LabourNet Germany Dies ist das LabourNet Archiv!!! Aktuelle Meldungen im neuen LabourNet Germany

Home Über uns Suchen Termine

 

Aufbau eines internationalen DC-Netzwerkes

Modularisierung der Produktion erfordert neue Formen der Interessenvertretung

Was auf bundesdeutscher Ebene schon seit vielen Jahren existiert, soll nun auch auf internationaler Ebene Gestalt annehmen: der Aufbau eines Netzwerkes aus Belegschaftsmitgliedern- und VertreterInnen verschiedenster DaimlerChrysler-Werke. Spätestens mit der Fusion von Daimler Benz und Chrysler wurde deutlich, dass die bislang eher losen Kontakte, die zu US-amerikanischen, kanadischen, spanischen oder brasilianischen KollegInnen bestanden, nicht ausreichen, um der Konzernpolitik des globalen Standortwettbewerbs und der Deregulierung etwas entgegenzusetzen – und sei es wenigstens die Kenntnis der Situation in anderen Werken. Eine eigenständige und unabhängige Initiative wird auch durch die Installierung von Euro- oder gar Weltbetriebsräten – bzw. Foren nicht obsolet, sondern erweist sich – wie zuletzt im Fall VW-Südafrika, wo der VW-Weltbetriebsrat gemeinsam mit dem Management gegen die dort Streikenden Position bezog – vielmehr als notwendig. Erste Schritte gehen in Richtung einer mailing-list mit internationaler Beteiligung sowie eines regelmäßigen Informationsrundbriefes für die Mitglieder des DC-Netzwerkes. Ein Besuch bundesdeutscher GewerkschafterInnen in Brasilien sollte helfen, dieses Projekt voranzutreiben, und Aufschluss geben über Entwicklungen in der dortigen Automobilindustrie. Brasilien erweist sich dabei als Vorreiter in Bezug auf Arbeitsorganisation und Produktionsmethoden, die hierzulande oftmals noch in der Pilot- bzw. Experimentierphase stecken. Der Bericht über die Reise Ende letzten Jahres sowie eine Übersicht über die Entwicklungen in den brasilianischen Werken ist mittlerweile fertiggestellt und in dem Brasilien-Info des Mannheimer AK Internationale Solidarität veröffentlicht. Wir dokumentieren.

 

Im November 2000 waren zehn Mercedesarbeiter aus verschiedenen bundesdeutschen DC-Betrieben zusammen mit einer Sekretärin der IGM-Ortsverwaltung Gaggenau, zwei Dolmetscherinnen und einem Mitarbeiter des TIE-Bildungswerkes Offenbach e.V. 14 Tage lang in Brasilien unterwegs. Ziel der Reise war, sich über neue Formen der Produktionsorganisation in neuen Autofabriken zu informieren und sich mit den jeweiligen Arbeitnehmervertretungen auszutauschen.

So wurden in den zwei Wochen sieben Fabriken besichtigt, in denen entweder einzelne Elemente von neuen Formen der Arbeitsorganisation verwirklicht werden oder ein ganz neuer Entwurf, die so genannte Modularfertigung ,realisiert wird. Höhepunkt der Reise war in dieser Hinsicht die Besichtigung des neuen LKW-Werkes von VW in Resende im Bundesstaat Minas Gerais. Auf einen knappen Nenner gebracht lässt sich die Organisation dort so beschreiben: In insgesamt sieben Modularfabriken innerhalb des Werkes werden die verschiedenen, für ein Auto notwendigen Elemente (wie Rohbau, Motor, Fahrerhaus, Lackierung, Sitzgestelle etc.) gefertigt und von den Beschäftigten dieser Betriebe an den entsprechenden Stellen des Montagebandes eingebaut. VW-Arbeiter tauchen erst an den Qualitätskontrollstellen auf. Die einzelnen Betriebe erhalten erst Geld, wenn das Fahrzeug fehlerfrei an VW übergeben wird. Diese sieben Firmen produzieren also das Auto, das dann als VW angeboten wird, wobei VW lediglich die Verantwortung für Kontrolle, Vertrieb und Kundendienst übernimmt. Hier zeigt sich ein neuer Entwicklungsschritt bei den großen Autofirmen: Während die – weniger rentable – Produktion selbst anderen überlassen wird, konzentrieren sich die Mutterfirmen auf den lohnenderen Vertrieb und alles ‘drumrum’.

Unsere Gruppe war Gast bei der Fabrikkommission von DC in Sao Bernardo, die mit der Firma ausgehandelt hatte, uns für unsere Reise zwei Kleinbusse und zwei Fahrer zur Verfügung zu stellen. Die Fahrer waren ebenfalls Mitglieder der Fabrikkommission, so dass die Gruppe während der gesamten Reise von kompetenten Kollegen begleitet wurde. An allen Stationen unserer Reise, im Süden in Curitiba, in Campinas, Sao Bernardo und Juiz de Fora erwiesen sich die örtlichen Gewerkschaftsorganisationen als ganz hervorragende Gastgeber. Und sie ließen uns teilnehmen an den Arbeitskämpfen, die zu dieser Zeit gerade stattfanden. Ein Höhepunkt in dieser Hinsicht war der Streik bei DC in Sao Bernardo, wo verschiedene Abteilungen die Arbeit niedergelegt hatten, um die Entlassung von 420 befristet Beschäftigten abzuwenden. Am Tag unserer Anwesenheit hatte gerade die Achsenfertigung aus Protest die Arbeit niedergelegt. Als sehr hilfreich erwies es sich daher, dass in unserer Reisegruppe auch ein Betriebsrat aus dem Kasseler Werk war. Er konnte die Drohung der Werkleitung in Brasilien, die Achsenfertigung für den in Argentinien produzierten "Sprinter" würde von Brasilien nach Kassel verlegt, wenn der Streik nicht beendet würde, schnell entkräften und die Solidarität der Kasseler Belegschaft versprechen.

In der gleichen Woche begannen überall im Bundesstaat Sao Paulo Warnstreiks im Zusammenhang mit der laufenden Tarifrunde in der Metallindustrie. So erlebte die Gruppe eine Großveranstaltung mit rund 15000 DemonstrantInnen, die für die darauf folgende Woche einen Streik für die gesamte Metallindustrie beschlossen – nicht ohne Erfolg: Schon wenige Tage später gestanden die Unternehmerverbände eine zehnprozentige Lohnerhöhung sowie die Beibehaltung aller Sozialklauseln im Tarifvertrag zu.

Die konkreten Erlebnisse und Informationen aus den Besichtigungen der verschiedenen Fabriken sowie die Eindrücke aus den Gesprächen mit den dortigen GewerkschafterInnen wurden im Anschluss an die Reise in einem dreitägigen Seminar gemeinsam mit WissenschaftlerInnen verarbeitet. Als Konsequenz des ganzen Unternehmens darf hervorgehoben werden:

Die bereits seit vielen Jahren bestehende Solidaritätsarbeit zwischen Mannheim und Sao Bernardo erwies sich als fruchtbarer Boden für eine Ausweitung der internationalen Beziehungen zwischen Belegschaftsmitgliedern innerhalb des DC-Konzerns. So hat die Reisegruppe wegen der Kämpfe in Campo Largo bei Curitiba, wo DC den Dodge Dakota bauen ließ und keine offenen Wahlen zu einer gewerkschaftlichen Organisierung zulässt, einige Briefe an die dortige Werkleitung geschrieben. Ebenso intervenierte sie bei der Werkleitung in Juiz de Fora, wo die A-Klasse und neuerdings auch die C-Klasse produziert werden und die Werkleitung immer noch keine Fabrikkommission mit einem seriösen Statut zulässt.

Die Kollegen in Campo Largo haben zur Zeit allerdings neue Sorgen: Das Chrysler-Sanierungsprogramm des Herrn Zetsche sieht u.a. den Stopp der Produktion in Campo Largo vor (s. untenstehenden Bericht).

Zur weiteren Vertiefung der Kontakte und Intensivierung der internationalen Beziehungen zwischen Belegschaftsmitgliedern ist ein Wochenseminar mit DC-KollegInnen aus Brasilien, Kanada, den USA und deutschen Werken geplant (s. untenstehende Einladung).


Einladung Mercedes- und Autokoordination

Vom 7. - 11. November 2001 findet die Herbsttagung von Mercedes- und Autokoordination im Jugendgästehaus Tholey (Nähe Saarbrücken) statt, zu der wir hiermit vorab einladen möchten.
Das Treffen der Mercedeskoordination wird ganz im Zeichen des Auf- und Ausbaus eines internationalen DaimlerChrysler-Netzwerkes stehen. Hierzu werden u.a. Gäste aus Brasilien, den USA und Kanada erwartet. Geplant ist des Weiteren ein Besuch im lothringischen Smart-Werk.

Themenschwerpunkte der anschließend stattfindenden Autokoordination werden die Vorbereitung der Metalltarifrunde sowie die Betriebsratswahlen im nächsten Jahr sein.

Ein genaues Programm wird derzeit erstellt. InteressentInnen, die nicht im Verteiler der beiden Koordinationen sind, bitten wir, sich an die Redaktion des express zu wenden, damit wir Euch bei der Einladung berücksichtigen können.


erschienen im express, Zeitschrift für Betriebs- und sozialistische Gewerkschaftsarbeit, 8/01


Home
LabourNet Germany: http://www.labournet.de/
LabourNet Germany: Treffpunkt für Ungehorsame, mit und ohne Job, basisnah, gesellschaftskritisch
The virtual meeting place of the left in the unions and in the workplace
Datei:
Datum: