfertigung in Bad Homburg, SAI Automotive in Wörth usw. Die Shareholder-Value Orientierung wurde zum Maß aller Dinge erhoben.
Bis dahin hatten Gewerkschaften und Betriebsräte noch keine Strategien gegen die Standortlogik entwickelt. Ein Personalabbau durch Rationalisierungseffekte konnte bislang immer mit entsprechenden Produktionszuwächsen ausgeglichen werden. Außerdem war die kollektive Arbeitszeitverkürzung in Gewerkschaftskreisen noch immer unbestrittene Antwort auf Arbeitsplatzvernichtung durch Produktivitätssteigerungen.
Zu Beginn der neunziger Jahre machten Belegschaft und Betriebsräte schließlich erste Erfahrungen mit tatsächlichem Personalabbau, was zum Verlust von Selbstvertrauen führte. Ca.25 % bzw. 45.000 Arbeitsplätze waren abgebaut worden. Statt eine offensive Diskussion gegen die Standortlogik zu entwickeln, setzten die Betriebsratsgremien allerdings nun darauf, bei Entscheidungen zu Kostensenkungen "mitreden" zu dürfen. Durch die "Betriebsvereinbarung zur Bezugsartenentscheidung" wurde dem Betriebsrat das Recht zugestanden, eigene Kostensenkungsvorschläge zu machen, um die unternehmerischen Vorgaben zu erreichen. Damit hatten sich die Betriebsratsgremien mit ihren entsprechenden Mehrheiten erstmals auf die Standortlogik eingelassen und die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit als gemeinsames Ziel von Unternehmensleitung und Belegschaft akzeptiert. Völlig unabhängig von der grundsätzlichen Fehlorientierung dieser Politik, hat die Betriebsratsbeteiligung beim Kostensenken keine einzige Fremdvergabe verhindert, sondern nur weitere Sparpotentiale verdeutlicht und die Angebote von Fremdfirmen im Preis noch weiter gedrückt.
Es wurde und wird also bei Mercedes und später DaimlerChrysler seit 1990 massiv Outsourcing in verschiedenen Formen betrieben:
Die Mehrheiten in den Betriebsratsgremien haben sich auf diese Standortlogik eingelassen und unter dem Erpressungsdruck, das heißt der Drohung des Unternehmens, Arbeitsplätze zu verlagern, wurden durch Zugeständnisse der Betriebsräte und der Gewerkschaften die Arbeitsbedingungen verschlechtert. Einige Beispiele:
Die Stimmen kritischer Betriebsräte und Gewerkschafter innerhalb unserer Gewerkschaft, die die Gefahren dieser o. g. Standortlogik, d.h. u.a. Betriebsegoismus erkannt und darauf hingewiesen hatten, wurden immer lauter. Dies äußerte sich in eigenen Betriebszeitungen sowie Redebeiträgen auf Betriebs- und Gewerkschaftsversammlungen. Die Bemühungen der Mercedes-Koordination seit Mitte der 80er Jahre sind in diesem Zusammenhang zu sehen.
Unserer Ansicht nach müssen wir alle Standortegoismen ablegen, um dem anhaltenden Personalabbau wieder etwas entgegensetzen zu können. Amerikanische Shopstewards, VertreterInnen brasilianischer Fabrikkommissionen und deutscher Betriebsräte dürfen sich innerhalb des DaimlerChrysler-Konzerns nicht unterbieten, um Produktion für ihre Standorte zu sichern. Das Ausspielen von Belegschaften wird nur dann ein Ende haben, wenn wir aufhören mit den Arbeitgebern über die Verbilligung der Arbeit zu verhandeln. Die Rückbesinnung auf das Mittel der Arbeitsniederlegung, statt schlechte Verhandlungskompromisse, ist dringend notwendig, wie das Beispiel in Deutschland 1996 bei der Massenbewegung gegen die Kürzung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall belegt. Wenn die Arbeitgeber den Fortbestand unserer Arbeitsplätze für morgen in Frage stellen, dann müssen wir die Gewinne von heute in Frage stellen. Dies wird aber nur funktionieren, wenn wir lernen ,wie die Kapitalisten es heute schon tun, regional, national und international zu handeln. Die bereits bestehenden Kontakte auf Spitzenebene der Gewerkschaften reichen dabei keinesfalls aus. Die Kontakte und Begegnungen müssen auf die Ebene der AktivistInnen geholt werden, die nahe an der Basis sind. Nur mit eigener stabiler Basis wird eine nationale und internationale Vernetzung eine Chance bieten, sich nicht weiter gegeneinander ausspielen zu lassen, sondern Widerstand gegen die Einsparmaßnahmen zu leisten. Ansonsten wird es unter dem Mantel der Globalisierung weiter zu massenhaften Arbeitsplatzvernichtungen führen und werden sich die Arbeitsbedingungen weltweit verschlechtern. Gemeinsame Konzepte und praktische Solidarität können nur dort sinnvoll entwickelt werden, wo sie nachher auch gelebt und umgesetzt werden sollen.
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