letzte Änderung am 16. Dez. 2002 | |
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Buenos Aires. Die Stimmung war schlecht, damals im Verband der argentinischen Autobauer (ADEFA). Die Mächtigen fühlten sich in einer Falle. Guerilleros entführten Manager, und der rechte Gewerkschaftsboss kassierte schamlos dafür ab, die Fabriken von linken Aktivisten zu säubern. Die Triple A, die Todesschwadron aus Polizisten und Gewerkschaftern, machte systematisch Jagd auf Oppositionelle. Daß die Großindustrie diese Jagd finanzierte, liegt nahe, war aber bisher nicht zu beweisen. Und bei ADEFA sind "keine Unterlagen auffindbar", so Verbandsprecher José Luis Reidy.
Unterlagen wurden diese Woche dem Landgericht in La Plata vorgelegt, darunter der offizielle Tarifvertrag zwischen Mercedes Benz Argentinien (MBA) und der Automobilarbeitergewerkschaft SMATA, in Kraft seit dem 21. Juli 1975, Aktenzeichen 18/75 E. Artikel 29 betrifft den "Sonderfonds der Sozialen Aktion", in den das Unternehmen jeden Monat ein Prozent seines Umsatzes einzahlt. "Dieses Geld ist Gegenstand einer besonderen Verwaltung und Buchführung, getrennt und unabhängig von den sonstigen Gütern und Geldern der Gewerkschaft. Die Verwaltung des Geldes liegt ausschließlich in den Händen des Nationalen Leitungsrates von Smata. (...) Für die Firma und für Smata ist es eine unbedingte soziale Verpflichtung, die Produktion zu verbessern, indem alle negativen Faktoren, die den normalen Ablauf der Arbeit und des Unternehmens schaden können, ausgemerzt werden."
Zwischen April 1976 bis August 77 wurden 17 Betriebsräte von Mercedes Benz verschleppt. Fünfzehn wurden nachts aus ihren Wohnungen entführt, von ihnen fehlt bis heute jede Spur. Es überlebten nur zwei, die aus dem Werk, vor vielen Zeugen, abgeführt wurden. "Die Werksleitung arbeitete aktiv mit der Repression zusammen", glaubt Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck. Auf seinen Antrag ermittelt die Staatsanwaltschaft Nürnberg seit drei Jahren gegen Daimler Chrysler Argentinien wegen Beihilfe zum Mord. Kaleck hat jetzt internationalen Haftbefehl gegen den damaligen Produktionsleiter Juan Tasselkraut beantragt.
In Buenos Aires haben Ende Oktober die Hinterbliebenen Strafanzeige wegen Bildung einer Kriminellen Vereinigung gegen Mercedes Benz, den Gewerkschaftsboß José Rodríguez und die Militärs erstattet. Verwickelt ist auch der damalige Arbeitsminister und heutige Außenminister Carlos Ruckauf. Er hatte am 6. Oktober 1975 das Dekret 2772 über die "Vernichtung der Subversion" unterzeichnet. Laut eines Schreibens von Hanns-Martin Schleyer, hat die Firma stets Rodríguez und Ruckauf "bei der Eliminierung der Subversion in den Fabriken unterstützt". Opferanwalt Ricardo Monner Sans hat am Donnerstag das "Tarifabkommen 18/75 E" dem Ermittlungsrichter vorgelegt, für ihn eines der wichtigsten Beweismittel. "Nach außen wirkt der Tarifvertrag wie ein Abkommen zwischen Gleichen, dem Unternehmen, der Gewerkschaft und dem Arbeitsministerium. Im Innenverhältnis aber ist klar, wer das Sagen hatte: Wer zahlt, befiehlt". Und der Befehl hieß: Ausmerzung. "Erradicación".
Dieser "Tarifvertrag" muß dem Mutterhaus in Stuttgart bekannt gewesen sein. Ein Prozent des Umsatzes ist nicht aus der Portokasse zu entrichten. Dieser Betrag entging den Aktionären.
Der ehemalige Justiziar von MBA, Pablo Cueva, hat die Existenz dieses "ein-Prozent-Abkommens" bestätigt. Er wollte aber nicht präzisieren, wieviel Geld gezahlt worden war. In den Sonderfonds mußte ein Prozent des dem Finanzamt gegenüber ausgewiesenen Umsatzes eingezahlt werden, abzüglich der an den Staat verkauften Fahrzeuge. Laut ADEFA-Statistik könnte die Summe an 30 Millionen Dollar heranreichen.
Ford hat Zeugenaussagen zufolge bis zum Militärputsch im März 1976 das eine Prozent gezahlt. Allerdings haben weder die Arbeiter noch die SMATA-Funktionäre von diesem Geld etwas gesehen. Allein José Rodríguez habe Zugriff gehabt. Ob mit diesem "einen Prozent" bewaffnete Banden bezahlt worden sind? "Wahrscheinlich", so ein früherer FORD-Vertrauensmann.
Während das "Eine-Prozent-Abkommen" die argentinischen Medien beherrscht, tagte in San Diego unter kalifornischer Sonne das Exekutivkomitee des Internationalen Metallarbeiter-Bundes, IMB. Die österreichische Metallarbeitergewerkschaft hat eine Untersuchung gegen José Rodríguez beantragt, seit Anfang der siebziger Jahre IMB-Vizepräsident. Die Italiener, die Franzosen und Brasilianer fordern seine Suspendierung. Das Thema "Ein-Prozent" wurde nicht diskutiert, obwohl Informationen vorlagen. IMB-Präsident Klaus Zwickel so hieß es aus der IMB-Zentrale in Genf habe die Suspendierung abgelehnt, weil "sowas nicht zu machen sei." Sprachs und bestieg den Reisebus in Richtung mexikanische Grenze, Teil des "sozialen Programms".
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